Corona-Tagebuch: 70.000

Zunehmend auf den Zeiger gehen mir diese ganzen „wer jetzt von Lockerung der Maßnahmen redet!“-Schreihälse. Es gibt lustigerweise nur die, es gibt die Leute, die von solchen Lockerungen ernsthaft reden überhaupt nicht. Was soll das Theater?

Man arrangiert sich so gut man kann mit den Einschränkungen des Lebens. Und es stellt sich auch ein gewisser Gewöhnungseffekt ein. Mir ist heute aufgefallen, dass ich all die Termine, die ja ausfallen, nie aus meinem Kalender gelöscht habe. Vielleicht ist das das letzte Anzeichen für die Sehnsucht eines Zurücks zur Normalität.

Vielleicht ist es auch einfach nur Pragmatismus: Es fallen ALLE Termine aus, wozu also ALLE löschen, wenn eh klar ist, dass sie nicht stattfinden?

Ein bisschen ist es auf jeden Fall dazu da, mich selbst daran zu erinnern, was da wieder schönes nicht stattfinden kann. Als wäre die Melancholie während dieses ganzen Wahnsinns nicht sowieso schon groß genug.

So halte ich das nicht nur bei meinen eigenen, privaten Kalendern. Ich pflege noch einen für das Dorf mit allen Vereinsterminen, in dem ich ebenfalls nichts lösche oder auch nur auf den Ausfall hinweise. Sondern auch den Dienstplan der Feuerwehr, wo ebenfalls alles ausfällt.

Und es gibt ein weiteres dummes Thema, über das diskutiert wird: Warum wurde so viel rumprivatisiert im Gesundheitswesen?

Wurde natürlich nicht. Also, wurde schon – es wurden Krankenhäuser zu gigantischen Konzernen und so. Dass die die Krise jetzt schlechter managen als staatliche Unternehmen, behauptet interessanterweise niemand und konnte auch an keiner Stelle nachgewiesen werden.

Wahr ist, dass Krankenhäuser aktuell hohe Einnahmeausfälle haben, weil sie viele Operationen und andere Tätigkeiten abgesagt haben, die ansonsten den Betrieb finanzieren. Warum es relevant ist, ob das eine Klinik in privater Trägerschaft tut oder eine staatliche, ist für mich im Moment noch nicht ersichtlich. So oder so muss der Staat hier eingreifen und die finanziellen Lücken schließen – ansonsten schließen nämlich die Kliniken sich selbst. Egal, ob privat oder staatlich. Das Personal muss, will und soll bezahlt werden, gerade jetzt. Und wenn das jetzt keine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, was bitteschön ist dann eine? Für genau solche Sachen haben wir einen Staat – für so vieles Andere, dass er trotzdem tut, eigentlich nicht.

In Deutschland gibt es jetzt über 70.000 Infizierte. Gut 45.000 davon – also mehr als die Häfte – in Bayern, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg (in dieser Reihenfolge). Auf Platz 4 kommt dann schon Niedersachsen – das aber „nur“ auf 4300 Inifzierte kommt, kommt während die drei Spitzenreiter zwischen um die 13.000 und 16.000 haben. Es gibt also eine deutliche Konzentration im Süden und im Westen. Und die gab es von Anfang an, sie scheint sich auch nicht wirklich zu verändern.

Google verzichtet in diesem Jahr auf Aprilscherze. Manch anderer sicher auch. In Zeiten, in denen das halbe Internet aus Fake News besteht – was ausdrücklich auch schon vor Corona der Fall war – sind Aprilscherze ohnehin ein eigentlich überholtes Konzept. Ich hätte nichts dagegen, wenn Corona diesen Blödsinn für immer beerdigt.

Wo wir grade beim Thema Blödsinn sind: Die Telekom verschenkt auch im April wieder 10 GB Datenvolumen an ihre Mobilkunden. Wegen Corona. Während gleichzeitig Netflix, Youtube und andere Streamer ihre Qualität runterschrauben sollen, damit um Gottes Willen das Netz nicht zusammenbricht, scheint man bei den Netzbetreibern dieses von der EU-Kommission erfundene Problem nicht zu kennen.

Beschiss bleibt es natürlich trotzdem, was die Telekom da macht. Hätte sie bezahlbare Tarife mit vernünftigen Volumina, bräuchte keine Sau derartige „Geschenke“. Ich würde mich nicht als ordentlichen Menschen einordnen wollen aber wenn ich einen Tarif für irgendwas buche, dann möchte ich eigentlich vorher wissen, auf was ich mich einlasse – und wähle so, dass es genügt. Ich gönne ja jedem Telekomkunden seine „geschenkten“ 10 GB (auch wenn die seltsam ironisch sind, weil man ja eigentlich möglichst zuhause bleiben soll, wo man diese Daten eigentlich gerade nicht braucht). Aber bei Kunden wie mir verfängt sowas zum Beispiel überhaupt nicht, ich geh doch nicht zur Telekom, wenn es von den Launen eines Konzerns oder dem Vorhandensein weltweiter Pandemien abhängt, ob ich hinreichend Datenvolumen habe, um über den Monat zu kommen.

Ohne, dass ich es für den Job normalerweise bräuchte, Häufen sich Videokonferenzen. Zu meiner frühlichen samstägliche alkohollastigen gesellen sich aus unterschiedlichsten Anlässen in der Woche nun auch immer mehr. In dieser Woche sind es drei.

Aus mir unerfindlichen Gründen ist Zoom dabei das Maß der Dinge. Also, nicht bei meinen Konferenzen. Aber gefühlt im Rest der Welt. Wieso eigentlich? Habe Zoom noch nie ernsthaft benutzt – kam einfach gar nicht erst in Frage, weil auf 40 Minuten beschränkt. Das mag ja ansonsten supertoll sein aber 40 Minuten reicht für gar nichts – und 14 Euro im Monat für einen Pro-Account bezahle ich nicht, wenn es open source und für lau Alternativen gibt, die so schlecht nun auch nicht funktionieren. Jedenfalls bis jetzt. Testen würde ich es schon gerne mal. Und sei es nur, um einen Vergleich zu haben.

Wie dem auch sei: Die Videokonferenz kommt grade bei der breiten Masse an. Privat wie beruflich. Besser spät als nie.