Corona-Tagebuch: Gleichschrittprojekte

Gestern gab es mal eine familiäre Kaffeetafel mit Tanten und Oma. Oma war neulich schon mal Gast, die Tanten hatten glaube ich seit März sehr überschaubare Kontakte und jedenfalls nicht so eine Runde erlebt. Entsprechend gut gefallen hat es allen. Der Mensch ist eben ein soziales Wesen, da kannste nichts machen.

Früher am Tag habe ich bei einem kleinen Live-Streaming-Event für wohltätige Zwecke geholfen, das ohne Corona wohl auch nie entstanden wäre. Denn dann wäre ja die Fußball-Europameisterschaft nicht ausgefallen.

EM-Ersatz mit Tipp-Kick und Kick-Tipp

Etwa zeitgleich ist ein 23 Jahre junger Kajak-Fahrer aus unbekannten Gründen in Geesthacht die Staustufe runter und höchstwahrscheinlich dabei ums Leben gekommen. Was natürlich keinerlei mir bekannten Corona-Bezug hat. Aber es ist ein weiterer von etlichen Feuerwehreinsätzen, während die Feuerwehr nach wie vor keine Übungsdienste abhalten darf – wegen Corona.

Nach wie vor diskutiert Deutschland über die Maskenpflicht. Keine Ahnung, warum. Ich persönlich halte sie zum aktuellen Zeitpunkt für verzichtbar und denke, dass das für viele Geschäfte überaus hilfreich wäre.

Die Maskenfans argumentieren, dass die Leute sich dann total sorglos verhalten könnten, weil nichts mehr nach Krise aussehen würde. Ein Argument, dass ich nicht verstehe. Bevor es die Masken gab, waren wir alle doch auch in totaler Krisenstimmung. Die nahm mit den Masken eher ab und mittlerweile benimmt sich sowieso jeder wieder ganz normal, trägt nur eben ne Maske dabei.

Ich frage mich immer häufiger mal, wie denn das offenbar wichtige optische Signal aussehen soll, falls die Fallzahlen eben doch mal steigen. Die Masken sind dann schon da. Bildet man sich ein, dass ein paar Apelle allein nach so langer Zeit im gefühlten Daueralarm das Verhalten der Leute ändern könnten?

Auch unter diesem Aspekt ist es für mich ein dummer Fehler, die Maskenpflicht nicht zumindest mal auszusetzen. Da es praktisch keine Infizierten gibt, ist die Gefahr jedenfalls aktuell vertretbar klein.

Aber es ist ein heißes Eisen und jeder, der auch nur irgendwas in Richtung die Masken könnten ja an sich mal weg von sich gibt, kriegt ziemlich schnell Feuer – zumindest in den sozialen Medien aber auch sonst.

Das ist mal wieder so ein großes Gleichschrittprojekt. Der Deutsche liebt ja Gleichschrittprojekte. Wir müssen immer alle am gleichen Strang ziehen und so. Geht manchmal zwar in die fürchterlich falsche Richtung aber solange wir uns wenigstens einig sind, ist das eigentlich auch egal. Augen zu und durch. Das hier scheint wieder mal so ein Fall zu sein.

Vielleicht aber auch nicht.

Denn das Bild, das hier vom ZDF gezeichnet wird, vielleicht auch mal wieder mit Vorsicht zu genießen ist. Eine fast zeitgleich veröffentlichte Umfrage sagt, dass nur ungefähr die Hälfte der Bürger die Maskenpflicht nicht abgeschafft sehen möchte. Was irgendwie schwierig mit dem Bild da oben in Einklang zu bringen ist.

Eine Umfrage aus dem Juni stellt zudem noch fest, dass die Masken für zwei Drittel der Bürger ein Grund sind, verhaltener einzukaufen. Keine Überraschung – aber in den sozialen Medien wurde ich für eine ähnliche Vermutung auch bereits wieder „aufgeklärt“, dass das ja totaler Schwachsinn sei und doch wohl jeder ganz normal einkaufen gehen würde, Maske hin oder her (seltsam, dass sich das in den Geschäftszahlen der Händler so nicht widerspiegelt…).

Bereits am 1. Juni war in der FAZ zu lesen, dass ein Drittel das Tragen der Masken leid ist. Das ist jetzt gute 6 Wochen Dauer-Maskenball her und wir sollten eher nicht davon ausgehen, dass jetzt mehr Leute Spaß daran gefunden haben, diese Dinger zu tragen. Auch wenn es damals deutlich heißer war. Aber der Sommer scheint grade ein bisschen zurück zu kommen.

Für meine These vom Gleichschrittprojekt spricht wiederum eine Umfrage aus Ende Mai, nach der eine Mehrheit das erzwungene Maskieren „fairer“ findet, als freiwillige Regelungen. Fairness finde ich ja auch einen sehr spannenden Maßstab für die Frage, ob etwas infektionstechnisch sinnvoll ist oder eben nicht.

Wie dem auch sei: Anhand der Infektionszahlen lässt sich der Maskenzauber nicht wirklich begründen. Das habe ich hier ja schon mal ausführlich behandelt.

Auch interessant, dass in dieser aktuellen DLF-Grafik der Zeitunkt der Einführung der kollektiven Maskierung gar nicht erst eingezeichnet wurde. Eventuell, weil man dann gesehen hätte, welchen Nicht-Einfluss er hatte?

Quelle: DLF

Ich will da nicht zuviel reininterpretieren. Es gehört momentan nicht viel dazu, zum Verschwörungstheoretiker zu mutieren. Will ich gar nicht. Aber es ist eben, wie es ist. Wenn man relativ irrelevante Ereignisse wie „Lufthansa stellt Flüge nach China ein“ aufnimmt aber nicht die Einführung der Maskenpflicht, finde ich das zumindest bemerkenswert und eine interessante Entscheidung.

Zur Erinnerung: Der Maskenzwang kam am 27. April. Also eine Woche nach dem Punkt „Vorsichtige Lockerung des Shutdowns“. Kein erkennbarer Einfluss auf die Kurve. Es fühlte sich ja auch damals so an, dass man mit dem Infektionsgeschehen bundesweit auf gutem Weg war, der glücklicherweise bis heute anhält – und dann aus heiterem Himmel eine Maskenpflicht kam, von der keiner wusste, was das eigentlich jetzt noch soll. Auch das war irgendwie typisch deutsch: Es läuft eigentlich alles nach Plan, komm, wir ändern trotzdem mal eben den Plan. Hä?

Aber egal. Wie auch schon mal festgestellt, ist mir persönlich die Maskenpflicht relativ egal. Ich hab keinen Laden, der unter ihr leiden würde. Ich verstehe sie nur einfach nicht und Regeln, die ich nicht verstehe, stören mich grundsätzlich. Auch wenn das bestimmt sehr undeutsch ist.

Das Infektionsgeschehen in meinem Landkreis ist nach wie vor langweilig und pendelt weiter wie gehabt. Wobei die letzten Zahlen jetzt 3 Tage alt sind, denn es war Wochenende und die neuen Zahlen sind noch nicht online.