Corona-Tagebuch: Im Bierwahn gen Himmelfahrt

Die Zahl der bekannten aktiv Infizierten stagniert jetzt den vierten Tag in Folge. Das ist seltsam. Es kommen fast keine Infizierten dazu, niemand ist angeblich genesen, einen weiteren Todesfall hatten wir. Vielleicht ist das nur diese Wochenendlücke und morgen oder übermorgen sieht die Sache anders aus.

Bundesweit sieht der Trend allerdings ungebrochen eindeutiger aus. Und man sieht ja auch, dass sich die Zahl der neuen Infektionen absolut kaum noch nach oben schraubt, während es anfangs teilweise tausende neue Fälle in kürzester Zeit waren.

Unterdessen wird es zur Skandalmeldung, dass Christian Lindner ohne vernünftig angelegten Mundschutz irgendwen in einem Restaurant umarmt haben soll. Was genau daran der Skandal ist, habe ich noch nicht so genau verstanden, schließlich ist es ein Restaurant und Mundschutz ist da aus naheliegenden Gründen eben grade keine Vorschrift. Ja, Abstand hat er da nicht gehalten, das ist offensichtlich. Aber wie weit in Richtung Irrsinn hat sich die Welt denn bitte entwickelt, wenn das zum Skandal ausreicht? Von jedem Kindergärtner erwartet man ein wesentlich risikobereiteres Auftreten. Aber da sind es ja Kinder, zum Wohl von Kindern ist wieder mal alles erlaubt und es gelten keine normalen Maßstäbe mehr.

Ist „Kinderviren sind ein zu ertragendes Risiko“ das neue „Kinderlärm ist Zukunftsmusik“?

Bei allem Verständnis für eine grade in Krisenzeiten sicher gebotene Prise Pragmatismus: Diese ganzen Doppelstandards nerven zunehmend, je länger die eigene Entrechtung anhält.

Ja, ich sehe ein, dass bestimmte Berufe sich bei beinharter Berücksichtigung von sämtlichen Hygieneregeln schlecht bis gar nicht ausüben lassen. Und ich sehe auch ein, dass es dem Staat bei gewissen Betätigungen schnurzegal ist, ob Unternehmen pleite gehen, während er andere nach nicht immer transparenten Regeln für so wahnsinnig systemrelevant erklärt, dass Sonderregeln okay sind.

Aber wenn beim Privatleben, das eigentlich jede Woche trostloser wird, weil man niemanden mehr sehen darf, nicht bald mal auch hier und da Fünfe grade sein gelassen werden, platzt mir metaphorisch gesprochen echt der Arsch.

Tun wir doch bitte nicht so, als seien die Bedingungen, unter denen man noch Leute treffen darf (maximal eine Person oder mehrere Personen aus einem anderen Haushalt) unglaublich konsequent, intelligent oder praxisnah. Ich habe ja schon überlegt, ob ich versuche, eine Art Besuchsring an Himmelfahrt zu initiieren, wo halt ein paar Leute einzeln mit nem Bollerwagen zwischen verschiedenen stationären Biertrinkern pendeln, so dass immer genau eine Person eine andere Person besucht.

Das würde die geltenden Regeln erfüllen und gleichzeitig ihren Sinn komplett ruinieren. Entsprechend idiotisch fühlt es sich an, sich an so einen Unsinn halten zu sollen.

Warum gibt es nicht eine Regel, dass man sich wenigstens 3-5 Leute aussuchen darf, mit denen man sich regelmäßig treffen darf? Wäre hygienisch kein Problem, wenn es immer die gleichen sind und wäre eine logischere Regel, als dieses bescheuerte Einzeltreffen, dass aber beliebig oft am gleichen Tag stattfinden dürfte.

Verstehe ich nicht.

Was ich besser verstehe, ist Bierbrauen. Und deswegen habe ich heute noch mal ordentlich Zutaten bestellt. Eventuell etwas früh, denn der neue Sud braucht ja noch ne Weile, bis ich ihn probieren kann. Und meine heutige Bestellung bereitet einige weitere Experimente vor. Ich habe Pilsener Malz geordert, zum ersten Mal. Ich will kein Pils damit machen, sondern nur das Malz nutzen. Und Weizenmalz. Das möchte ich mit dem Pilsener Malz mischen. Und dann mal vergleichen.

Und interessante Aromahopfen habe ich auch bestellt. Und ich werde erstmals mit Traubenzucker brauen.

Also ich sage mal so: Mit den bestellten Zutaten kriege ich locker noch mal so 50 Liter Bier hin. Während 20 Liter grade reifen und vom letzten Sud noch so 3 Liter vorrätig sind. Und ich wegen der letztwöchigen Eskalation im Supermarkt der Kühlschrank auch noch voller fabelhafter gekaufter Biere, einige davon wirklich hochwertig und teuer, steht.

Die soziale Isolation führt offenbar bei mir zu einem immer größeren Bierwahn. Das ist eine Zeit lang zwar ganz nett aber ich glaube, ich halte mich mit neuen Bierkäufen die nächste Zeit erstmal etwas zurück.

Naja, Kunststück. Selbst wenn ich jeden Tag im Schnitt nur ein Bier trinke, komme ich mit den Vorräten plus dem, was ich selber noch so brauen möchte, Wochen aus.

Andererseits werde ich glaube ich auch wieder gut was verschenken. Sonst macht es irgendwie keinen Spaß.