Corona-Tagebuch: Der Tag vor dem Tag der Entscheidungen?

Vorhin im Radioprogramm von NDR Hamburg ließ sich der Bürgermeister zu irgendwelchen Aussagen hinreißen, wie es nächste Woche weitergehen könnte. Parallel dazu scheinen sich diverse Regierungschefs zu äußern. Treffen wollen die sich allerdings morgen erst und eigentlich wird dann erst besprochen, was denn nun werden soll.

Dessenungeachtet wurde schon gestern oder vorgestern ein Papier einer Leopoldina veröffentlicht, was anscheinend, auch wenn bis dahin nie jemand was davon gehört hat, sowas wie die oberste wissenschaftliche Beratung für die Bundesregierung sein soll. Aha. Deren Papier ist nicht nur die Empfehlung der Bundesregierung, sondern soll den Ländern auch als Beratungsgrundlage morgen dienen.

Es ist jetzt nicht völlig albern, wenn der Bund so eine Beratungsgrundlage auf wissenschaftlicher Basis fabriziert. Aber es ist auch klar, dass die Leute nicht mehr durch die Zuständigkeiten durchsteigen. Unlängst wurde eine Umfrage veröffentlicht, in der eine Mehrzahl der Bürger der Bundesregierung gute Arbeit in Sachen Corona attestiert – obwohl die Bundesregierung da nichts für den Einzelnen wirklich spürbares getan hat, von der flotten Öffnung der Kurzarbeit mal abgesehen. Damit hatte sie wirklich einen Punkt. Aber auch einen, der irgendwie auf der Hand lag und wahrscheinlich von jeder anderen Regierung ebenfalls gekommen wäre.

Wie dem auch sei: Donald Trump indes geht es ähnlich wie vielen Deutschen, auch der weiß nicht, dass das er eigentlich wenig zu melden hat aktuell. Im Gegenteil: Er behauptete jüngst, „allumfassende Macht“ zu besitzen. Die wunderbar amerikanische Antwort des Gouverneurs von New York darauf lautete trocken:

„Wir haben eine Verfassung, keinen König.“

Herrlich.

Und gleichzeitig schade, dass solche Sprüche bei uns viel zu selten kommen, wenn die Bundesregierung mal wieder glaubt, sie stünde über den Ländern und müsste sich in alles einmischen…

…womit ich gar nicht sagen will, dass das jetzt grade übermäßig der Fall wäre. So schlecht macht die Bundesregierung ihre Aufgabe nicht. Es nervt nur, dass sie sich immer wieder mal versucht, in den Vordergrund zu drängen. Das tut vor allem Angela Merkel nach meinem Eindruck aber vor allem, weil die Leute der Meinung sind, dass sie das tun sollte. Ähnlich dämlich ist es, das viele offenbar vom Bundespräsidenten ständig irgendwelche Statements zu Corona erwarten.

Keine Ahnung, wie ich die derzeitige Entwicklung bewerten soll. Zahl neuer Fälle sinkt, das ist sicher gut. In manchen Ländern ist der Trend positiv, in anderen negativ. Verdopplung der Fälle alle 22,5 Tage klingt jedenfalls gut. Aber wir haben nach wie vor dieses Land weitestgehend runtergefahren. So richtig geil ist das Ergebnis angesichts des gigantischen Aufwandes eigentlich nicht. Und das macht mir etwas Angst hinsichtlich der dann ab demnächst geltenden neuen Regeln, die erst noch gefunden und beschlossen werden wollen. So wahnsinnig viel öffnen wird man jawohl dann bis auf Weiteres nicht können. Und alles passiert unter einer Art Damoklesschwert, weil ja bei sich häufenden Infektionen sofort wieder massiv runtergefahren werden wird und so weiter.

Naja und so sind wir alle am Tag vor dem großen Tag eher ratlos, wenn wir ehrlich sind.

Genau genommen ist gar nicht klar, ob denn morgen echt ein großer Tag ist oder ob die eigentlichen Bestimmungen erst später offiziell verkündet werden, Land für Land dann. Wahrscheinlich wieder mit Bayern vorneweg, weil die Pfeife Söder unbedingt der schnellste sein will, der neue Fürchterlichkeiten verkündet. Darauf scheinen seine Wähler sehr zu stehen.

Ich weiß, dass der Job unserer Landesregierungen selten so schwer war wie jetzt grade und ich bin nach wie vor kein bisschen neidisch auf die, die ihn machen müssen. Insofern versuche ich auch, halbwegs fair zu bleiben, was Kritik betrifft.

Aber ehrlich gesagt wird es langsam wirklich mal Zeit, sowas wie eine Gesamtstrategie zu präsentieren. Zu sagen, was unter welchen Umständen wann möglich ist und was nicht. Mit welchen Zeitrahmen dort kalkuliert wird, jedenfalls so ungefähr. Ob die Regierungen davon ausgehen, dass die Geschichte noch Monate so weitergeht oder Jahre zum Beispiel. Irgendwas, was sowas wie eine Perspektive bietet.

Ich glaube, wenn so etwas nicht in Kürze wenigstens mal grob skizziert wird, verwandelt sich der momentan vielerorts einsetzende Corona-Koller endgültig in eine Ablehnungshaltung. Was einfach aus verschiedenen Gründen nicht besonders cool wäre.

Diesen Koller bekämpfen allerdings momentan wohl immer noch relativ erfolgreich. Meine Mutter zum Beispiel sortiert tonnenweise Bücher aus. Dabei ist sie auf „Das grosse Heinz Erhardt Buch“ gestoßen (ja, das hätte Heinz-Erhardt-Buch heißen müssen und ja, ich empört ob der fehlenden Bindestriche), das sie anscheinend zwei Mal besitzt. Beziehungsweise besaß, denn ein Exemplar ist heute in meinen Besitz gewechselt. Da wir die letzten beiden Wochen gelegentlich Heinz-Erhardt-Gedichte zum Telebier vorlasen, könnte sich das noch als echte Bereicherung erweisen.

Ansonsten wird mein Bier diese Woche fertig. Womit ich beide Biere meine. Denn das eine davon befindet sich in Salzhausen in der „De Lütte“-Brauerei, wo ich ja meinen Braukurs Anfang März hatte. Das ist ein 5-Liter-Fässchen, was echt doof ist, wenn man quasi niemanden treffen darf. Ja, ich kann 5 Liter Bier trinken. Jedenfalls Pils. Bei nem Bockbier habe ich das noch nie probiert… aber ein 5-Liter-Fässchen alleine trinken, noch dazu ein selbstgebrautes, das ist doch irgendwie scheiße. Irgendwas muss ich mir da überlegen. Zu lange warten will ich damit auch nicht.

Aber auch meine 20 Liter „Helles“ werden fertig. Und zwar übermorgen. Zumindest werde ich übermorgen mal das erste öffnen und checken.

Ich verfüge in Kürze über 25 Liter selbstgebrautes Bier, während man niemanden treffen darf, mit dem man es trinken könnte. Timing aus der Hölle.

Der Braukurs war am 7. März. Ich weiß noch, wie wir so rumgewitzelt haben bezüglich Corona. Gute fünf Wochen her. Damals war das noch eine Geschichte, die weit weg und irrelevant schien. Oder zumindest beherrschbar. Heute bin ich nicht mal sicher, ob ich das Bier nächsten Samstag überhaupt abholen kann oder ob sich auch das verschiebt. Die Umstände „damals“ wirken von heute aus betrachtet beinahe, als wären sie aus einem anderen Jahrhundert.