Der Landkreis Diepholz liefert grade ein anschauliches Beispiel dafür, was für ein Unsinn die Bundesbremse ist: 100 Leute stecken sich gegenseitig an, weil sie in ner Sammelunterkunft leben und sich auch sonst eher nicht an irgendwas halten.
Statt die deutlich identifizierten Leute vernünftig zu isolieren – von mir aus polizeilich, was weiß ich – wird jetzt der komplette Landkreis unter eine Ausgangssperre gestellt, denn die Inzidenz ist ja jetzt über 100. Was sie ohne diese Fälle bei weitem nicht wäre. Die Ausgangssperre der Betroffenen zu überwachen, wäre infektionstechnisch geboten und richtig. Stattdessen befiehlt Berlin eine Ausgangssperre für den kompletten Landkreis, der aber außerhalb der betroffenen Unterkünfte ja deutlich unter einer 100er-Inzidenz liegt. Der Bund bekämpft hier definitiv nur die Bereitschaft der Bürger, Regeln als sinnvoll zu begreifen aber nicht die Pandemie.
Der Landkreis Diepholz hat 217.000 Einwohner, in den letzten 7 Tagen gab es insgesamt knapp 300 Fälle (da jetzt über 1000 Erntehelfer getestet werden, wird das wohl noch etwas steigen) und das – nur das – bringt die Inzidenz dann jetzt auf aktuell 137.
Unterdessen läuft das Impfen weiter. Die Landesgesundheitsministerin gibt jetzt grade wieder mal eine Pressekonferenz und erklärt, dass man jetzt voll in die 3. Priorität starten würde. Auch innerhalb dieser würde es wiederum Prioritäten geben, sie nannte ein Göttinger Unternehmen namens Sartorius, dass Biontech-Impfstoff herstellt, wo jetzt die Betriebsärzte vor allen anderen Impfstoff bekommen werden, um zügig durchzuimpfen, weil gerade dieses Unternehmen die halbe Welt mit Impfstoff beliefert und nicht ausfallen DARF.
Erstaunlich, dass selbst Lehrer hier höher priorisiert worden sind. Deren Priorisierung habe ich von Anfang an nicht verstanden. Aber wenn nicht nur Feuerwehren, sondern selbst die Impfstoffherstellung weniger Priorität genießt, wird das irgendwie auch nicht logischer.
Wahlhelfer können sich ab 31. Mai impfen lassen. Das verstehe ich so halb. Es ist sinnvoll, sie zu priorisieren, damit sie im September einsatzbereit sind. Aber das hätte jetzt nicht zwingend in die Priorität 3 gemusst, sondern man hätte ja auch später noch eine Priorisierung vornehmen können, so dass manche Gruppen einfach schneller einen Termin bekommen.
Generell ist ja der Sinn hinter diesen Priorisierungen einer, den man auch in Frage stellen kann. Ein Youtube-Professor (er ist anscheinend wirklich ein Professor) vergleicht hier mal unterschiedliche Strategien:
Nach der ist unsere hinsichtlich des zügigen Pandemie-Endes gar nicht mal so geil. Eine komplett zufällige Impfung würde die Pandemie deutlich schneller beenden, während die aktuelle Strategie sie vielleicht nie wirklich beendet.
Wobei das ja relativ ist, denn wir reden von einer Pandemie und es ist das Eine, sich auszurechnen, wie man sie national schnell beendet kriegt aber eine ganz andere Frage, wie man dann dafür sorgt, dass sie nicht wiederkommt. Insofern halte ich Geschwindigkeit allein auch nicht für das, worauf es ankommt.
Gemäß dieses Vortrags ist die aktuelle Strategie mit der Priorisierung (die man wie gesagt im Detail sicherlich immer noch idiotisch und nicht zuende gedacht finden kann) aber hingegen die, die am wenigsten Todesopfer mit sich bringt. Und damit wird natürlich ein Schuh draus, damit ist es die sinnvollste Strategie, wenn man den Schutz von Menschenleben als oberste Priorität zugrunde legt, was ich durchaus teilen kann.
Auch deshalb kritisiere ich, dass man Lehrer so extrem hoch priorisiert hat, denn hier werden eben nicht Menschenleben geschützt, sondern Schule als systemrelevant behandelt – was auch nicht falsch ist. Aber systemrelevanter als die Feuerwehr oder Menschen mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko? Oder als das Funktionieren der Impfstoffproduktion bei Sartorius? Kann ich nicht nachvollziehen, echt nicht.
Die Ministerin weist daraufhin, dass jede Impfung einen Wert für die Gesellschaft insgesamt hat. Ich denke, das ist so ein Aspekt, der bei den ganzen Debatten um Prioritäten gerne verdrängt wird.
Man muss aber auch sagen, dass die Impfungen gefühlt jetzt in einem Affenzahn voranschreiten. Ich habe mir jetzt die letzten Tage immer wieder den sogenannten Impfzielrechner angesehen und jeden Tag kam da ein neues Datum raus, immer noch etwas früher. Beim ersten Mal hieß es, dass am 13. September 70% der Bundesbürger geimpft seien, ausgehend vom aktuellen Impftempo. Stand heute ist es schon der 8. September. Ich wäre nicht überrascht, wenn da am Ende ein Datum irgendwann im August bei rauskäme.
Die Impfzentren laufen längstens bis 30.9., so jedenfalls ist die aktuelle Regelung und auch die Finanzierung. Schätzungsweise eher kürzer als das, würde ich angesichts dieses Tempos meinen. Die Hausärzte können jede Woche Millionen Menschen impfen, wenn man sie lässt.
Parallel zur Pressekonferenz der Landesgesundheitsministerin läuft im Bundestag eine Debatte zum Thema „Impfprivilegien“. Geimpfte und Corona-Genesene sollen von Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen befreit werden – der Bundestag will vor dem Hintergrund sinkender Infektionszahlen eine entsprechende Verordnung verabschieden. Für mich ein Nobrainer – aber die Diskussion schwelt ja seit Monaten und jetzt muss sie endgültig mal geführt werden. Sonst beendet das Verfassungsgericht sie.
Es wird erwartet, dass eine breite Mehrheit dem Vorhaben zustimmt. Ich bin mal gespannt, wer dagegen sein wird.
Man kann mir jetzt natürlich immer entgegenhalten, dass ich als jemand, der geimpft ist, bzw. bereits in wenigen Wochen seinen vollen Impfschutz erwarten kann, solche „Impfprivilegien“ auch irgendwie aus Eigennutz gut finden könnte. Aber wenn man sich mal etwas ältere Beiträge dieser Reihe ansieht, wird man feststellen, dass ich noch nie anderer Meinung gewesen bin – selbst zu einem Zeitpunkt, zu dem ich recht pessimistisch der Meinung war, vielleicht 2022 irgendwann mal eine Impfung bekommen zu können.
Im Landkreis Harburg ist die Inzidenz weiter satt unter 100 und ist gestern wieder ein kleines bisschen gefallen, auf jetzt 65. Die Fallzahl stieg die letzten zwei Tage wieder etwas, gestern waren es wieder 280.
Mit Salzhausen und Neu Wulmstorf haben wir jetzt nur zwei Gemeinden über einer Inzidenz von 100. In Salzhausen ist sie auf 103. Das entspricht aber lächerlichen 15 Infektionsfällen in den letzten 7 Tagen. In Winsen gab es 25 neue Fälle in den letzten 7 Tagen und daraus folgt eine Inzidenz von 71.