Corona-Tagebuch: Freie Ostern

Gestern ging das erste Nach-Corona-Osterfest zuende. Es endeten kurz vor Ostern auch noch die letzten Maßnahmen und dementsprechend fanden erstmals seit zwei Jahren überall Osterfeuer statt (außer in meinem Dorf). Die waren auch recht ausgelassen. Für viele war das die erste größere öffentliche Party seit über zwei Jahren und obendrein war das Wetter sensationell. Man hatte in diesen paar Feiertagen wirklich ein Gefühl von: Jetzt ist es wirklich vorbei.

Natürlich wissen wir nicht, ob es das wirklich ist. Aber es spricht viel dafür, dass das Thema Corona wenigstens bis zum Herbst keine Rolle spielen wird, jedenfalls keine große.

Gleichwohl guckt man natürlich weiterhin, dass man sich vorsieht. Alle tragen immer noch Masken in den Supermärkten, in Bus und Bahn ist es glaube ich sogar auch noch Vorschrift.

Heute findet aber gleichzeitig auch das erste Mal seit Jahren ein Fußballspiel in Hamburg statt, bei dem das Stadion ausverkauft ist. Knapp 60.000 Zuschauer. In Hamburg! Das sich vor Kurzem noch zum „Hot Spot“ erklärt hatte, um eine verlängerte Maskenpflicht anordnen zu können.

Wir nähern uns einer Rückkehr zur Normalität. Die werden wir auch in diesem Jahr wohl nicht vollständig erreichen, eben wegen der Unsicherheit, wenn es auf den Herbst zugeht. Aber spätestens dann wird man sehen, ob die Pandemie in dem Sinn vorbei ist und dann werden im kommenden Jahr wohl wirklich noch die letzten verbliebenen Mini-Maßnahmen fallen.

Mit denen man aber auch gut leben kann und die auch nie das wesentliche Problem gewesen sind. Nach wie vor fand ich die Kontaktverbote das krasseste – und die haben offenbar auch am wenigsten gebracht. Das wird rückblickend gerne mit naja konnte man ja nicht wissen entschuldigt. Aber ehrlich gesagt: Dass man sich im Freien, ggf. mit etwas Abstand, durchaus problemlos mit mehreren Leuten hätte treffen können, und zwar zu jeder Zeit, das war durchaus auch 2020 schon klar und ich weiß, dass ich mich im Rahmen dieses Tagebuch-Formates auch damals schon darüber geärgert habe, dass die Kontaktverbote bedingungslos galten und der Rahmen so extrem eng gesteckt worden ist, dass schon drei Leute einer zuviel gewesen wären.

Egal, ist erledigt. Und eine meiner persönlichen Konsequenzen aus dieser Pandemiepolitik des Landes Niedersachsen, die immer zwischen totaler Überreaktion und alles verpennen schwankte und unter dem Strich nie mit krassen Verboten sparte, sich gleichzeitig aber jedes Mal, wenn wirklich die Regierung tätig werden musste (beispielsweise bei der Luftfilter-Ausstattung der Schulklassenzimmer oder auch beim mindestens anfangs und in der Mitte einfach nur schlecht organisierten Impfangebot), sich einen schlanken Fuß machte, dass ich mich als Landtagskandidat habe aufstellen lassen und in meiner Bewerbungsrede genau dies thematisiert hatte. Ob das im Wahlkampf noch eine Rolle spielen wird, weiß ich nicht aber dass diese Regierung die Menschen als ihre Gegner und nicht als Verbündete betrachten mochte, ist ja ein Menschenbild, dass nicht nur in Pandemiezeiten einfach falsch ist, jedenfalls meiner Meinung nach. Und genau das ist sowieso immer wieder mein Thema, wenn es um die Frage geht, wie der politische Rahmen für eine freie und offene Gesellschaft aussehen sollte. Wenn man sich ansieht, wie in den vergangenen Wintermonaten die Maßnahmengegner eskaliert sind, kann man auch sehen, wohin Aktionismus und Verbote ohne nähere Begründungen, Maßnahmen um der Maßnahmen willen und die komplette Abwesenheit eines halbwegs empathischen Umgangs mit dem Stand der Wissenschaft, der sich eben verändert und den man niemals als „so ist das und so bleibt das“ hinstellen sollte, wenn man doch gar nicht wissen kann, wie die Sache zwei Wochen später aussieht, führen. Dann gehen selbst ganz normale Leute auf einmal auf die Barrikaden – und die Extremisten instrumentalisieren diese Wut wie üblich geschickt. Worin wiederum Gefahren liegen, gegen die Corona wie ein Kindergeburtstag aussieht.

Auch unter diesem Gesichtspunkt hat uns die Pandemie sicherlich einiges an Erkenntnissen gebracht, wie sich die Leute in Extremsituationen verhalten und welchen Gefahren gesellschaftlicher und politischer Art unser aller Zusammenleben so ausgesetzt ist. Es begann als Pandemie aber es war notgedrungen und unvermeidlicherweise über weite Strecken auch ein gigantisches soziales und politisches Experiment.

Geblieben sind haufenweise Stadträte, die auf dem Ticket der Coronaleugner dort eingezogen sind und offensichtlich kaum ein Interesse an Kommunalpolitik haben. In Landesparlamente oder den Bundestag hat es wenigstens keiner von denen geschafft. Aber auf kommunaler Ebene sitzen die da nun auch noch Jahre, auch wenn die Pandemie überhaupt keine Rolle mehr spielt.

Was auch bleibt: Jeder hat jetzt endlich mal ne Videokonferenz erlebt und das wird als Veranstaltungsformat, das jedem ein Begriff ist, bleiben. Natürlich nicht als Normalfall aber als Option, als etwas, das funktioniert und das man machen kann. Finde ich gut, denn man muss nicht für alles immer gleich ewig lang durch die Gegend juckeln, was sich oft genug auch nicht so richtig gelohnt hat.

Bleiben wird hoffentlich auch die Erinnerung daran, dass auch unser Staat sehr weit gehen kann, unser aller Freiheit zu beschneiden. Und dass dies gleichzeitig auch wieder aufgehoben wird, wenn er dabei dann doch unverhältnismäßig war und über die Stränge schlägt. Ich erinnere an das Parkbank-Sitzverbot in Bayern, das verfassungsrechtlich offensichtlich nicht zu rechtfertigen gewesen ist.

Auch der Eindruck, wie antidigital Deutschland im Jahr 2020 war und es, auch wenn es hier und da ein paar unverhoffte Verbesserungen gab, bis heute geblieben ist, wird sich verfestigen. Nicht, dass das überrascht hätte aber wie dramatisch vorsintflutlich unsere Behörden arbeiten, wie ungelenk sie mit dem Thema okay, wir brauchen jetzt ein Tool um Impftermine zu verteilen, so ein Mist umgegangen sind, hat dann doch selbst jemanden wie mich, der sich da auch vorher nie Illusionen gemacht hat, immer wieder in Zustände zwischen Weißglut und verzweifeltem Gelächter gebracht. Selbstredend musste ich obige Kurve mit Daten, deren letzter Stand fünf Tage alt ist, erstellen. Denn war ja Ostern, Feiertage, da gibts keine Daten, auch in der Pandemie nicht.

Und was zumindest bei mir bleibt, ist, dass Szenarien wie im Film Outbreak eben doch nur Fiktion sind. Die echte Pandemie ist viel weniger greifbar und doch allgegenwärtig. Und vor allem ausgesprochen langwierig. In Outbreak wird quasi das Kriegsrecht verhängt, Dörfer mit Aerosolbomben ausgelöscht und die absolute Superforscherelite kommt und rettet den Tag.

Ich glaube, den ziehe ich mir demnächst mal wieder rein.