Corona-Tagebuch: Die erste Party seit März 2020

Freunde haben geheiratet. Der Termin für die eigentliche Party wurde bereits im letzten Jahr vorsorglich um gleich zwei Jahre verschoben. Nicht verschoben wurde der staatliche Teil, sprich: Die standesamtliche Trauung und dass man danach im Rahmen der Möglichkeiten noch ein wenig im engeren Familienkreis feiern würde, war halbwegs klar.

Dieser Rahmen der Möglichkeiten ist natürlich nun dann aber doch rasant gewachsen in den letzten Wochen, so dass relativ spontan dann doch zu einer richtigen Hochzeitsparty eingeladen werden konnte. Natürlich privat, weil vermutlich so auf die Schnelle eine Ausweichplanung in einem Gasthaus auch nichts mehr geworden wäre aber das macht ja nichts.

Ich habe überlegt, wann ich das letzte Mal eine Party mit mehr als 30 Leuten besucht habe. Das dürfte wohl im letzten März, vielleicht sogar eher Februar gewesen sein. Denn danach hat ja einfach niemand mehr etwas größer gefeiert. Es ging wenn überhaupt nur mal kurz und selbst dann hat man sich das auch eher gespart. Kleinere Partys gab es hin und wieder aber etwas in so einer Größenordnung, das war wirklich zuletzt Anfang letzten Jahres mal so. Und auch wenn ich sowas nun nicht jede Woche, vielleicht nicht mal jeden Monat brauche: Das hat jetzt wirklich mal gefehlt.

Und so ging es nicht nur mir. Es war eine fast schon absurd fröhliche, ausgelassene und lockere Stimmung. Wir haben wohl fast alle sehr, sehr lange auf so etwas warten müssen und jetzt war es einfach nur schön. Es fühlte sich an, als hätten wir unser altes Leben wieder – auch wenn wir alle wussten, dass es ganz so einfach wohl noch nicht ist und keiner weiß, wie lange es dieses Mal so bleiben wird.

Gestern Abend hatte ich dann das Kontrastprogramm, denn da war ich ebenfalls zum ersten Mal seit sehr langer Zeit mal wieder in einem Lokal. Das wird wohl zuletzt im Oktober letzten Jahres der Fall gewesen sein, also ungefähr vor neun Monaten. Neun Monate! Ein Dreivierteljahr!

Albernerweise gelten in Lokalen immer noch vergleichsweise harte Regeln. Natürlich bin ich draußen geblieben. Es ist Sommer, das Wetter war gut, die Luft sogar sehr angenehm und wir hatten Raucher dabei. Ich habe das Lokal selbst also nicht mal betreten aber natürlich muss man im Außenbereich eine Maske tragen, bis man am Platz ist. Das sind in diesem Fall etwa eineinhalb Meter, vielleicht auch nur einer. Wäre ich schnell gewesen, hätte vielleicht auch keiner mitgekriegt, wenn ich keine Maske getragen hätte und medizinisch gesehen wäre es garantiert auch scheißegal gewesen. Aber der Regierung ist es nicht egal, die findet das total wichtig.

Die findet auch wichtig, dass man sich via Luca einloggt. Auch das war neu. Zwar hatte ich das bei anderer Gelegenheit schonmal gemacht aber nie in der Außengastronomie. „Haben sie die Luca-App oder möchten Sie nen Zettel?“ war direkt die Frage eingangs. „Klar hab ich diese Kackapp,“ antwortete ich nicht, sondern sagte einfach nur „ja, hab ich“ – und dann reichte sie mir auch schon einen Papierschnipsel mit dem Code drauf. Der war einlaminiert und leicht verbogen. Und natürlich war er unnötig aufgedunsen durch ein recht großes „Luca“ in der Mitte. Ich kannte die Größe der Codes eigentlich und dieser war nachher fast doppelt so groß, bei relativ kleinen Pixeln. Durch die Lamination glänzte er natürlich auch etwas zu sehr und so war das mit dem Einscannen keine besonders einfache Sache. Ich bin technisch interessiert und verliere nicht so schnell die Lust daran, solche überflüssigen Aufgaben konsequent immer neu zu versuchen, bis es klappt. Ich habe mir kurz vorgestellt, wie es meinem Vater dabei gehen würde, der vielleicht nach den ersten beiden Versuchen beschließt, dass die App offensichtlich kaputt ist und das nicht geht.

Womit er Recht hätte: Diese Luca-App ist kaputt. Und überflüssig obendrein. Ich werde nie aufhören, mich über ihren Kauf durch die Landesregierung ohne jegliche Ausschreibung (und ohne das Hirn zu benutzen) zu ärgern. Als die App rauskam und ich sie eingerichtet habe, habe ich übrigens da mal als Name Donald Duck eingetragen. Dann habe ich sie natürlich monatelang nicht benutzt, denn es war ja sowieso alles zu. Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, welcher Name da jetzt drin steht. Aber da sich für die erhobenen Daten außer der obskuren Luca-Firma selbst vermutlich sowieso keiner interessiert, spielt das ja auch keine Rolle. Gestern fiel mir der falsche Name erst hinterher wieder ein, den hatte ich eigentlich nur als Joke eingetragen und um zu gucken, ob die das so akzeptieren. Falls ich die jetzt doch öfter nutze, werde ich das vielleicht noch mal wieder ändern aber vielleicht wird dieser Mist ja doch endlich wieder abgeschafft. Der Lucazwang fühlt sich noch etwas beknackter an, als für nen Meter Wegstrecke draußen auf dem Bürgersteig eine Maske aufsetzen zu müssen. Der Maske kann man ja wenigstens noch theoretisch eine Funktionsweise unterstellen…

Was ich bei der Gelegenheit ebenfalls entdeckt habe, ist eine Neuerung in der Luca-App, die ich bisher nicht mitbekommen hatte. Man kann darüber jetzt auch Testtermine buchen!

Offensichtlich hat der Firma hinter „Luca“ der Reibach mit unserem Steuergeld (22 Millionen Euro pro Jahr) nicht gereicht, sondern jetzt versucht man noch Provisionen für vermittelte Testtermine abzugreifen. Das zumindest wäre mein Verdacht. Denn Testtermine kann man in meiner Stadt, die an Apotheken nicht arm ist und außerdem noch diverse Testzentren des DRK in Betrieb hat, eben an deutlich mehr als nur den beiden Orten machen, die die App mir zeigt. Möglich ist, dass das die beiden einzigen sind, die Termine machen – aber dann wäre der nicht nachvollziehbare Fehler zumindest, dass die ganzen anderen Zentren gar nicht erst eingezeichnet sind.

Was ansonsten gerade noch ein heißes Thema ist, sind Luftfilter für Schulen und Kitas. Die Landesregierung hat sich gestern in den Medien dafür feiern lassen, dass sie 20 Millionen Euro für entsprechende Umbauten bereitstellt. Wir reden hier von richtigen Umbauten, nicht über mobile Filter. Ich weiß nicht, wie viele Schulen es landesweit so gibt aber ich weiß, dass wir schon hier im Landkreis eine ganze Menge davon haben und noch viel mehr Kitas. 20 Millionen Euro. Ein Witzbetrag. Der obendrein auch noch selbst vor einem Jahr recht spät gekommen wäre, jetzt ist es ja geradezu absurd, damit zu kommen.

Selbst wenn wir optimistisch sind, wird es Monate dauern, bis mit dem Geld wirklich irgendwo Filteranlagen eingebaut werden. Wir haben jetzt 17 Monate Pandemie. Einmal mehr frage ich mich, womit sich die Leute in der Regierung und insbesondere im Kultusministerium eigentlich die ganze Zeit so beschäftigt haben, wenn es offensichtlich keinerlei Dinge sind, die irgendwas mit der für normale Menschen ehrlich gesagt sehr relevanten Frage danach, wie man Schule auch in Pandemiezeiten noch organisieren kann, zu tun haben.

Bis zum Frühjahr 2020 hätte ich nie gedacht, dass ich als jemand, der sich nie besondere Illusionen darüber gemacht hat, was ein Staat so kann und wo er ziemlich sicher immer versagen wird, noch dermaßen oft überrascht werden könnte von soviel staatlicher Unfähigkeit, wie in diesen Zeiten. Dieses Land hat ja nicht mal in krassen Zeiten der Not sowas wie einen Krisenmodus. Wenn es hart auf hart kommt, ist der Staat eher Störfaktor bei der Krisenbewältigung als eine Hilfe. Vielleicht ist Corona auch dafür gut, diese Lektion mal wieder eindrücklich gelehrt bekommen zu haben?

Anderes Problem: Die Nachfrage nach Impfungen sinkt. Der Impfzielrechner, der vor wenigen Wochen noch Mitte August als Datum für 70% Durchimpfung angegeben hatte, sagt jetzt schon Anfang September. Gleichzeitig überrascht die Landesregierung (jedenfalls mich) etwas mit der These, dass sie Herdenimmunität mittlerweile sogar als 85% definiert hat. Anfangs waren es 70%, später hieß es 80% und nun also 85%. Hängt immer damit zusammen, wie ansteckend so ein Virus ist und mit neuen Varianten kommt eben auch mal eine etwas ansteckendere. Ich denke, die 70 waren die ursprünglichen Varianten aus 2020, die 80 dann die britische Variante und 85 ist nun Indien, bzw Delta. Na gut, hat man jetzt wenigstens mal ne Zahl gehört.

Natürlich ist es gar nicht möglich, eine Durchimpfung von 85% zu erreichen, wenn Kinder unter 12 gar nicht geimpft werden können. In Niedersachsen sind 11 Prozent der Menschen unter 12 und auch wenn die Impfgegner inzwischen erfreulich wenige geworden sind, wird diese Zahl garantiert nie kontrolliert geimpft werden können.

Die Impfung via Wildtyp wird das allerdings ja vielleicht ausgleichen. Und da die „vulnerablen Gruppen“ geimpft bis Herbst dann wirklich komplett geimpft sind, ist das alles vielleicht auch scheißegal.

Aber: Man wird im Herbst und im Winter vermutlich eher vorsichtig bleiben und alles genau beobachten. Erfreulich ist, dass man aus der Regierung hört, dass Inzidenz allein auch nicht länger das Maß der Dinge sein wird. Natürlich nicht, denkt man als interessierter Normalbürger so, das wäre ja auch Quatsch. In England füllen sie bei Inzidenz 160 Fußballstadien – und jetzt ist die Inzidenz dort sogar schon wieder bei über 270. 270! Bundesweit haben wir derzeit 5. In Großbritannien werden zudem ALLE Corona-Maßnahmen in etwa 14 Tagen abgeschafft sein.

Ob das vernünftig ist, sei mal dahingestellt aber Fakt ist, dass England sich längst in der nächsten Welle befindet. Die entscheidende Frage ist nur: Ist das schlimm oder beherrschbar? Und davon hängt dann vermutlich auch sehr ab, wie die Entscheidungen hierzulande in den nächsten Monaten aussehen.

Und ob es 2022 einen Faslam geben wird.