Corona-Tagebuch: Partyalarm in Cloppenburg

Am Sonnabend war ich einkaufen. Nicht für mich, sondern die Familie meines Bruders, die in der vergangenen Woche um eine Person größer geworden ist, ich bin jetzt also wohl Onkel, wie es scheint. Da sie bis Sonntag im Familienzimmer des Krankenhauses geblieben waren, habe ich gemeinsam mit meiner Mutter ein paar dringend benötigte Dinge besorgt.

Dabei habe ich festgestellt, dass nicht nur irrsinnig viel los war, sondern zum ersten Mal auch einfach keine Einkaufswagen mehr da waren und man darauf warten musste.

Anders als vor einigen Monaten, wo das noch völlig ausgeschlossen war, habe ich kurz überlegt, ob es nicht so ein Korb auch täte. Offiziel stehen noch überall Schilder, dass man nen Wagen mitnehmen soll aber das hatte ich vor ungefähr zwei Wochen auch schonmal nicht getan, als ich 10 Minuten vor Ladenschluss noch mal kurz durch die Regale gerauscht bin, weil ich dringend noch tiefgefrorene Himbeeren besorgen wollte.

Aber da war der Laden auch fast leer und jetzt eben nicht.

Und noch eine kurze Einkaufsanekdote: In einem anderen Laden, in dem ich nicht so häufig bin, stehen im Kassenbereich irgendwie immer noch gewaltige Türme aus Klopapier und warten auf Kundschaft. Diese seltsame Klopapierknappheit scheint schon so lange her, dass man sich kaum noch an sie erinnert. Hier habe ich aber eine bis heute währende Nachwirkung aufgespürt.

Und sonst so? Irgendwie alles ein bisschen wie immer. In Nordrhein-Westfalen sind tausende Schüler und hunderte Lehrer in Corona-Quarantäne und Bayern ist immer noch Coronaland Nummer 1.

Der Landkreis Cloppenburg allerdings dreht aus Gründen, die ich nicht so genau mitbekommen habe, auch ganz gut auf. Dort gab es binnen 7 Tagen fast 60 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner. Die Schallmauer von 50 wurde hier also gerissen und angeblich sollte danach ja der Lockdown kommen.

Kommt aber irgendwie nicht. Genau wie in München nicht, wo das ebenfalls der Fall ist. Oder auch in Würzburg.

In München wird das damit begründet, dass die Berechnung aufgrund von zwei Jahre alten Einwohnerzahlen gemacht worden ist und man anhand heutiger Zahlen eigentlich noch knapp unter der Grenze sei. Aber irgendwie wird ja dauernd mal irgendwo diese Grenze gerissen und nie kam sowas wie ein Lockdown.

In Cloppenburg soll es wohl diverse größere Partys gegeben haben am Wochenende, was den dortigen Landrat leicht verärgert hat. Die Regeln waren laut Presse vorher schon „verschärft“ worden, was immer das konkret heißen mag. Aber ein neuer Lockdown? Nö. Und der wird anscheinend auch jetzt nicht in Erwägung gezogen.

Vielleicht muss er das auch nicht. Aber ich frage mich schon, warum man diese Regel dann überhaupt erst aufgestellt hat. Wieder mal tut die Regierung da etwas, das nicht logisch ist, die Leute insgesamt immer mehr an ihren Maßnahmen zweifeln lässt und das ich für strategisch bescheuert halte.

Man könnte ja diese Regeln ändern und sagen naja, vielleicht sind 50 pro 100.000 in 7 Tagen doch nicht so schlimm, wenn kaum einer ernsthaft erkrankt und so gut wie niemand mehr dran stirbt. Aber dann sollte man das doch auch einfach tun, statt die eigenen an sich immer noch geltenden Regeln schlicht zu ignorieren.

Im Landkreis Harburg hatten wir am Freitag mit 68 Infizierten insgesamt einen neuen Höchststand seit Mai. Die Zahl ist seitdem wieder etwas gesunken und liegen jetzt bei 50. Es fällt auf, dass die Zahl immer einen vorläufigen Spitzenwert erreicht, dann sinkt und dann auf einen neuen Spitzenwert ansteigt. Das Spielchen geht seit Wochen so – endet aber immer mit einem neuerlichen Höchstwert.

Wieder mal kann ich nur feststellen, dass das immer noch weit entfernt von einer dramatischen Entwicklung ist, zumal nach wie vor wahnsinnig viel getestet wird. Die Positivrate der Tests ging zum Beispiel bundesweit zuletzt spürbar zurück aber es wird jetzt eben deutlich mehr als eine Million Mal pro Woche getestet und natürlich wirkt sich das nach wie vor auf die Fallzahlen aus.

Schwere Coronafälle sind trotzdem selten und Tote hat es immer noch seit Mai nicht mehr gegeben, jedenfalls nicht hier im Landkreis. Auch bundesweit kommen am Tag zwischen 2 und 12 Tote zusammen, die Zahl liegt meistens klar im einstelligen Bereich.

Corona hat in gewisser Weise seinen Schrecken verloren und genau deswegen nehmen die Leute es als Gefahr immer weniger ernst. Kann mans ihnen verdenken?

Ich denke nein. Die eigentliche Frage wäre nun, ob dieser Eindruck denn wirklich so falsch ist oder eben nicht. Dazu hört man von fachlicher Seite erstaunlich wenig.

Was schade ist. Und die Situation nicht wirklich verbessert.