Corona-Tagebuch: Der Kinoabend

Gestern war ich spontan im Kino. Kino in Corona-Zeiten, auch das eine neue Erfahrung für mich.

Der Infektionsschutz im Saal ist wahrscheinlich besser gewährleistet gewesen, als so ziemlich überall sonst im öffentlichen Raum, denn es verteilten sich 6 Gäste im größten Kinosaal, den das Kino hat. An sich hätte zwar jede zweite Reihe besetzt werden dürfen – nur handelte es sich um „Tenet“ und der läuft jetzt schon eine ganze Weile, wird wahrscheinlich auch eine ganze weitere Weile laufen, weil weitere Filmstarts wohl noch etwas dauern. Wobei der neue Bond wohl im November kommen soll und im Trailer verdammt geil aussah. Aber November ist ja auch noch ne Weile hin und ein konkretes Datum, wie man es sonst so kennt, wenn der Start nur noch wenige Wochen hin ist, haben sie interessanterweise im Trailer auch nicht genannt.

Kurz zum Film: Ich habe so lange gewartet, weil ich nicht so richtig schlüssig war, ob ich den im Kino sehen möchte. Rückblickend kann ich sagen, dass es sich durchaus gelohnt hat. Der Film ist auf jeden Fall gut gemacht und unterhaltsam, verknotet einem aber schlimmer das Hirn als Interstellar und Inception zusammen. Gut ist, dass es eigentlich egal ist, dass man öfter mal während der Handlung sowas denkt wie

„äh, wie, was passiert da jetzt grade?? Und warum??? Was?“

Denn die Handlung insgesamt und den Verlauf kriegt man auch unabhängig davon gut mit, dass man jetzt jeden physikalischen Mindfuck ernsthaft nachvollziehen kann. Ich könnte mir vorstellen, dass das meiste sowieso kompletter Bullshit ist und alles zusammen auch nicht wirklich logisch ist aber das tut der Story eigentlich keinen Abbruch.

Die ist okay, der Film spannend – vor allem aber saugut gemacht in jeder Hinsicht, insbesondere, was den Soundtrack und dessen Zusammenspiel mit der Handlung betrifft.

Und Corona sonst so? Eigentlich kommen meine „Tagebuch“-Einträge ja seit einer Weile nicht mehr ganz so häufig, nun aber schon nach einem Tag. Das liegt nicht am Kinobesuch, den hätte ich auch in der nächsten Woche noch beschreiben können. Es liegt an einer aktuellen „Entwicklung“ in meinem Landkreis.

Die ist, was die Fallzahlen betrifft gestern dann noch etwas positiver geworden. Aber bedeutender ist eigentlich diese Meldung:

Mein gern wiederholte Aussage, es würde niemand an Corona sterben, jedenfalls nicht hier, ist somit in dieser Klarheit erstmal aus dem Rennen. Informationen über Alter oder mögliche Vorerkrankungen des Verstorbenen habe ich bisher keine gefunden. Beides dürfte wohl wieder seine Rolle gespielt haben.

Natürlich ist ein Todesfall nach vier Monaten, so traurig er für die Betroffenen und Hinterbliebenen nichtsdestotrotz ist, keine Katastrophe und auch kein Anzeichen für eine Verschlimmerung der Situation oder so. Er erinnert nur einfach daran, dass wir immer noch Pandemie haben. Als könnte man das irgendwie vergessen.

Ebenfalls interessant, auch, weil ich gestern noch berichtete, dass das Land Weihnachtsmärkte inklusive Glühweinausschank erlauben möchte, ist diese Meldung vom Niedersächsischen Landkreistag:

Interpretiere ich jetzt mal so, dass die Behörden vor Ort bisher wenig Lust auf Weihnachtsmärkte haben aber natürlich ist das ja auch noch zwei Monate hin, wenn nicht noch etwas länger.

Die Meldung enthält aber auch noch weitere interessante Aussagen. Ich neige ja, auch wenn meine Wortwahl gelegentlich etwas drastisch ist, nicht unbedingt zu Zorn aber das hier macht mich dann doch ein wenig fuchsteufelswild:

„…muss das Informationsmanagement zwischen dem Land und den Gesundheitsämtern drastisch verbessert werden – wir brauchen Informationsaustausch in Echtzeit z.B. über eine elektronische Krisenplattform.“

Zitat NLT-Hauptgeschäftsführer Hubert Meyer, Quelle

Ja, sicher stelle ich mir das wieder viel zu einfach vor aber ich möchte es trotzdem mal polemisch wie folgt übersetzen:

Wir, beziehungsweise das Land Niedersachsen hat es, obwohl wir 2020 haben UND seit über einem halben Jahr Pandemie, nicht geschafft, uns bei Slack anzumelden oder wenigstens eine gemeinsame Excelliste über die Cloud zu pflegen.

Wie gesagt: Es wird in der Realität sicher tausend superwichtige bürokratische Hürden geben, warum man diese eigentlich sehr einfache Aufgabe nicht in den 5 Minuten löst, die jeder Andere, selbst der mit wenig Ahnung, zum Aufsetzen einer solchen „Plattform“ bräuchte.

Aber wir haben eine Pandemie, die den Wohlstand des ganzen Landes in Frage stellt, Millionen Jobs gefährdet, Menschenleben kostet und eigentlich auch ansonsten alles, wirklich alles irgendwie in Mitleidenschaft zieht und beeinflusst. WARUM kann man Bürokratie nicht einfach Bürokratie sein lassen und einfach irgendeine verdammte Plattform für klicken, wie Millionen Bürger das in den letzten Monaten (viele sicher auch davor schon) getan haben, mit der sich dezentral zusammenarbeiten und Datenaustausch gewährleisten lässt?

Waren bei den hunderten Milliarden, die für alles Mögliche und vieles Unmögliche verfeuert werden, keine 20 Euro mehr übrig für den Praktikanten, der ne gemeinsame Google-Gruppe, ein MS Teams, von mir aus auch eine datenschutztechnisch einwandfreiere Nextcloud auf den eigenen Servern einrichtet?

In welchem Jahrhundert leben unsere Verwaltungen denn?

Ich habe ohne das jemals vorher gemacht zu haben, neulich mal in einem 3-Stunden-Spontan-Projekt einen eigenen Nextcloudserver aufgesetzt und nutze den seitdem. Kostet lächerlich wenig. Kapiert jeder. Kann man alle möglichen Formen von Dateien einfach reinwerfen und dann haben alle Landkreise sofort zugriff darauf.

Und die kommerziellen Lösungen von sowas sind im Zweifel noch besser und noch schneller eingerichtet.

Bürokratie und „haben wir doch noch nie so gemacht“ hin oder her. Aber die gleiche Landesregierung, die von jedem Einzelnen ihrer Bürger massives umdenken und insbesondere von Unternehmen und auch ihren eigenen Lehrern extrem hohe Flexibilität und Lernfähigkeit im Blitztempo einfach verlangt (und im Wesentlichen im Rahmen des Möglichen auch bekommen) hat, kriegt es in Monaten nicht hin, eine scheiß Dropbox zu installieren?

Nicht euer scheiß Ernst!