Corona-Tagebuch: Trauerfeiern im Coronazeitalter – und die Heinsbergstudie ist da

Gestern Vormittag waren laute Hupkonzerte am Deich zu hören. Klang wie eine Hochzeit. Später hörte man Jubel und Beifallgeräusche. Ich habe nicht nachgesehen, von wo genau das wohl kam. Ich gehe nicht davon aus, dass es auf dieser Elbseite war, sondern eher gegenüber. Bei günstigem Wind schallt das sehr direkt hier rüber, ohne, dass man genau zuordnen könnte, von wo es wirklich kommt.

Definitiv haben da mehr als 10 Leute jedenfalls irgendwas gefeiert. Das ist zumindest in Niedersachsen momentan verboten. Weiß nicht, wie das in Hamburg aussieht, vielleicht ist das ja auf der anderen Seite der Elbe erlaubt.

Heute beschäftigt mich diese Frage überraschend mehr, als ich gestern gedacht hätte. Denn offenbar steht in Kürze eine Trauerfeier an, von der ich normalerweise auch irgendwie betroffen wäre. Darum habe ich versucht, zu recherchieren, wie man sich da jetzt eigentlich verhält, was eigentlich erlaubt ist und so weiter.

Die Landesregierung hat eine spezielle und inzwischen berühmt gewordene Seite mit dem gut klingenden Titel

Alltag in Zeiten des Coronavirus – Antworten auf häufig gestellte Fragen

Hier

schon seit vielen Wochen online. Zur Berühmtheit brachte es die Seite mit ihren famosen Eisleckvorschriften. Aber es lohnt sich vermutlich, das komplette lange Regelwerk dort mal in Ruhe zu lesen. Beim groben Überfliegen traf ich jedenfalls bei der Recherche heute auf diesen weiteren absurden Hinweis, gemäß dem uns die Regierung sinngemäß dringend zu Liebesbriefen statt Vögelei rät.

Danke, Ihr Spacken.

Offenbar hält man sich bei der Landesrierung für so eine Art Lebensberatung. Sorry aber die haben doch nicht mehr alle Tassen im Schrank…

Zum Thema „Feiern“ heißt es aber jedenfalls:

Alle physischen Kontakte sollen wie bisher auf ein absolut nötiges Minimum reduziert werden. Partys jeglicher Art sind daher leider weiterhin untersagt. Ausnahmen gelten für Hochzeiten und Beerdigungen: Sie können im engsten Familien- und Freundeskreis begangen werden. Die Höchstgrenze liegt in beiden Fällen bei zehn teilnehmenden Personen.

Gut. Zu den zehn engsten Personen gehöre ich sicherlich nicht.

Aber wie hart ist das bitte? Kuscheln beim Rewe ist okay, sich vorsehen beim Trauern hingegen verboten. Muss man das verstehen? Wer entwirft solche herzlosen, realitätsfernen Regelwerke, die jede Verhältnismäßigkeit vermissen lassen?

Genau jetzt veranstaltet die Landesregierung wieder mal eine ihrer fast täglichen Pressekonferenzen. Diesmal mit relativ großem Bahnhof, Ministerpräsident Weil hat was gesagt, sein Stellvertreter Althusmann hat was erzählt, jetzt redet ein Herr Tonne, ich glaube der ist Kultusminister. Es werden mal wieder Regeländerungen angekündigt. Wer immer behauptet, es würde nur alle zwei Wochen was geändert werden, hat keine Ahnung. Da kommt fast täglich was. Meistens nur Ankündigungen aber definitiv wird eben nicht nur alle zwei Wochen was verändert.

Verkündet wurde unter anderem ein Plan für die Gastronomie. Man darf wohl dann bald (ab übernächster Woche oder so, hab nicht genau aufgepasst) wieder in Restaurants rein und in Hotels. Aber mit gewissen Auflagen und Regeln, zum Beispiel muss man seine Kontaktdaten da lassen.

Auch Kinderbetreuung soll es wieder geben. Stufenweise. Details habe ich mir nicht so genau gemerkt, betrifft mich nicht und lässt sich für die Betroffenen ja in Kürze überall nachlesen.

Kliniken dürfen wieder Patienten behandeln.

Ich finde es ja schön, wenn man hier und da Dinge lockert. Merkwürdig finde ich, dass man das tut, ohne die Zahlen der ersten Lockerungen abzuwarten. Jetzt lockert man hier und da – wenn die Zahlen hochgehen, weiß wieder keiner, wo das Problem lag und man fährt alles wieder runter, wenn es dumm läuft…

Insofern also auch hier nichts Neues: Strategie zweifelhaft bis nicht nachvollziehbar.

Die seit Wochen diskutierte Heinsberg-Studie wurde heute veröffentlicht. Warum man sie trotzdem seit Wochen diskutiert? Ich habe keine Ahnung. Und bin auch bereits jetzt hinreichend genervt davon. Aber das muss so ein ähnlicher Reflex sein, nach dem irgendein Sprecher der Bundesregierung irgendwelche Regeln verkündet, im Nebensatz zwar noch drauf hinweist, dass das übrigens nur eine Beratungsgrundlage ist, aber alle sofort glauben, dass würde nun dann so eingeführt werden und sich das Maul drüber zerreißen.

Was diese Heinsberg-Studie betrifft: Ich hab keine Ahnung, was drin steht und würde ich reingucken, hätte ich wenig Ahnung davon, was das eigentlich bedeutet. Also lass ich es erstmal sein. Die ganzen bekloppten Schwurbler werden reingucken und irgendwelche abstrusen Schlüsse draus ziehen – geschenkt. Ich höre mir mal an, was Dr. Drosten dazu sagt. Wird er vermutlich in Kürze tun. Wenn ich dann noch Bedarf habe, lese ich noch ein paar Artikel dazu aber vermutlich ist es mir einfach relativ egal.

Es ändert ja genau gar nichts, egal was da drin steht. Es ist eine weitere Beratungsgrundlage für Regierungshandeln, mehr nicht. Und ich bin kein Berater irgendeiner Regierung. Und es geht mir auch auf den Sender, dass jeder Dödel meint, er könnte sich anhand irgendwelcher Zahlen irgendeine abschließende Meinung bilden. Das ist doch lächerlich. Und selbst wenn er mit dieser Meinung zufällig richtig läge, bliebe festzustellen: Die Regierung trifft ihre Entscheidungen trotzdem nicht wegen Deines Bauchgefühls. Wirklich nicht.

Ein Ergebnis aber jedenfalls wage ich dann vorsichtig zu interpretieren: Nach der Studie geht man von bundesweit 1,8 Millionen Infizierten aus. Es ist bloß eine Headline, die ich aufgeschnappt habe. Ich weiß nicht, ob man dabei von der Infiziertenzahl ausgeht, zu dem Zeitpunkt, als man die Studie angefangen hat oder der aktuellen. Aktuell sind es gemessene 165.000 Infizierte bundesweit. Hieße jedenfalls, dass die Dunkelziffer mindestens das Zehnfache des Gemessenen betrüge.

Es hieße, dass gerade mal 2% der Bürger über Immunität verfügen könnten. Sofern es denn diese Immunität gibt, was immer noch nicht klar ist.

Kurz gesagt: Der Spaß wird noch eine ganze Weile weitergehen.