Corona-Tagebuch: Schrödingers Impf-Hotline

Ist möglicherweise ein Bild von Text „Pannenstart bei Impftermin-Vergabe „Diese Rufnummer ist nicht bekannt. #E prltce aalrne *Hotline und Internetportal in Niedersachsen sSüble. zum Start überlastet. NDR1 Niedersachsen Hallo NIEDERSACHSEN“

Seit Monaten warten wir auf diesen Tag: Den Tag, an dem die Terminanmeldung fürs Impfen gegen Covid19 endlich anläuft.

Anlaufen sollte. Die Realität sieht, das wundert leider auch niemanden so richtig, natürlich wieder ganz anders aus.

Versucht man es telefonisch, kommt man nicht mal nicht durch, man kriegt gesagt, die Nummer gäbe es gar nicht. Totale Überlastung.

Und das war nicht nur absehbar, das finde ich auch verzeihlich. Eine Hotline kann man nicht so heftig skalieren, dass hunderttausende täglich durchkommen und irgendwelche Termine abmachen können. Zumindest nicht sinnvoll. Professionelle Tickethändler für Veranstaltungen mit zigtausenden Gästen bekommen das selbst online kaum hin.

Online funktioniert die Anmeldung natürlich auch nicht. Aus erster Hand (ich habe mich ja als „Impfpate“ gemeldet) weiß ich, dass bei uns im Landkreis vor Ende der ersten Februarwoche sowieso keine Termine vergeben werden. Nicht vergeben werden können, weil es keinen Impfstoff gibt. Und was dann an Impfstoff kommt, reicht für 500 Leute. Das ist, was ein Impfzentrum an einem einzigen Tag schaffen könnte.

Und schaffen muss, wenn wir diese Geschichte hier einfach mal ernst nehmen würden, zum Beispiel, weil wir die Schnauze voll haben und die Pandemie beenden wollen.

Derzeit sind gut 4000 Menschen im Landkreis geimpft worden. 3(!) davon hatten leichte Nebenwirkungen. Diesen Nachsatz würde ich nicht mal nennen, gäbe es da draußen nicht immer noch so viele Hornochsen, die durch die Gegend ziehen und behaupten, Menschen würden an den Impfungen sterben usw. usf.

Wie ich dieses idiotische Pack allmählich verachte. Wie kann man denn nur so gegen die Wand gelaufen sein?

Wie dem auch sei: Mein Landkreis mit seinen zwei Impfzentren erhält aktuell alle 14 Tage 1000 Dosen des Impfstoffs.

1000 Dosen reichen für 500 Impflinge. 250.000 Bürger leben hier. 500 Impfungen pro Woche, dann sind wir in nur 500 Wochen bereits durch. Ein Jahr hat etwas mehr als 50 Wochen, übrigens.

Ja, die Rechnung relativiert sich, weil laut Umfragen sowieso nur 75 Prozent der Menschen geimpft werden möchten oder können. Und geimpft werden darf aktuell auch nur, wer 16 Jahre oder älter ist.

Und natürlich hoffen wir inständig, dass es irgendwann weitere Impfstoffe gibt oder wenigstens die Lieferungen etwas größer werden. Aber trotzdem zeigt dieses kleine Zahlenspiel schon das ganze Drama. Die Impferei wird zur Katastrophe in der Katastrophe.

Äußert man derzeit öffentlich Kritik an der desolaten Impfpraxis, hat man lustigerweise umgehend merkbefreite Regierungstrolle am Schuh kleben, die einem erklären, warum das leider leider nicht anders geht und dass die ach so gute Regierung in Land und Bund und schon gar nicht die EU, die die Impfdosen eingekauft hat, irgendwas dafür könnten.

Israel, ein Land, das ne knappe Million Einwohner mehr hat als Niedersachsen, plant bis Ende März fast jeden Erwachsenen geimpft zu haben. Und während man derartige Luftschlüsse zurecht sofort anzweifeln würde, kämen sie von deutschen Regierungsvertretern, kriegt Israel das offensichtlich tatsächlich auch so auf die Reihe.

Was jegliche noch so kunstvolle Ausrede als frei erfundenen Bullshit entlarvt und zeigt, was der eigentliche Grund dafür ist, dass es hier so langsam vorangeht:

Weil unseren Regierungen die Herausforderung, diese Pandemie schnellstmöglich zu beenden, bei weitem nicht ernst genug ist.

Derweil plant das Impfzentrum in Winsen übernächste Woche endlich zu öffnen. Zunächst wird Montags bis Freitags von 10-16 Uhr geimpft. Der Impfstoff wird bei -70° gelagert, muss daher erst einige Stunden auftauen, bevor es losgehen kann.

Diese Öffnungszeiten mögen dennoch etwas lächerlich wirken. Sie entsprechen auch bei weitem nicht der maximal möglichen Kapazität. Aber wenn es sowieso keinen Impfstoff gibt, braucht man auch keine Rund-Um-Die-Uhr-Impfung zu veranstalten, auch wenn die wünschenswert wäre.

Laut Aussage von Personal der Impfzentren, ist die Terminvergabe übrigens der zweite Flaschenhals bei der ganzen Impferei. Also wenn wir irgendwann doch noch mal genug Impfstoff haben sollten, hängt es wahrscheinlich erstmal daran.

Das bekommt man, wenn man aktuell mal auf impfportal-niedersachsen.de vorbeischaut.

Hier vor Ort hofft man, die Öffnungszeiten ab Mitte März ausdehnen zu können. Es ist schon verrückt, dass offenbar jeder alles tut, um diese Pandemie zu beenden – nur die Regierung nicht.

Naja. Ich habe zur Feier des Tages des Starts des Impfportals mal ne neue Kurve gezeichnet.

Inzidenz und aktuelle Infektionen, letztere noch einmal als 30-Tage-Mittelwert um den langfristigen Trend zu zeigen. Und das alles nur für den Verlauf während des aktuellen Lockdowns.

Den November über lässt sich eine positive Entwicklung nicht wegdiskutieren. Die im Oktober noch exponentiell steigende Welle konnte abgefangen und gesenkt werden.

Danach zweigt der 30-Tagestrend zwar eine leichte Abwärtsbewegung. Aber sowohl die Inzidenz als auch die Infiziertenzahlen kreisen trotzdem einfach nur weitgehend hin und her.

Die Situation verbessert sich langfristig um winzige Trippelschritte aber die sind so klein, dass man wohl bezweifeln muss, dass das irgendwohinführt.

Und die Inzidenz, die nunmal der Wert ist, an dem alles gemessen wird, zeigt eigentlich langfristig überhaupt keinen Trend, sondern tritt auf der Stelle. Sie steigt mal an, teilweise sogar auf über 100, sinkt dann wieder auf irgendwas bei über 50, steigt dann wieder an.

Vorhin las ich noch die freudige Meldung, dass die bundesweite Inzidenz grade erstmals unter 100 gelandet ist. Wir hier können da nicht viel zu beigetragen haben. Gleichzeitig frage ich mich, wann bitte die bundesweite Inzidenz unter 50 rutschen soll, wenn sie JETZT erst unter 100 geraten ist. Das ist doch ne Lachnummer.

Zumal ich nicht den Eindruck habe, dass das mit Lockdown allein überhaupt möglich ist. Die Regeln sind seit Monaten, wie sie sind. Man kann so gut wie keine Auswirkungen auf die Entwicklung erkennen aber insbesondere die Inzidenz macht ja keinerlei Anstalten, unter 50 zu rutschen, geschweigedenn dort zu bleiben.

Es gibt aber auch gute Nachrichten: Während ich dies schreibe, sind nämlich meine FFP2-Masken eingetroffen.

Ich darf wieder einkaufen. Dass man sich über solche Banalitäten auch noch freuen muss, ist einfach nur zum Kotzen.