Die lustigste WM aller Zeiten

Wir erleben die interessanteste und auch lustigste Fußball-WM aller Zeiten, denn endlich mal geht es dabei überhaupt nicht um Fußball. Okay, dem Vernehmen nach wird wohl auch dieses Mal wieder Fußball gespielt, aber man kriegt rein gar nichts von den Ergebnissen mit, es ist einfach total egal.

Die Veranstaltung selber hingegen ist überhaupt nicht egal, sondern wahnsinnig unterhaltsam. Kurios ist ja schon, dass das Ganze im Winter stattfindet. Das hat den Ausrichter wohl diverse teure Uhren gekostet, weil man diverse Vereinsbosse schmieren musste, bis die eine WM im Winter für eine geile Idee halten. Was sie aber schließlich taten und deswegen ist das halt erst jetzt.

Was zur Folge hat, dass das, was in Europa eine WM eigentlich ausgemacht hat, nämlich, dass man in Gruppen zusammen draußen Spiele guckt und nebenbei grillt und billiges Bier in sich reinkippt, ausfällt. Ich glaube, dass auch das der Grund ist, warum ständig jeder beteuert, er würde die WM boykottieren: Es fällt halt auch leicht wie nie und selbst wenn man doch mal ein Spiel guckt, kriegt es ja keiner mit, weil man das bei den aktuellen Temperaturen ja sowieso alleine zuhause und vor allem drinnen täte.

Über die vermeintlich neue Erkenntnis, dass Fußball korrupter Scheiß wäre, muss man eigentlich lachen, so behämmert ist das. Schon die deutsche WM damals war gekauft und vermutlich so ziemlich alle davor ebenfalls. Seit Jahrzehnten kann man keine einzige Szene aus einem beliebigem Profispiel sehen, ohne gleichzeitig mit absurd viel Werbung bombardiert zu werden, die einen von Trikots und Banden anschreit. Das Ganze ist nicht erst neuerdings ein Milliardengeschäft aber die ganz eingefleischten Fußballfans tun so, als hätte das trotzdem noch ganz viel mit Sport zu tun und als sei es irgendwie falsch, wenn ein Verein nach einem Brausekonzern benannt wird.

Ich bin der Oberfußballbanause, weswegen sich mir weder die Faszination jemals ernsthaft erschlossen hätte, noch es mir gelingt, mir einen ähnlichen Knoten in den Kopf zu machen, so dass ich diese Doppelmoralitäten irgendwie ausblenden könnte. Zum Glück ist mir aber auch hinreichend egal, wie korrupt Fußball wirklich ist.

Mir scheint aber, dass da jetzt grade echt der Vogel abgeschossen wird. Oder besser gesagt: Ein Vogel nach dem anderen.

Vogel eins war schon die Vergabe nach Qatar. Ein kleines Land, das zumindest aus europäischer Sicht und wahrscheinlich auch zu Unrecht nicht wirklich als Fußballnation wahrgenommen wurde. Was ja nicht schlimm ist. Dass es eine nicht sonderlich sympathische Diktatur ist, macht es aber unappetitlich. Natürlich wurde diese Entscheidung vor über 10 Jahren getroffen. Ich erinnere mich vage, dass das auch damals schon nicht unbedingt ein Beschluss war, der viele Fans hatte. Aber die Aufregung war verglichen mit heute doch eher mäßig. Laut einer aktuellen Doku betrachten qatarische Männer Frauen als eine Art Süßigkeit, weswegen sie möglichst gut verpackt bleiben müssen, während sie Homosexualität bestenfalls als eine Art Geisteskrankheit betrachten – gleichwohl ist sie strafbar. Die Denkweisen in diesem Land sind stand heute einfach nur widerlich und sie werden 2010 wohl kaum besser gewesen sein. Für die FIFA kein Problem. Aber mal ehrlich: Wer ausgerechnet die FIFA zur moralischen Instanz machen möchte, erwaretet doch nichts anderes.

Die nächste Miniposse war die Sache mit dem Alkohol. Wie üblich hat die FIFA als Sponsor einen Weltkonzern in Sachen Bier. Aber weil Qatar ein islamistisch orientiertes Kackland ist, darf man da keinen Alkohol trinken, geschweigedenn bewerben. Die FIFA dachte, sie hätte da so eine Art Sonderregelung ausgehandelt. Und das war ein Irrtum. Keine Ahnung, wie das wirklich gelaufen ist, jedenfalls scheint es auf Seiten der FIFA überraschend gewesen zu sein, dass es in und vor den Stadien jetzt doch kein Bier geben darf. Der Sponsor ist begeistert. Das Schöne an diesem Fail ist immerhin, dass er die FIFA dort trifft, wo es ihr wirklich weh tut: Bei der Kohle.

Nicht nur die FIFA blamiert sich bis auf die Knochen, sondern DFB und Nationalteam haben inzwischen gleichgezogen. Und das lief in drei faszinierenden Stufen der peinlichen Eskalation.

Vor einigen Monaten schon gab es helle Aufregung über eine Kapitänsbinde, die man verkündet hatte, tragen zu wollen. Die sollte so eine Art Regenbogenmuster zeigen, um auf die Problematik mit Homosexualität im Islamismus hinzuweisen. In Wirklichkeit war das aber ein Muster, das mit dem bekannten Regenbogenmotiv, das alle Welt mit diesem Thema verbindet, überhaupt nichts zu tun hatte, sondern das war eine völlig willkürliche Aneinanderreihung von Farben ohne jegliche erkennbare Symbolik. Und so hat sich diese Binde ihre eigene Symbolik geschaffen: Sie steht jetzt für das komplette Unvermögen des Profisports, jemals moralisch auf einer sinnvollen Seite zu stehen, gleichzeitig aber ständig vortäuschen zu wollen, dass dem nicht so wäre.

Dieses alberne Symbol hat man auch auf den Flieger gemalt, der die deutsche Mannschaft ins aktuelle Fußballkrisengebiet brachte. Allerdings nur auf der ersten Etappe, zum Testspiel im Oman. In Qatar mochte man damit dann doch nicht landen. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Man mochte mit seiner für nichts stehenden, selbst ausgedachten, Nicht-Regenbogensymbolik auf dem Flieger, die man sich nur für Qatar ausgedacht hat, nicht in Qatar landen. Mit dieser Absurdität erklomm der DFB Stufe zwei auf der Treppe der Peinlichkeiten.

Die bisher finale Stufe drei ist, dass man diese sowieso nur peinliche Geste mit der Kapitänsbinde kurz vor dem ersten Spiel dann doch wieder strich, nachdem die FIFA interveniert hatte, dass das halt nicht gehen würde. Die Regenbogenbinde, die keine ist, aber nur für Qatar erfunden wurde, wird man also einfach gar nicht zu sehen bekommen, jedenfalls nicht in Qatar.

Das ist alles so wunderbar bizarr und lächerlich – und das ist es schon vor dem ersten Spiel gewesen.

Und wie geil selbst eingefleischte Fußballfans auf ihre Facebookseiten schreiben, dass sie diese WM boykottieren würden! Bei so peinlichen Fans kann es kaum überraschen, dass der ihre Vorlieben bedienende geldgeile Apparat einen moralischen Rohrkrepierer nach dem anderen absondert.

Aber so sehr, wie die Fußballfreunde das ganze verabscheuen, so faszinierend ist diese WM auf einmal für mich geworden.

Und dazu werde ich auch dieses Mal kein einziges Spiel gucken müssen. Fußball ist toll.