Corona-Tagebuch: „Glühwein sollte meines Erachtens möglich sein!“

Nehmen die Zahlen nun zu oder nicht? Das ist eine Frage, die sich aktuell stellt, denn „gefühlt“ und in den Darstellungen der Medien nehmen die Fallzahlen zu, allerdings nicht auf einem besorgniserregenden Niveau – sonst wäre der Ton deutlich schriller.

Ich habe mir die Situation im Landkreis noch einmal angesehen und wenn ich mir den Gesamtverlauf ansehe, würde ich so aus der Hüfte geschossen sagen: Eigentlich nehmen sie nicht wirklich zu. Wir haben höhere Zahlen, als im Juni und im Juli und man erkennt dort kleinere Wellen, in denen die Fallzahlen mal mehr und mal weniger wurden. Aber insgesamt sieht das relativ stabil aus.

Um aber einen etwas langfristigeren Blick zu haben, habe ich die Auflösung noch mal etwas geändert und ein neues Diagramm gebaut, das jeweils den Mittelwert der letzten 30 Tage zeigt.

Und hier kann man dann doch einen Anstieg erkennen. einen etwas steileren im August und einen deutlich langsameren im September.

Reiserückkehrer und Testinflation?

Sicherlich beides nicht ohne Effekt. Ganz am Ende der Kurve sieht man ein kleines Plateau. Also ist das eventuell einfach auch schon der Peak und dann könnte man die Entwicklung vielleicht wirklich komplett mit Sommerurlaub und der daraus folgenden massiven Ausweitung der Tests erklären.

Aber mein Eindruck der Stabilität ist jedenfalls aktuell noch nicht so ganz durch diese Kurve belegt, auch wenn man sicher sagen kann, dass die Fallzahlen im September bisher deutlich langsamer gestiegen sind als noch im August und das im August zwar ein spürbarer Anstieg war, aber eben selbst da weit entfernt davon, wirklich Besorgnis zu erregen.

Und das kann man an der Politik auch so ablesen, denn zwar hat die Landesregierung Niedersachsen mal die nächste Stufe ihres Plans um zwei Wochen verschoben (ich glaube, das war im August – ich hatte das damals verbloggt) aber verschärft wurde nichts und es gab auch keine alarmistischen Pressekonferenzen oder sonstwas.

Aber nachdem gestern bereits der NDR frohlockte, dass es „gute Nachrichten für Glühwein-Fans“ gäbe, weil die Landesregierung das grundsätzliche Okay für Weihnachtsmärkte gegeben hat, schätzt man wohl auch in Hannover die Situation als einigermaßen beherrschbar ein.

Natürlich wird das unter Auflagen stattfinden und insbesondere Abstände sind hier wichtig. Ein denkwürdiges und interessantes Zitat dazu (das ich, glaube ich, von nun an hin und wieder aus dem Zusammenhang gerissen auch für andere Dinge benutzen werde) kommt aber von Bernd Althusmann, dem stellvertretenden Ministerpräsidenten und Wirtschaftsminister des Landes Niedersachsen. Der sagt:

„Glühwein sollte meines Erachtens möglich sein.“

Quelle Fernsehen

Er sieht Alkoholverbote ausdrücklich nicht als nötig an, wünscht sich allerdings den Verzicht auf „hochprozentigere“ Sachen.

Gut, ich definiere Glühwein als dieses in der Regel nicht sonderlich hochwertige Weinzeugs plus Rum. Für mich ist Glühwein per se hochprozentiger und auch Glühwein hat natürlich mehr Alkohol als zum Beispiel Bier.

Aber macht das überhaupt einen Unterschied? Ich bin wirklich kein Weihnachtsmarktgänger. Schon gar nicht mit hingehen und einen Trinken und so. Aber selbst mir ist klar, dass einen acht Glühwein auch ohne Schuss ordentlich besoffen machen können, weswegen mich die Einlassungen des Ministers an der Stelle ein wenig ratlos zurücklassen.

Natürlich ist mir klar, worum es eigentlich geht: Die Schausteller haben ein höchst beschissenes Jahr erlebt und denen möchte man diese letzte Chance, ein paar Euro zu verdienen, nicht auch noch nehmen. Das ist aller Ehren wert und grundsätzlich auch in Ordnung, vielleicht ja auch infektionstechnisch kein Problem, was weiß ich?

Aber ob jetzt Schuss im Glühwein ist oder nicht, macht wohl nur für sehr naive Regierungsnasen einen nennenswerten Unterschied.

Ich finde die Entscheidung schon okay und vielleicht ist das komische Rumgedruckse des Wirtschaftsministers sowas wie die missglückte Rechtfertigung des nicht vorhandenen Alkoholverbotes gegenüber denen, die das für unbedingt nötig halten.

Aber es sollte bitte keiner total überrascht tun, wenn es dann eben auch 2020 gepflegte Besäufnisse auf Weihnachtsmärkten gibt, unter denen der Infektionsschutz natürlich leiden dürfte. Sofern das nicht zu massenhaften Infektionen führt, möge man doch bitte auch dann noch zur eigenen Entscheidung stehen, denn dass es so kommen wird, ist eigentlich jetzt schon abzusehen.

Und damit sind die Weichen bereits in Richtung Corona-Winter gestellt, obwohl der Herbst noch nicht mal richtig angefangen hat. Gestern war Herbstanfang aber es ist zumindest tagsüber immer noch herrlich bis sommerlich warm. Wir haben diese Woche noch einmal draußen gegrillt, gestern gabs Kaffee auf der Terrasse. Ja, abends wird es schnell frisch und wir hatten nachts auch schon den ersten Bodenfrost auf den Feldern in der Nachbarschaft. Aber tagsüber ist es sonnig und warm.

Natürlich macht sich aber nicht nur die Landesregierung Gedanken um den Winter, sondern auch wir hier als Dorf. Kommenden Samstag wäre eigentlich unser seit fucking sechs Jahren geplantes Oktoberfest gewesen, dass natürlich ausfallen musste (und wohl auch wirklich niemand ernsthaft halblegal hätte durchführen wollen). Ich hoffe, es dauert nicht wieder sechs Jahre, bis die Hoopter Vereine sich zu einer neuen derartigen Veranstaltung durchringen können. Am Faslamsverein wirds nicht liegen, an dem liegt es aber eigentlich auch so nie.

Der allerdings macht sich natürlich auch schon ein paar Gedanken. Dass es keinen regulären Faslam geben wird, habe ich an dieser Stelle wahrscheinlich schon im April oder so gemutmaßt. Sicher, die Hoffnung stirbt zuletzt. Aber wenn nicht bis Ende Dezember ein Impfstoff in so ziemlich jedem Bürger ist, wird man Ende Januar garantiert keinen Faslam genehmigt kriegen und auch, wenn wir uns das alle wünschen würden, wird das wohl nichts.

Was also kann man stattdessen tun?

Genau dazu werden wir uns hoffentlich erfolgreich morgen Abend ein paar Gedanken machen, denn da kommt der Vorstand des Faslamsvereins in den Räumlichkeiten meiner Brauerei zusammen und brainstormt in zwangloser Runde dazu ein wenig. Es gibt in Ansätzen einige Ideen und vielleicht sind die teilweise auch nicht so schlecht.

Nach wie vor gehe ich davon aus, dass unsere „1. Versammlung“ auf jeden Fall nicht stattfinden wird. Andere Vereine machen sowas, weil sie meinen, sie müssten unbedingt eine Jahreshauptversammlung abhalten. Meines Erachtens ist das aber nicht der Fall. Wenn man absehbar sowieso keinen Faslam feiert, kann man sich eine Vorstandswahl auch zunächst sparen und diese Jahreshauptversammlung verschieben.

Es ist alles Mögliche verschoben worden, auch deutlich wichtigere Versammlungen. Die FDP hat ihren Bundesparteitag um ein halbes Jahr verschoben. Und anders als bei ner Faslamsverlummg, wo man den nichtstattfindenden nächsten Faslam sowieso nicht planen könnte, gab es da sogar zeitkritische Dinge zu beschließen, bevor es in ein Wahljahr geht.

Ich stehe auf dem Standpunkt, dass man eine Faslamsversammlung nicht braucht, das wenn da irgendwelche Infektionen auftreten sollten, man sofort die Torte im Gesicht hat, weil es vermutlich bundesweit als Karnevalsveranstaltung bezeichnet würde und dass eine solche Versammlung unter Hygienebedingungen (wir dürften nicht mal das Faslamslied singen, bevor es den obligatorischen 1. Schnaps der Faslamseltern gibt… wahrscheinlich gäbe es nicht mal Schnaps) eigentlich ohnehin eine Veranstaltung wäre, die niemand, wirklich niemand will oder braucht.

Aber so verzichtbar diese Versammlung ist, im Januar sollte trotzdem irgendwas stattfinden. Große Partys oder sogar ein Umzug wird es nach aktuellem Stand nicht sein können. Mal schauen, was uns stattdessen so einfällt. Aber unser Auftrag ist die Brauchtumspflege und es gibt natürlich immer die große Angst, dass wenn da erstmal irgendwas einschläft, man den Faslam vielleicht nie wieder in Gang kriegt.