Fediverse

Nicht mein erster Ausflug ins Fediverse aber eher spontan habe ich mir letzte Woche noch mal wieder einen Mastodon-Account angelegt. Überflüssigerweise, denn ich hatte eigentlich schon einen. Den wusste ich aber nicht mehr, weil ich nutze ihn halt nie und Neuanlegen war irgendwie einfacher.

So ein Verhalten kenne ich sonst eher von Leuten, die sich so ein bisschen unsicher im Netz bewegen. Die vergessen, dass sie einen Account haben und legen sich einen neuen an, weil sie ihr Handy zurückgesetzt haben. Ja und genau so ging es mir jetzt auch. Das Fediverse macht mich zum noob.

Also, das tut es wirklich ein bisschen. Denn es bricht eben viele Regeln, die man als Normalnutzer so kennt – und verwirrt einen damit ein wenig. Ich glaube, dass das ein Problem ist.

Nicht so sehr das Regelnbrechen an sich. Das ist ja die Idee hinter Mastodon&co: Sie wollen ja Sachen anders machen, als Facebook, Twitter und so weiter und das finde ich an sich auch total gut.

Und gegen Regelnbrechen habe ich auch nichts. Ein Bekannter stellte mich mal einem Austauschstudent mit den Worten

This is Jan. Jan hates Rules.

vor. Was ich saulustig fand. Vermutlich erinnere ich mich deswegen nach so vielen Jahren immer noch daran. Auch wenn es falsch ist. Ich hasse Regeln nämlich nicht, sondern hinterfrage sie ständig. Und stoße dabei ständig auf Regeln, die hassenswert sind, weil sie keinen Sinn machen oder sogar schädlich sind. Solche Regeln hasse ich. Genügend andere durchaus nicht.

Und so ähnlich funktioniert das auch mit dem Fediverse. Was mir das Fediverse und seinen Ansatz grundsätzlich also doch sehr sympathisch macht. Die Regeln, nach denen unsere großen Netzwerke so funktionieren, sind nämlich über weite Strecken Müll. Damit meine ich gar nicht so sehr diese Zensiererei, auch wenn die irgendwie nervt. Aber deren Hintergrund verstehe ich zumindest noch (auch wenn die Umsetzung oft völlig albern ist).

Aber wie diese Netzwerke mit unseren Daten umgehen (was keine Regel im engeren Sinn ist, wohl aber der Regelfall) ist scheiße. Wie Menschen dort miteinander umgehen sowieso (auch das keine Vorschrift und trotzdem dem Normalfall). Wie werbeverseucht das alles inzwischen ist. Wie ekelhaft das ganze begleitende Geschäftsgebaren insbesondere beim Meta-Konzern ist. Und so weiter.

Also, gute Gründe, nach Alternativen zu suchen gibt es. Gab es auch immer reichlich und sie werden höchstens mehr mit der Zeit. Darum habe ich seit geraumer Zeit einen Account bei Mastodon gehabt, was immer als „Twitter-Alternative“ gepriesen wird, eigentlich aber schon den zentralen USP von Twitter dadurch bricht, dass Beiträge 5000 Zeichen lang sein können.

Also, vielleicht ist es doch etwas anderes. Oder mehr. Oder weniger.

Als Netzwerk per se ist es auf jeden Fall cool. Es funktioniert hervorragend, es gibt gute Apps fürs Smartphone. Es sieht vernünftig aus und die Bedienung ist auch nicht so viel anders als das, was man kennt, sodass man sich schnell zurechtfindet.

Aber es ist eben auch dezentral. Es gibt unbegrenzt viele Instanzen, auf denen man Accounts anlegen kann. Man kann eigene Instanzen hosten und das ist gar nicht mal so schwierig. Man kann von einer Instanz auf die nächste Umziehen.

Twitter lässt zu, dass man einfach so seinen Benutzernamen ändert und damit für Verwirrung in der Followerschaft sorgt. Auf Mastodon besteht der Benutzername aus dem Benutzernamen und dem Namen der Instanz. Und beides kann man problemlos durchwechseln. Technisch cool. Für Otto Normalnutzer aber leider etwas, das sein Hirn sprengt.

Für mich eine Erkenntnis, die etwas zu spät kam, denn als ich das entdeckt hatte, habe ich meinen neuen Account inklusive aller drei Nutzer, den ich folgte, vollumfänglich eingerichtet und brauchte diesen Umzug auch nicht mehr.

Es gibt nicht nur Mastodon. Es gibt Peertube („YouTube“), Pixelfed („Instagram“) und bestimmt noch sackweise weiterer Dienste. Die mir aktuell eher egal sind, auch mit Peertube kann ich nichts anfangen. Pixelfed wäre vielleicht interessant, wenn es sich vernünftig mit Instagram verheiraten ließe und als Smartphoneapp funktionieren würde. Beides leider nur theoretisch der Fall, praktisch haben wir es hier wohl mit dem typischen Nerdwelt-Phänomen zu tun, dass das alles eigentlich gehen müsste, aber entweder grade kaputt ist oder für Teilzeitnerds wie mich zu kompliziert ist. Ich kriege es nicht hin, jedenfalls nicht in ein paar Minuten und für mehr Zeitaufwand ist es mir dann doch wieder zu egal.

Aber auch das ist ein zentrales Problem. Die Plattformen sind vermeintlich offen, aber meiden richtigen Kontakt zu ihren kommerziellen Counterparts wie der Teufel das Weihwasser. Ich kann aus Mastodon alle meine Daten und Followerlisten exportieren und in einen neuen Account importieren. Cool! Aber ich kann nicht einfach automatisiert gucken, welche meiner Twitter-Follower vielleicht auch da sind. Oder gar mein Adressbuch hochladen oder so.

Auf der anderen Seite gibt es instanzübergreifende Follow-Buttons, die ziemlich geil funktionieren und dank denen ich jetzt dann doch ein paar Leuten folgen kann. Aber so richtig geil ist das nicht, mein Feed ist im Prinzip nur mit irrelevantem Quatsch voll. Also wie beim „richtigen“ Twitter – obwohl es doch eigentlich besser werden sollte.

Und machen wir uns nichts vor: Otto Normalnutzer versteht schon die Nummer mit den Instanzen nicht. Er wird auch keine instanzübergreifende Followbutton-Funktion verstehen oder wozu man Followerlisten importieren sollte.

Vermutlich macht das nichts, weil er ja sowieso nicht versteht, was Mastodon ist (ich steige ja selber nur langsam dahinter) und wozu er es brauchen sollte (was daran liegt, dass mans natürlich absolut nicht braucht, noch weniger als Twitter, das schon einigermaßen nutzlos ist für die meisten Menschen), geschweigedenn, wie man es bedient und wie man seine Leute da bloß findet (wobei sich das sehr leicht und schnell mit „überhaupt nicht“ beantworten lässt).

Im Browser sieht Mastodon bei mir derzeit aus wie Windows 95. Inklusive Karl Klammer.

Es gibt zwei Gründe, warum mich das überhaupt nicht abschreckt. Grund 1 ist, dass ich zufällig vor einigen Tagen jemanden kennengelernt habe, der es einfach nutzt, womit ich bereits zwei echte aktive Nutzer von Mastodon persönlich kenne. In der Theorie genügt das, um als „Netzwerk“ funktionieren zu können und für mich genügt es, um dem noch mal wieder eine Chance zu geben.

Grund 2 ist: Auch wenn die Verknüpfung von Pixelfed mit Instagram nicht hinhaut, scheint sich Mastodon problemlos dazu nutzen zu lassen, automatisch auf Twitter zu posten, was man via Mastodon so mitteilt.

Mehr noch: Auf Twitter erscheint das sogar automatisch als Thread mit der Angabe, aus wie vielen Teilen er besteht und so.

Natürlich ist das keine originäre Mastodon-Funktion, sondern irgendein Fremdskript, dass ich gefunden habe. Was ich seitdem nicht gefunden habe: Die Stelle, an der Mastodon mir zeigt, wie dieses Skript heißt, mit dem ich es verbunden habe.

Es heißt Moa-Bridge. Was ich rausfinden konnte, weil Twitter diese Sachen sehr vorbildlich auflistet. Okay.

Naja. Also es gibt Luft nach oben, keine Frage. Und damit meine ich durchaus auch meine eigene Lernkurve.

Leider wird das dafür sorgen, dass Mastodon & Co weiterhin ein Nischendasein fristen. Obwohl es eigentlich cooler Kram ist. Und das finde ich schade.

Wer mir trotzdem folgen möchte, kann das über diesen Link tun.