Corona-Tagebuch: Sorgen um die Demokratie und Oma anrufen 2.0

Gestern das erste Mal seit Wochen zufällig eine Nachbarin getroffen. Meine Eltern und ich saßen im Garten beim Kaffee. Bei zugegebenermaßen relativ frostigen Temperaturen aber wir sind da hartgesotten und es war einfach schön sonnig. Jedenfalls kam die Nachbarin und sprach auf Sicherheitsabstand ein paar Worte mit uns. Sie ist Risikoperson und war daher wirklich sehr vorsichtig. Aber man sieht ja wirklich kaum noch Leute, wenn man nicht einfach mal zu irgendwem hingeht, wenn man was hört.

Noch schlimmer muss das für die ganz Alten sein, die mittlerweile und aus guten Gründen hermetisch abgeschottet in Wohnanlagen und Heimen leben. Wie meine Oma. Die lebt, glaube ich, ungefähr zwei Jahren in einer Wohnanlage für Senioren und hat es geschafft, innerhalb dieser Zeit dort guten Anschluss zu finden, so dass ihr dort so schnell nicht langweilig wird. Aber bis Anfang März hat sie trotzdem regelmäßig von einem von uns Besuch bekommen, es war mindestens wöchentlich mal jemand da und ist mit Ihr einkaufen gegangen oder hat einfach nur so ein wenig Zeit mit ihr verbracht. Geht nun alles nicht mehr. Blöd für Oma, blöd auch für uns, die wir sie nun einfach gar nicht mehr sehen können. Smartphone hat sie natürlich nicht, sie kommt mit ihren fast 88 Jahren grade so mit ihrem normalen Handy klar (außer, der Akku ist leer, dann braucht sie mich, um das Ding wieder einzuschalten). Man behilft sich mit Telefonieren, was ja besser als nichts ist. Aber auf die Dauer?

Wir erwägen nun, für Oma einen Amazon Echo Show anzuschaffen. Ein Echo steht da sowieso schon seit Jahren, war mal ein Weihnachtsgeschenk von mir. Aber mit einem Show könnte sie uns wenigstens über die Kiste sehen und umgekehrt auch. Vielleicht rufe ich sie die Tage mal an und spreche mit ihr darüber. Wird dann noch interessant, dass Ding dort zu installieren, ohne sie oder sonst wen zu sehen… aber kriegen wir schon irgendwie hin.

Vielleicht nicht mehr aber andere Sorgen macht mir unterdessen die Demokratie. Parteitage finden logischerweise nicht mehr statt, selbst Parlamente tagen nur noch, wenn es wirklich sein muss – und dann, so wie gestern der Bundestag, mit massiven Abständen. Was ich eher für Show halte aber ja, auch Symbolik ist in diesen Tagen dann doch mal wichtig und hilfreich. Die Leute wollen das einfach sehen.

Aber was wirklich spannend wird, wird die Basisarbeit vor Ort sein. Dort, wo normalerweise der Bürger auf Politik trifft. Mein FDP-Ortsverband hatte zum Beispiel geplant, sich mit einer Kita-Eltern-Initiative zu treffen, was natürlich gleich doppelt begründet ausfallen muss, denn zum Einen trifft man sich nunmal mit niemandem mehr, zum Anderen ist das Thema Kinderbetreuung momentan sowieso ein ganz Anderes, als noch vor zwei Monaten, als dieses Treffen vereinbart worden ist.

Aber das ist eben nur eine sehr konkrete Folge von Corona. Es fällt eben grundsätzlich alles aus. Wir hier vor Ort sind in der glücklichen Situation, dass wir schon seit Jahren relativ digital arbeiten. WhatsApp ist unsere ständige Austauschplattform (auch wenn ich WhatsApp hasse) und der Vorstand ist da auch komplett zu erreichen. Das ist keine Selbstverständlichkeit, in anderen Verbänden sieht das völlig Anders aus, da haben teilweise nicht mal alle E-Mail. Während ich sehr froh bin, dass wir E-Mail nur in Ausnahmefällen nutzen…

Wir nutzen auch einen gemeinsamen Terminkalender in Google, schreiben Anträge, Programme und so weiter kollaborativ in Google Docs. Aber das war es dann auch, getroffen haben wir uns bisher dann doch immer „in echt“ einmal im Monat. Was ja auch sinnvoll und richtig ist, nicht zuletzt, weil das öffentliche Stammtische sind, zu denen wir auch jeden interessierten Bürger einladen. Dieser Kanal fällt jetzt ebenso flach wie unsere Infostände und andere Aktionen, aber auch wie die für April geplante Mitgliederversammlung, auf der an sich mal der Vorstand neu gewählt werden sollte, was angesichts vieler neuer Mitglieder auch für den aktuellen Vorstand (von dem ich ein Teil bin) eine gewisse Entlastung hätte bedeuten sollen und so weiter und so fort.

Kurzum: Die Demokratie ist momentan weitgehend kaltgestellt und das macht mir Angst. Wir pflegen einen losen Austausch über unsere WhatsApp-Gruppe aber echte Debatten über aktuelle Themen (oder besser gesagt das einzige aktuelle Thema Corona) finden darüber nicht statt und sollten eigentlich auch nicht, denn dazu ist WhatsApp in Gruppenform zu nervig gebaut. Ein Austausch mit dem Kreisverband findet, abgesehen von der durch ihn kommunizierten Absage sämtlicher Parteitage im Kreis, Bezirk, Land und Bund, überhaupt nicht mehr statt, die parteiöffentlichen Vorstandssitzungen im Monatsrythmus fallen ersatzlos aus.

Als Partei sind wir derzeit praktisch nicht arbeitsfähig und so ähnlich wird es den anderen auch gehen. In einer Zeit, in der aber das Grundgesetz teilweise aus den Angeln gehoben wird, ist das ein ernstes Problem und wir müssen zusehen, dass wir schnell wieder arbeitsfähig werden. Ich mache mir dazu seit Tagen verstärkt Gedanken. Denn so kann es auf Dauer nicht weitergehen – und offensichtlich soll das alles so noch ne ganze Weile dauern.

War sonst noch was? Achja: Plague Inc. kriegt einen Modus, in dem man die Menschheit retten statt vernichten muss. Wollte ich sowieso mal wieder spielen.