Corona-Tagebuch: Appokalypse

Youtube ist seit einer Weile voll von Leuten, die regelrecht durchdrehen, weil Apple und Google die APIs für die in einigen Ländern bereits erscheinenden Corona-Apps ausrollen.

Die kommen nicht per Update, sondern werden offenbar einfach so freigeschaltet. Ein Glücksfall also für jeden Aluhut, der hier sofort die nächste Weltverschwörung wittern kann – und das, obwohl Bill Gates nachweislich sehr wenig mit Google, geschweigedenn Apple zu tun hat aber Fakten haben ja noch keine Verschwörungstheorie von ihrer Entstehung abhalten können.

Jedenfalls drehen die jetzt alle durch und stellen uns Schlafschafen in Foren Fragen wie diese:

Wie man sieht, ist die Reaktion viel Gelächter und der anonyme Aluhut hat seinen Beitrag auch recht schnell für Kommentare gesperrt.

Die Frage ist aber auch maximal dämlich gestellt. Denn zum Einen handelt es sich ja lediglich um eine API, also eine Datenschnittstelle, die jetzt geöffnet wurde. An diese können die besagten Apps dann andocken – aber auch nur diese offiziell von der jeweiligen Regierung dazu benannten – Apps. Für Deutschland gibt es diese bekanntlich momentan gar nicht und da sie von den IT-Dickschiffen Telekom und SAP hergestellt wird, dürfte das auch noch etwas dauern. Die App wäre die, die ein Tracking erst ermöglicht.

Die Schnittstelle wird offenbar zumindest für Android ohne Update verteilt, ist aber dann eben einfach nur vorhanden und ihre Nutzung ist ohne Freischaltung seitens Apple/Google nicht möglich. Insofern macht es für Deutsche derzeit keinen Unterschied, ob diese API bei ihnen offen ist oder eben nicht, nutzen könnte die ausschließlich Apple/Google und die kommen im Zweifel auch so an alle möglichen personenbezogenen Daten, wenn es unbedingt sein muss.

Perfekt wird die Dummheit aber durch die Erwähnung von GPS. Und hier offenbart sich, dass der Schreiber ein Aluhutvideo zuviel geguckt hat und bei Tracking an örtliche Nachverfolgung denkt.

Das ist aber eigentlich nicht die Idee der Corona-Apps. Es mag sein, dass geographisches Tracking schon auch Teil davon wird, das weiß ich gar nicht. Aber die Idee ist eine Andere, denn an sich sollte die App über Bluetooth abgleichen, mit welchen anderen App-Nutzern wir so Kontakt haben. Und diese werden dann benachrichtigt, wenn wir uns infiziert haben sollten.

Um das zu erreichen genügt es, wenn die Geräte untereinander diese (anonymen) Kontakt-Beacons speichern. Und zwar für die Zeitspanne, die relevant ist, was dem Vernehmen nach 14 Tage sind.

Wenn man das geschickt anstellt, ist eine Überwachung bis hin zur Erstellung von Bewegungsprofilen, technisch auszuschließen. Zumindest, solange Google/Apple dies nicht ausdrücklich erlauben. Was sie mindestens offiziell vermutlich nie tun werden.

Unabhängig von den Wichsphantasien der Aluhüte ist den Herstellern der Geräte und auch der Apps, sowie der Regierungen, die den Spaß bezahlen, vor allem eines ein Anliegen: Das um Himmels Willen möglichst viele Leute diese App installieren und nutzen.

Die Mutter aller Beweggründe, dies nicht tun zu wollen, ist auf jeden Fall Misstrauen, weswegen alle Beteiligten gut beraten sind, alles zu tun, um Bedenken, dass diese Technologie zu Massenüberwachung missbraucht werden könnte, zu zerstreuen. Deswegen wird der Code der deutschen App wohl auch komplett öffentlich sein.

Gleichwohl ist Misstrauen in gesundem Umfang natürlich immer in Ordnung. Aber es gibt ein schrecklichschönes Argument dafür, dass die Regierungen das alles gar nicht nötig haben, um uns massenhaft zu überwachen.

Und das sind die zahlreichen anderen Möglichkeiten, die es bereits gäbe. Zum Beispiel kann man in Deutschland keine Rufnummer mehr bekommen, ohne sich auszuweisen. Es kann also jede SIM prinzipiell einer konkreten Person zugeordnet werden. Via Funkzellenabfrage und Methoden wie der stillen SMS lässt sich ohne Weiteres ein komplettes Bewegungsprofil ermitteln.

Das ist nur ein Beispiel von vielen. Wem ist denn schon bewusst, dass mittlerweile jedes Auto über Mobilfunk und GPS verfügt und beides ohne Zutun des Fahrers oder Eigentümers den Standort an Dritte melden kann und dies bei Unfällen dann auch tut, aber theoretisch problemlos auch alle 10 Minuten von irgendwelchen Geheimdiensten abgefragt werden könnte?

Dann Gesichtserkennung und Überwachungskameras im öffentlichen Raum, die ebenfalls personenbezogenes Tracking möglich machen. Und so weiter und so fort.

Es mag witzig sein, sich eine Verschwörungstheorie á la „Corona wurde erfunden, damit wir alle überwacht werden können“ auszudenken. Aber ganz ehrlich: Wenn die große Weltverschwörung Orwell hätte einführen wollen, wäre das dank moderner Technik wesentlich subtiler, einfacher und kostengünstiger möglich.

Und vor allem wäre es möglich, ohne, dass Alukasper, die nicht von zwölf bis mittags denken können, davon irgendwas mitkriegen, geschweigedenn Verdacht schöpfen.