Holzweg „direkte“ Demokratie

In Kaufbeuren leben ungefähr 36.000 wahlberechtigte Bürger, von denen eine Mehrheit von 9.800 wahlberechtigten Bürgern per Bürgerentscheid den Bau einer Moschee verhindert hat.

Wer im Matheunterricht ein bisschen aufgepasst hat, fragt sich jetzt vielleicht warum 9.800 eine Mehrheit darstellt, wenn es doch eigentlich nur zwei Optionen zur Auswahl gibt.

Und wer sich ein wenig mit Wahlen beschäftigt, der ahnt, warum das trotzdem ein irgendwie demokratisches Ergebnis ist. Stichwort: Wahlbeteiligung.

Denn wenn weniger als die Hälfte der Wahlberechtigten sich überhaupt nur an einer Abstimmung beteiligen, dann sind eben auch 27 Prozent auf einmal eine satte Mehrheit von 60 Prozent.

Na klar, Wahlen und Abstimmungen sind auch dann gültig, wenn die Mehrheit der Wahlberechtigten sich dafür gar nicht erst interessiert, anders kann Demokratie gar nicht funktionieren. Aber wie sinnvoll ist es vor diesem Hintergrund dann, einzelne Sachfragen zum Gegenstand einer Abstimmung zu machen?

Denn dass die Mehrheit der Bürger Kaufbeurens diese Moschee jemals besucht hätte, war ja auch vor der Abstimmung nicht zu erwarten. Wenn man vor jedem neuen Bauwerk erstmal einen Bürgerentscheid durchführt, wird vermutlich irgendwann gar nichts mehr gebaut, weil sich einige immer davon in irgendeiner Weise gestört fühlen und es die Mehrheit gar nicht erst interessiert.

Aus diesem Grund gibt es die repräsentative Demokratie, in der man Leute seines Vertrauens wählt, die sich dann mit solchen Fragen beschäftigen. Und zwar normalerweise in einer Art und Weise, die über die persönliche Meinung des jeweiligen gewählten Vertreters hinausgehen und stattdessen fragen: Wie sieht wohl die Mehrheit meiner Wähler das? Wie verhält sich diese Frage in Bezug zu den Grundwerten meiner politishcen Überzeugungen und der meiner Partei, für die die Leute mich gewählt haben?

Solche Fragen stellt sich der direkt-demokratisch geforderte Bürger eher nicht und er denkt auch nicht unbedingt lange über so eine Entscheidung nach. Muss er auch gar nicht, die Idee eines Bürgerentscheides ist ja eben gerade, explizit die Meinung jedes Einzelnen abzufragen.

Und genau deswegen funktioniert direkte Demokratie eigentlich nicht mehr besonders demokratisch, wenn nur eine Minderheit teilnimmt.