Corona-Tagebuch: Die Kontaktbeschränkungen können weg

Kommenden Dienstag geht die 11. Lockdownwoche zuende. Die Zahl der bestätigten Fälle in Deutschland hat soeben die 180.000er-Marke überschritten.

Aktuell als erkrankt werden bundesweit keine 12.000 Fälle mehr geführt.

In Thüringen zählt man deutlich unter 300, was der dortige Ministerpräsident Bodo Ramelow zum Anlass genommen hat, die Maßnahmen dort weitgehend zurückfahren zu wollen. Er möchte alle Kontaktbeschränkungen aufheben, ebenso die Pflicht zu Mundschutz und Abstand. Es soll gegebenenfalls regionale Beschränkungen geben können, falls das Infektionsgeschehen sich schlecht entwickelt.

Die bei jeder Gelegenheit auftretenden Untergangspropheten, gemäß deren apokalyptischer Vorhersagen bereits seit Wochen die berüchtigte zweite Welle hätte kommen sollen, ja müssen, weil man ja wieder zum Friseur gehen darf und so, drehen deswegen völlig am Rad.

Übersehen aber das Wesentliche. Denn Ramelow will das nicht ab morgen, sondern erst ab 6. Juni. Das sind noch zwei Wochen.

Zwei Wochen sind in Corona-Zeiten eine verflucht kurze Zeitspanne. In meinem Landkreis zum Beispiel gab es gestern vor 14 Tagen noch 106 Infizierte. Gestern waren es noch 26, also ein Viertel davon. Würde es so weitergehen und wir hätten in 14 Tagen wiederum nur noch ein Viertel davon als Infiziert zu vermelden, läge die Zahl zu dem Zeitpunkt bei 6 Infizierten.

Heute wurde eine weitere Infektion gemeldet. Wir haben damit exakt den Stand an Fällen, wie zum Zeitpunkt des Lockdowns.

Jaja, Dunkelziffer und so. Aber auch 60 Infizierte kreisweit rechtfertigen die hammerharten Kontaktbeschränkungen, die eben jetzt auch noch hier gelten, nicht. Wohlgemerkt immer unter der Voraussetzung günstiger Entwicklungen.

Jetzt sieht es nicht in jedem Land so gut aus, wie in Thüringen. Aber es sieht eben auch in vielen anderen Landkreisen außerhalb Thüringens ähnlich gut aus. Von daher könnte man jedenfalls die wirklich nicht mehr nachvollziehbaren Kontaktbeschränkungen vielerorts längst mindestens lockern.

Größere Feste muss man deswegen nicht erlauben, Dinge wie Konzerte oder gar Festivals hat sich glaube ich für dieses Jahr ohnehin schon jeder abgeschminkt. Das ist wahrscheinlich auch nach wie vor gerechtfertigt und sinnvoll.

Aber mit ein paar Leuten im Garten sitzen und grillen, bloß weil es im Umkreis von 30 Kilometern sechs Corona-Fälle gibt, wer will das bitte noch als verhältnismäßiges Verbot begreifen?

All das interessiert die Apokalyptiker freilich nicht. Ich habe manchmal den Eindruck, dass die ein ziemlich trauriges Leben führen müssen, das sie allen anderen auch glauben aufzwingen zu müssen. Keine Freunde und auch sonst keine Hobbys, die von den Beschränkungen irgendwie beeinträchtigt werden könnten. Und wahrscheinlich auch kein Job, der daran hängt, dass man ihn ausüben darf. Anders ist diese krasse Form der Realitätsverweigerung eigentlich nicht zu verstehen.

26 Infizierte kreisweit sind übrigens einer weniger als am 17. März – dem Tag, an dem die Beschränkungen in Kraft traten. Und die haben wir wie gesagt 14 Tage vor dem Tag, für den Ramelow sie auszusetzen gedenkt, bereits erreicht.

Landesweit werden in Niedersachsen derzeit 804 Fälle gezählt. Das sind zwar gut drei mal so viele wie in Thüringen. Niedersachsen hat aber auch vier mal so viele Einwohner wie Thüringen. Und von den 11.574 Corona-Fällen, die es in Niedersachsen insgesamt gab, fanden 2280 in Hannover statt, um die 1600 in und um Osnabrück. Allein ein Drittel der Fälle geht also schon auf das Konto dieser beiden Regionen. Der Rest des Landes liegt damit locker auf thüringer Niveau – und so wird es anderswo auch aussehen.

Ich glaube, das Ramelow einen verantwortungsvollen, realistischen Kurs eingeschlagen hat. Und ich bin zuversichtlich, dass er damit nicht alleine bleiben wird.