Corona-Tagebuch: Diskothekensterben

Seit fast zwei Wochen ist die Zahl der Infizierten nicht mehr zurückgegangen. Sie ist auch nicht dramatisch gestiegen oder so aber aktuell (Stand heute) sind es halt mal wieder 15 an der Zahl, was der höchste Stand seit Ende Mai ist, auch wenn dieser aktuell seit dem nicht zum ersten Mal erreicht wird. Sofern da jetzt nicht noch neue Infektionen dazu kommen, dürfte es aber kommende Woche wieder runtergehen, denn nach 14 Tagen geht es nunmal in der Regel wieder runter und es kamen zumindest in der abgelaufenen Woche nie mehr als eine Infektion pro Tag hinzu.

DatumInfektionengenesenverstorbenaktuell Infizierte
13. Juli 2020559539137
14. Juli 2020559539137
15. Juli 20205625391310
16. Juli 20205625391310
17. Juli 20205645391312
18. Juli 20205655391313
19. Juli 20205655391313
20. Juli 20205655391313
21. Juli 20205655391313
22. Juli 20205665391314
23. Juli 20205665391314
24. Juli 20205675391315

Allerdings ist es so, dass die Zahlen vielerorts gerade leicht anziehen. Urlaubszeit. Gutes Wetter. Die in Deutschland immer noch relativ entspannte Gesamtsituation. Und gleichzeitig immer noch ein explodierender Anstieg, wenn man sich das Infektionsgeschehen international ansieht.

Das alles führt eben zu einem vielleicht etwas lockerem Umgang, nach dem sich natürlich sowieso alle irgendwo sehnen. Und vieles ist ja auch wirklich erlaubt.

Solange der Anstieg so aussieht, wie bei uns im Landkreis und eben auch keine stetige Entwicklung wird, ist das alles kein Problem.

Aber man muss sich schon darüber im Klaren sein, dass die Situation international gesehen alles andere als unter Kontrolle und das Ganze eben noch lange nicht vorbei ist.

Was hingegen bereits vorbei ist, ist die Zeit, in der es Diskotheken in Lüneburg gab. Anfang dieses Monats gab die letzte noch verbliebene Diskothek bekannt, dass man coronabedingt den Betrieb abwickeln ẃird. Der Text, den die „Garage“ dazu auf Facebook veröffentlicht hat, lautet:

++ Schluss nach 33 Jahren! ++In der Kult-Disco „Garage“ bleiben die Lichter auch nach Corona ausKeine Konzerte, keine Partys, keine feiernden Menschen auf der Tanzfläche und vor allem keine Einnahmen. Seit März hat die Lüneburger Institution „Garage“ geschlossen.Clubs und Diskotheken werden wohl zu den Letzten gehören, die in der Corona-Krise wieder öffnen können.Für die letzte verbliebene Diskothek Lüneburgs, die Kult-Location „Garage“, bleiben die Lichter für immer aus, nach 33 (!) Jahren Disco-Betrieb. Zuletzt wurde die Location noch 2014, unter den jetzigen Betreibern, umfangreich saniert um mit einem modifizierten Konzept durchzustarten.“Wir haben einen finanziellen Verlust, da uns komplett die Einnahmen fehlen. Der Club hat keine anderen Geschäftszweige, die etwas abwerfen“, sagt Geschäftsführer Alex Schmidtgal. „Es ist viel Bürokratiearbeit. Wir haben zwar recht schnell und unkompliziert Soforthilfe bekommen. Unsere Fixkosten sind dadurch kaum gedeckt“, sagt der 36-Jährige.„Die festangestellten Mitarbeiter sind in Kurzarbeit, den Mini-Jobbern musste erstmal gekündigt werden. Ich denke, dass es noch länger dauern wird, bis Clubs überhaupt wieder öffnen können.“ Einen Sturm auf Diskotheken und Clubs erwartet Schmidtgal in Zeiten nach Corona nicht. „Viele Clubs hatten schon vorher einige Probleme, bei uns sag es ähnlich aus, jede Woche ein neuer Kampf. Das Interesse der jüngeren Generation hat nachgelassen.Die Gastro-Szene und vorallem die Disco-Landschaft wird danach mit Sicherheit anders aussehen, mit Corona verändert sich die ganze Eventbranche.Viele lernten sich auf diese Art und weise kennen und lieben, ganz nah und ohne Abstand. Dieses Gefühl kann man schwer mit Abstand realisieren und damit auch das Disco-Konzept nicht umsetzenAb wann man wieder wie gewohnt feiern kann, das ist noch nicht abzuschätzen.“„Wir haben Kontakt zum Vermieter gesucht und um eine kurzfristige Auflösung des Mietvertrages gebeten, dieser ist der Bitte nachgekommen, es gab eine einvernehmliche Lösung. Was mit der Location in Zukunft passiert, ob wieder eine Diskothek einzieht oder ggf. eine andere Nutzung stattfindet, ist uns nicht bekannt.“

Link zum Posting

Ich war jetzt nie so ein irrsinnig aktiver Diskogänger und in meinem Leben wird der Laden auch nicht so richtig fehlen. Aber es war eigentlich die einzige Disko, die ich halbwegs gerne besucht habe. Es gab diverse lustige Events dort, die ich gerne besucht habe, öfter mal Live-Konzerte zum Beispiel oder die legendären „Hörsturz“-Partys mit viel Alternative-Rock. Die Garage war so ein Laden, den man einfach besuchen konnte, wenn man keinen Bock hatte, gleich nach Hamburg zu fahren.

Der legendärste „Garage“-Abend, an den ich mich erinnern kann, muss irgendwann 2006 oder 2007 stattgefunden haben. Begann relativ spontan aber traditionell mit Vorglühen in der Bahn (das durfte man damals noch), dann, wie sich das gehört – und für meine Wenigkeit zu dieser Zeit auch einfach normal war – einige Stunden party hard in der Garage zu den geilen Rock-Playlists. Und dann noch mal rein in die Bahn, bewaffnet mit noch ein paar Bier aus dem Bahnhofskiosk und nach Hamburg gefahren.

Ich weiß nicht mehr so genau, wo wir überall waren. Aber irgendwann saßen wir in der „Ritze“, außer uns war nur noch die Wirtin da. Und weil wir zwar stinkbesoffen aber nur zu zweit, sehr umgänglich und insgesamt lustig drauf waren, ließ sie uns in den Boxkeller. Nur mal gucken. Naja und als sie schon mal wieder nach oben gegangen war, sind wir natürlich doch noch mal kurz in den Ring für ein paar angedeutete linke und rechte Haken, die sicherlich extrem lustig ausgesehen hätten, hätte uns irgendjemand dabei beobachtet.

Quelle

Anschließend ging es noch ne Runde auf den Fischmarkt, warum auch immer. Wahrscheinlich, um noch ein paar Bier zu trinken. Vom Kauf lebender Tiere haben wir glücklicherweise abgesehen aber auch das war damals so eine merkwürdige Mode, naja… Und dann war es auch allmählich fast Mittag und wir haben uns getraut, mal zu gucken, ob wir wen angerufen kriegen, der Lust hat uns einzusammeln…

Okay, der Abend hatte am Ende mit der Garage gar nicht mehr so viel zu tun. Aber solche Touren sind es halt, die den Laden für mich persönlich legendär gemacht haben und deswegen ist es trotzdem irgendwie schade, dass er weg ist und vermutlich auch nicht wiederkommt.

Ist aber ein Schicksal, dass er mit vielen anderen Diskos teilt. Und das klingt ja im Abschieds-Statement des Chefs auch durchaus mit: Die Zeiten für Diskotheken sind ohnehin schwierig. Das Interesse ist nicht mehr so da wie früher und das hat viele verschiedene Gründe. Jetzt kommt Corona und gibt dem Konzept den Rest. Ich denke, das wird bundesweit so laufen und am Ende wird es nur noch sehr wenige Diskotheken geben.

Was vorher noch so mittelmäßig lief, funktioniert jetzt eben überhaupt nicht mehr. Zumal wenn gar nicht klar ist, ob es eine Frage von Monaten, 1-2 Jahren oder viel längerer Zeit ist, bis man wieder wird öffnen können. Und wie die Bereitschaft, Diskotheken zu besuchen, dann eventuell aussieht.

Wie gesagt: Für mein eigenes Leben hält sich der Verlust zwar in Grenzen. Aber auch hier geht gerade wieder ein Stück Kultur verloren.