Missverständnis

Im vorletzten Jahr schrieb ich einmal einen längeren Antrag zum Thema „Mehr Transparenz in der Kommunalpolitik durch moderne Technik“. Unter anderer Überschrift aber das war eigentlich, worum es ging. Ich zitiere einmal die zentralen Forderungen:

„Konkret fordern wir:

Live-Übertragungen und Mediatheken für den nachträglichen Abruf aller Redebeiträge mindestens im Kreistag und allen Stadt- und Gemeinderäten, optimalerweise auch in allen öffentlichen Ausschüssen. Es versteht sich von selbst, dass hierbei die Gebote des Persönlichkeitsschutzes gelten und die Teilnahme der Mandatsträger freiwillig bleiben muss.

Abonnierbarkeit: Tagesordnungen, Protokolle und öffentliche Begleitinformationen zu den einzelnen Themen müssen für Bürger abonnierbar werden. Realisierbar beispielsweise per Newsfeed (z.B. RSS) oder E-Mail (Newsletter).

Zentrales kommunalpolitisches Pressemitteilungs-Portal, auf dem die politischen Forderungen der Parteien, Wählergemeinschaften und Fraktionen aus erster Hand gelesen und miteinander verglichen werden können.

Themenbezogene Abonnements per Newsfeed, Newsletter etc. Beispiel: Man abonniert das Thema „Schule“ und erhält automatisch alle Tagesordnungen aus Kreis und Gemeinde, alle Protokolle und sonstige Informationen und auch Hinweise auf zugehörige Debattenbeiträge in Videoform, wird also automatisch benachrichtigt, sobald Inhalte zu dem gewählten Thema öffentlich werden. Auch Pressemitteilungen der Parteien und Fraktionen sollten in dieses System eingespeist werden, so dass man über ein solches Abonnement wirklich die komplette Debatte und alle Standpunkte verfolgen kann.“

Originaldokument

Dies wurde so dann auch von einem Kreisparteitag der FDP beschlossen, wenn auch um den ersten Punkt erleichtert. Was mich zwar ärgert aber die übrigen Punkte sind mir ähnlich wichtig gewesen, von daher habe ich das unter dem Strich als Erfolg verbucht – auch für mich persönlich, denn das hier ist maßgeblich auf meinem Mist gewachsen.

Auf meine eigene Gemeinde angepasst wurde ein ganz ähnlicher Antrag auch im vergangenen Jahr vom Rat beschlossen, was theoretisch ein noch größerer Erfolg gewesen wäre. Auch hier wieder war der der erste Punkt umstritten und wurde zunächst ausgeklammert, man wollte zunächst eine Umfrage unter allen Ratsleuten machen und dann eine Art „Testlauf“ für ein solches Rats-TV machen. Seither scheint das aber völlig in Vergessenheit geraten zu sein. Aufgezeichnet worden ist bisher gar nichts, gestreamt auch nicht. Als wäre nie irgendwas in der Art beschlossen worden.

Zu den übrigen Punkten ist theoretisch etwas passiert. Etwas, das den Verdacht nahelegt, dass die Verwaltung bewusst missverstanden hat, was eigentlich die Forderung war.

Denn die wurde damals schon sinngemäß mit „ja, kein Problem und sehr leicht umsetzbar“ beantwortet, was mich eigentlich schon damals hätte skeptisch machen müssen.

Seit Jahresanfang betrachtet man im Rathaus den Beschluss aber vermutlich als „umgesetzt“ und das ist etwas traurig. Denn mit der Intention des Antrags hat das, was da jetzt geht, auch wenn es mehr und besser als vorher ist, herzlich wenig zu tun.

Man kann jetzt einen Newsletter und wahrscheinlich die gleichen Inhalte auch über Twitter und Facebook abonnieren. Wobei insbesondere letzeres natürlich eher sinnlos ist und auch gar nicht in zumindest unserem Papier gefordert worden wäre, eben weil es so sinnlos ist.

Ist das besser als nichts? Ja, ein bisschen. Aber die Idee war ja eigentlich, das man sich einzelne Themen abonnieren können soll und nicht absolut alles. Mein Ziel war es, die Teilnahme am kommunalpolitischen Prozess für Jedermann zu vereinfachen. Wenn mir jedes Ausschussprotokoll und jede Beschlussvorlage demnächst im E-Mailpostfach landet, wird das selbst relative Politiknerds wie mich schnell überfordern oder wenigstens hinreichend langweilen, so dass ich sicher nicht alles lesen und also doch wieder einiges, was mich vielleicht doch interessiert hätte, verpassen werde. Sowieso habe ich den „Newsletter“ eigentlich nur als optionales Zugeständnis mit reingeschrieben, selbstverständlich sollte das vor allem per Newsfeed abonnierbar sein – und das ist leider eben nicht der Fall. Als Feed wäre auch egal gewesen, wenn 90 Prozent der leider nicht, wie gefordert thematisch sortierten Inhalte nicht relevant sind, die kann man dann wunderbar ignorieren. Bei E-Mails macht das schon wieder unnötig Arbeit.

Nichtsdestotrotz habe ich mich dort nun angemeldet. Wurde quittiert mit der Meldung

„Zukünftig erhalten Sie Informationen über folgende(n) Teilbereich(e): Politik-Newsletter (öffentlich)“

Aha. Auch eine Form von Themenbezogenheit. Aber ich werde das Gefühl nicht los, dass man uns hier bewusst missverstanden hat.