Corona-Tagebuch: Routinen in der Coronatäne

Erfahrungsgemäß werden die Zahlen übers Wochenende immer etwas weniger sorgfältig eingepflegt aber ich glaube, wir werden auch so Montag die 60-tausender-Marke knacken. Tote sind es mittlerweile schon über 400.

Was mir bereits in den ersten Tagen oft aufgefallen ist, wird inzwischen wirklich ärgerlich: Leute kritisieren die Maßnahmen gegen Corona aufgrund ihres Erfolges. So nach dem Motto: Weil es „nicht mal 100 Tote“ oder „nicht mal 1000 Infizierte“ gibt, seien die Maßnahmen doch total übertrieben. Und diese Zahlen werden halt quasi täglich angepasst, weil die selbst ausgesuchten Grenzen nunmal ständig überschritten werden.

Vermutlich hören diese Trottel erst auf, wenn die Zahl von Opfern und Infizierten wirklich jede Jahrhundertpandemie deutlich übersteigt. Aber vielleicht auch nicht, vielleicht wird dann der Holocaust ausgepackt oder was auch immer.

All diesen Nicht-Argumenten gemeinsam ist, dass sie das Thema komplett verfehlen, weil das Ziel der Maßnahmen letztlich die Beherrschbarkeit der Seuche ist und weniger die Minimierung von Opfern, auch wenn es darum natürlich letztendlich im Kern geht. Eigentlich hat jeder – noch bevor es hierzulande wirklich losging – gesehen, wie in Italien das Gesundheitssystem zusammenbricht. Ja, wahrscheinlich sind die Systeme in Deutschland besser als in Italien. Aber auch hier haben sie halt Grenzen. Keine Ahnung, was in Leuten vorgeht, die finden, dass man diese unbedingt ausloten müsste.

Heute endet die Quarantäne, unter die mein Bruder gestellt wurde, nachdem er vorletzte Woche „negativ“ getestet wurde. Dieser Test fand Wochen nach dem Ereignis statt, dass in Verdacht stand, eine Infizierung zur Folge gehabt haben zu können. Also eigentlich zu einem Zeitpunkt, als man sich den Test auch hätte sparen können. Von der Quarantäne im Anschluss bei negativem(!) Test ganz zu schweigen. Es kann ja sein, dass das alles trotzdem sinnvoll begründet ist – aber so richtig verstanden, was das soll, habe ich jedenfalls immer noch nicht. Es ist nicht gut, wenn in einer Extremsituation wie der Derzeitigen Dinge passieren, die nicht vernünftig erklärt werden. Der ganze weitere Fortgang, der ganze Erfolg der ergriffenen Maßnahmen hängt einzig und allein von der Einsicht der Bürger ab. Wenn man denen das Gefühl gibt, dass viel Schwachsinn gemacht wird, wird diese Einsicht irgendwann schwinden. Das muss vermieden werden.

Und jetzt wird auch noch das Wetter eklig. Gestern war es schon etwas kühler als die Tage davor, es wurde auch nachmittags zunehmend windig. Heute wachte ich auf, als es regnete, der Regen ging wenig später in Schnee über. Es ist kalt und ungemütlich draußen. Zumindest für die kommende Woche. Die Woche drauf steuern wir dann auf 20 Grad zu.

Wenn uns jetzt das Wetter dazu zwingt, wirklich nur noch die eigenen vier Wände anzustarren, wird das zu Problemen führen. Naja, eigentlich gab es jetzt schon genügend Probleme. Eine starke Zunahme an Fällen der häuslichen Gewalt zum Beispiel. Extremsituationen bringen immer auch einen ganzen Blumenstrauß weiterer Probleme im Schlepptau an. Ist ja auch klar: Wenn nichts läuft, wie es laufen sollte, hat das Wechselwirkungen, die nicht cool sind.

Die meisten von uns spüren jetzt zum ersten Mal in ihrem Leben, wie luxuriös es bis hierhin war. Vielleicht eine unter dem Strich auch mal recht gute Erfahrung. Auf die wir trotzdem lieber verzichtet hätten.

Das Leben in der Coronatäne geht derweil so seinen eigenen Weg. Gestern Abend hatten wir das zweite Telebier – das immer mehr Nachahmer findet. Ich glaube nicht, dass ich das so in der Form erfunden habe. Aber ich werde vorerst bei jeder sich bietenden Gelegenheit so tun, als ob.

Es hat auch gestern wieder großen Spaß gemacht. Es wird auch noch zwei, drei Wochen großen Spaß machen. Spätestens danach müssen wir uns irgendwelche Spielchen ausdenken, weil wir uns nichts mehr zu erzählen haben werden. Wir erleben nämlich nicht sehr viel momentan. Und das, was wir erleben, ähnelt sich: Klopapierkrise, Einkaufserlebnisse, sonstige Beobachtungen, die einfach aktuell überall die gleichen sind. Die Telebiere leben vor allem davon, dass man sich lustige Storys von vor Corona erzählt. Früher habe ich die Qualität einer Party immer daran gemessen, dass möglichst wenig Erlebnisse von früheren Partys dabei breitgetreten wurden und einfach neue legendäre Storys passiert sind. Aber wenn man nicht mal physisch zusammensitzen und sich einen zwitschern kann, ist das plötzlich dann doch ein ziemlich guter und lustiger Programmpunkt einer solchen „Party“.

Aber trotzdem. Über kurz oder lang muss da sowas wie ein begleitendes Entertainmentprogramm dazu kommen. Und sei es nur, dass man sich die ganze Zeit gegenseitig die lustigsten Sauf-Fotos der Vergangenheit zeigt oder so.

Und unter der Woche? Fällt uns allen so langsam halt auch immer wieder etwas die Decke auf den Kopf. Wir werden versuchen, unsere Parteiarbeit wieder ein bisschen anzuschieben, auch auf Videokonferenzbasis. Disney+, auf das ich gewisse Hoffnungen gesetzt hatte, für etwas abendliche Abwechslung zu sorgen, enttäuscht bisher. Oder auch nicht, denn eigentlich liefern die recht präzise, was ich befürchtet hatte: Vor allem ein Kinderprogramm. Ich fand nur schon als Kind diese ganzen Disneyfilme nicht wirklich toll. Nett, ja. Man kann das mal gucken. Aber ausgerastet bin ich wegen sowas nicht mal als Kind, insofern wird wohl auch heute keiner von mir erwarten, da einen besonderen nostalgischen Bezug zu verspüren.

Also guck ich den Mandalorian. Der eine gute Serie ist, besonders der Sountrack ist geil und auch sonst gut gemacht und so. Ich guck das gerne. Aber es gibt pro Woche genau eine Folge, die ersten drei sind bereits durch und es werden noch fünf folgen. Dann ist das erstmal wieder vorbei.

Ich werde auch Star Wars einmal so durchgucken. Aber alle Filme haben sie ja da bisher auch nicht, was ich echt schwach finde.

An Marvel habe ich mich satt gesehen. Und das im Prinzip auch schon nach ein bisschen Spider Man und Iron Man, alles danach hat mich schnell gar nicht mehr interessiert, weil es einfach immer das Gleiche ist und offenbar nur von pseudo-coolen Sprüchen und irren Effekten lebt. Auf so eine Kombination habe ich zwar durchaus auch mal Lust. Aber keine 50 Filme lang. Oder wie viele es da auch immer inzwischen gibt.

Das Serienangebot ist also trotz Mandalorian eher mau, das Filmangebot besteht quasi nur aus Star Wars, was mich nicht sehr lange fesseln wird. Bleiben noch die Dokumentationen, denn National Geographic ist ja auch mit drin. Da habe ich gestern eine Serie über Apollo gesehen. Die schlechter als die letztjährige Kino-Doku aber ganz okay war. Zwei, drei andere Dokus habe ich auch noch gefunden. Mal gucken, wie die so sind.

Vorhin habe ich spontan eine geguckt, in der eine Archäologin das Grab Alexanders des Großen NICHT findet. Ich glaube, diese Doku kann metaphorisch für Disney+ als Gesamtkunstwerk herhalten.

Ich mein, die Bande hat das komplette 20th Century Fox gekauft. Und was machen sie draus? Zeigen die Simpsons… die echt keiner mehr sehen will.

Netflix bringt derzweil eine neue Staffel Ozark. Das werde ich mir wohl die kommende Woche reinziehen.