Niemand hat sie Absicht einen ÖPNV zu schaffen, der das Auto ablösen könnte

Wir sollen nach dem Willen vieler, vornehmlich Großstädte bewohnender, Umweltaktivisten, ja

  • möglichst alle
  • möglichst bald
  • möglichst vollständig

auf das Auto und den individuellen Verkehr insgesamt verzichten lernen.

Ich persönlich sehe in so einem Ziel auch diverse Vorteile. Zum Beispiel kann ein wirklich intelligent und gut gemachtes System aus öffentlichem Nahverkehr individuell die Kosten der Mobilität senken helfen, wenn es denn effizient genug ist.

Und wenn man an den Wochenenden mal nicht in der unmittelbaren Nachbarschaft, sondern zum Beispiel in der eigenen Stadt einen saufen gehen will, ist man vielleicht endlich mal nicht auf ein Taxi angewiesen (das dann pro Tour 20 Euro haben will und so effektiv mal eben die Gesamtkosten der Sauftour um 50-100% verteuert).

Ohnehin ist ein Auto ja ein relativ teurer Spaß, was Unterhalt, Reparaturen, Steuern, Versicherungen, Stellplatz usw. usf. betrifft. Es wäre nicht ganz blöde, wenn es dazu Alternativen gäbe – und wenn die mit anderen gemeinsam genutzt werden können, sinken halt in einer perfekten Welt am Ende auch die Kosten für den Einzelnen.

Es lohnt sich also, über das Thema etwas ausführlicher nachzudenken und deswegen mache ich das praktisch seit Jahren schon. Und ich schaue mir eben auch die Angebote an, die es bei mir vor Ort so gibt.

An denen wird sich in Kürze Einiges ändern. Gestern habe ich mir diesbezüglich eine Informationsveranstaltung der Stadtverwaltung angesehen. Die kümmert sich lediglich um einen kleineren Teil des Nahverkehrs, im Kern sind das die sogenannten „Stadtbusse“ (deren Name schon immer Etikettenschwindel war aber dazu später mehr), sowie die fehlende Busverbindungen ersetzenden, hoch subventionierten Taxen.

Beides wird ab kommenden Dezember komplett neu aufgestellt. Die wichtigsten Änderungen sind:

  • die Stadtbusse werden besser auf die Ankunfts-/Abfahrtszeiten der Züge am Bahnhof abgestimmt,
  • die Linien der Stadtbusse sind jetzt immer gleich und damit nachvollziehbarer,
  • das „Anrufsammelmobil“, das bisher quasi ein subventioniertes Taxi war, das man sich zu einer beliebigen Haltestelle rufen konnte, von wo es einen an einen beliebigen Zielort brachte, fährt nun auf Bestellung ausschließlich die Buslinien ab.
  • Das „Anrufsammelmobil“ füllt alle Fahrplanlücken, fährt also stündlich, wenn kein Bus fährt.

Dinge, die leider nicht geändert worden sind, sind folgende:

  • das das „Anrufsammelmobil“ ersetzende „Anruflinientaxi“ (Unterschied ist oben beschrieben) kostet weiterhin 3,50 Euro pro Fahrt – was mehr als doppelt soviel ist, wie der sogenannte „Stadtbus“, der aber leider nirgendwo fährt, außer in dem sehr kleinen Innenstadtbereich, wo man notfalls auch noch zu Fuß ganz gut hingehen könnte oder alternativ für kleines Geld sogar richtiges Taxi fahren kann;
  • der sogenannte Stadtbus, der, wie gesagt, sowieso noch nie auch nur ansatzweise die ganze Stadt versorgen sollte, wird nicht gestrichen, sondern dem Vernehmen nach sogar erheblich teurer.
  • Sonntags gibt es auch künftig keinerlei Nahverkehr. Nirgendwoher und nirgendwohin.

Diesen Stadtbus abschaffen soll ein positiver Beitrag zum öffentlichen Personennahverkehr sein? Ja, ich denke schon.

Das dachte ich auch schon vor der gestrigen Veranstaltung, weil für mich nicht nachvollziehbar ist, was man sich eigentlich dabei denkt, einen Bus zu schaffen, der fußläufig gut zu bewältigende Ministrecken bedient – in einer Stadt, deren wesentliches Nahverkehrsproblem ist, dass sie sie sich über eine extrem große Fläche erstreckt. Hier leben nämlich 35.000 Einwohner, die sich aber auf einer Fläche halb so groß wie Hannover verteilen.

Trotzdem wird bei verschiedenen Entscheidungen so getan, als würde es sich um eine ganz normale Stadt handeln und nicht um 13 Dörfer und ein etwas größeres Dorf in der Mitte. Beim Verkehr tut man eben mit dem überflüssigen Stadtbus so, als wäre das der Fall.

Bis gestern Abend war für mich der Stadtbus übrigens nur gefühlt überflüssig. „Der Stadtbus ist sein Geld nicht wert, weil er nicht durch Hoopte fährt,“ ist der erste Faslamswagen mit kommunalpolitischem Slogan, an den ich mich erinnern kann. „Statt Bus“ wurde er damals spöttisch im Jahr seiner Einführung genannt – das war 1995 und ich zarte 14 Jahre alt.

In den Jahren danach wurde hier im Dorf auch weiter über den Bus gespottet, weil man ihn komischerweise immer nur leer fahren sah. Irgendwann wurde der Spott einfach langweilig, weil sich daran nichts änderte. Ich habe mich immer wieder mal gefragt, ob dieser alberne Bus inzwischen denn mal breit genutzt werden würde aber besonders wichtig war es mir zugegebenermaßen auch nicht.

Gestern erfuhr ich dann mal ein paar belastbare Zahlen zu seiner Nutzung. Festhalten: Im Jahr 2018 beförderte der Stadtbus pro Tour durchschnittlich 3(!) Fahrgäste. Wahnsinn! Und das für einen sechsstelligen Betrag an Steuergeld, jedes Jahr.

Oben merkte ich ja schon an, dass man am Stadtbus einiges verbessern will. Und das nach nur einem Vierteljahrhundert der Misswirtschaft!

Wie dem auch sei: Diesen Bus muss man offensichtlich sehr viel mehr im Auge behalten, als bisher. Es kann ja sein, dass er jetzt durch die paar Maßnahmen plötzlich dann doch in einem vertretbaren Maß attraktiv geworden ist. Werden wir ab Dezember sehen können. Aber nach aktuellem Stand wären doch wohl die genannten „Anruflinientaxis“ auch für den kleinen Innenstadtbereich die bessere und günstigere Alternative gewesen.

Fast. Denn deren größtes Problem ist, dass sie praktisch außerhalb des Verkehrsverbundes (das ist hier der Hamburger HVV) operieren. Heißt: Ticket kostet immer zusätzlich. Und es kostet eben außerdem auch noch deutlich mehr als das Kurzstreckenticket im HVV, das mit 1,65 Euro jetzt auch schon nicht grade superbillig aber immer noch fair bepreist ist.

Natürlich ist fraglich, ob ein durch solche Anruflösungen ersetzter Bus, dessen Ticket eben bisher diesem normalen HVV-Tarif zugrunde liegt, für 3,50 Euro pro Tour genau so „attraktiv“ bliebe, also wenigstens diese durchschnittlich 3 Fahrgäste pro Fahrt weiterhin anspräche.

Ohnehin ist ja ein großes Problem am Konzept für die Sammelmobile, dass sie schnell sogar teurer werden als ein komplett individuell fahrendes Taxi, wenn die Strecke nicht ganz so lang wie die von meinem Dorf zum Bahnhof ist und man zu dritt oder zu viert drin sitzt und sich die Kosten teilen kann – was eben nur beim Taxi geht, aber nicht bei einem Busersatz, bei dem jeder ein Ticket zahlen muss.

Abseits all dieser praktischen Probleme wurde mir gestern aber auch einmal mehr klar, dass aktuell niemand im Ernst das Ziel verfolgt, den ÖPNV auch nur annähernd so zugestalten, dass er ein eigenes Auto ersetzen könnte. Das kann zwar für ältere Menschen vielleicht sogar ganz gut funktionieren, weil sie zeitlich sowohl flexibler als auch besser ausgestattet sind, als zum Beispiel Arbeitnehmer.

Pendler aber, die zu einem Zeitpunkt X bei der Arbeit sein möchten und das schon unter Idealbedingungen (die wir im Raum Hamburg niemals haben, allein schon, weil die Bahn praktisch täglich ihren Plan nicht einhalten kann) nur sehr schwer schaffen, obwohl sie zumindest den Weg zum Bahnhof mit dem Auto bestreiten, wird man mit dem bestehenden Angebot niemals erreichen können. Und offensichtlich möchte man das auch nicht.

Auch vor diesem Hintergrund sind Debatten um die Abschaffung des Autos und des Individualverkehrs insgesamt für jeden außerhalb krasser Ballungsgebiete schwer bis gar nicht nachvollziehbar. Auch, weil dabei ständig so getan wird, als gäbe es irgendwelche tragfähigen Konzepte, die man eigentlich nur umsetzen müsste. Das ist meiner Meinung nach aber einfach nicht der Fall.

Es gibt allenfalls Ansätze. Es gibt selbstfahrende Kleinbusse, beispielsweise. Aber echte Beispiele, wo eine flächendeckende Versorgung durch solche individuell fahrenden Verkehrsmittel finanzierbar, zu günstigen Ticketpreisen buchbar und bei alledem auch noch umweltfreundlicher als der Status Quo mit individuellem Verkehr (der irgendwann theoreitsch elektrisch und theoretisch mit Ökostrom laufen soll, wie realistisch auch immer dieses Szenario sein mag aber das ist ja das angebliche Ziel und so) realisiert worden wären, gibt es nicht – zumindest nicht im ländlichen Raum.

Und auch, wenn das alles jetzt klingt, als wollte ich unbedingt meine eigene Stadt kritisieren, ist das natürlich nicht der Punkt. Die Stadt tut eine ganze Menge für den ÖPNV. Es handelt sich auch un einen ziemlich teuren Posten. Meine Kritik richtet sich aber vor allem gegen offensichtlich vorhandene Ineffizienzen.

Als jemand, der sich aber eben auch mit dem städtischen Haushalt insgesamt und seinen Möglichkeiten gelegentlich auseinandersetzt, sehe ich ehrlicherweise auch gar nicht nur theoretisch eine Möglichkeit, wie da ein das Auto ersetzender ÖPNV gestemmt werden könnte. Sowas muss mindestens auf Kreisebene angedacht werden, da wir im Hamburger Verbund sind, wahrscheinlich sogar darüber und finanziell müsste da eigentlich auch sehr viel mehr von noch weiter übergeordneten Ebenen kommen, damit da irgendwas möglich wird.

Und nichts davon passiert. Woraus ich einmal mehr messerscharf schließe, dass weder Bund, noch Land noch sonst irgendwer, der in diesem Land aktuell Mehrheiten organisieren könnte, ernsthaft vor hat, sinnvolle Alternativen zum Auto zu schaffen.