Corona-Tagebuch: Krieger des Lichts, Checker des Nichts

Die jüngste Ministerpräsidentenkonferenz hat ergeben, dass am 20. März nicht, wie bisher beschlossen, alle Maßnahmen fallen. Das ist teils gut und, teils schlecht. Man fadet die Maßnahmen jetzt beginnend etwas vorher allmählich aus, behält dafür die Maskenpflicht noch etwas länger und keiner sagt, wie lange eigentlich. Das ist der weniger gute Teil.

Das Tragen der Maske selbst stört mich persönlich inzwischen kaum noch, außer, wenn es über längere Zeit passiert. Was in manchen Berufen sicherlich aber ja der Fall sein dürfte und nun verlängert wurde.

Was ich schlimm an der Verlängerung der Maskenpflicht finde, ist, dass das für arg gebeutelte Branchen bedeutet, dass es weitere Pleiten geben wird.

Letzte Woche war ich im Kino. Es gehen grade nicht sehr viele Leute ins Kino. Was zum einen daran liegt, dass das allmählich verblüffend teuer wird. Vielleicht werden musste. 14 Euro sind schon ne Ansage. Wenn man sich dann noch für 2-3 Euro oder was auch immer das kostet Popcorn holt, muss man nicht die ganze Zeit ne Maske tragen. Okay. Wollte ich jetzt nicht, ich mach mir aus Popcorn auch einfach nichts, also trug ich sie während des ganzen Films. Der Film war Trash aber so viele gute Filme laufen eben auch nicht, was das nächste Problem für die Kinos ist. Und dann müssen die Säle auf Lücke besetzt werden, weil Abstand und so, klar. Was Problem 3 der Kinos sein dürfte. Und die Probleme 1-3 führen offensichtlich zu Problem 4: Weniger Gäste, woraus wieder höhere Preise resultieren müssen, wenn sich das ganze noch rechnen soll und da haben wir sie also, die Todesspirale. In Bars und Kneipen vermutlich nicht viel anders, jedenfalls derzeit.

All das wird vielleicht besser, wenn manche Maßnahmen fallen aber unter dem Strich muss die Maskenpflicht mindestens an bestimmten Orten weg, sonst wird es diese Orte irgendwann nicht mehr geben.

Und weil keiner sagt, ob wir die Maskerade jetzt nur ne Woche oder einen Monat oder die nächsten 10 Jahre fortführen, fehlt auch hier wieder mal jegliche Perspektive. Aber das zieht sich ja so durch. Man legt sich auf nix fest, weil dann müsste man das ja auch so durchziehen und das wäre ja, also wirklich, dann würde man ja die Leute behandeln wie erwachsene, mündige Bürger und das geht nun wirklich nicht.

Heute wurden dafür aber erhebliche Erleichterungen für den Schulbetrieb verkündet, was sicherlich gut und richtig ist. Als besondere Ironie fällt die Schule heute in großen Teilen des Nordens wegen eines (wiederum ironischerweise auf den Tag genau 60 Jahre nach der Katastrophe von 1962 wehenden) Sturmes aus. Zwei Jahre Pandemie und noch immer ist es offenbar nicht möglich, mal kurz spontan in den Onlinebetrieb zu wechseln für einen oder zwei Tage. Wisst Ihr noch, als zu Beginn der Pandemie alle so gesagt haben mal gucken, was nach der Pandemie so bleibt und diese Möglichkeiten Dinge online zu machen würden sicherlich dazu gehören? Tja. Nicht in der Schule jedenfalls.

Die Entwicklung der Zahlen hier mit reinzubringen, hätte ich jetzt fast vergessen. Was sicherlich zeigt, wie scheißegal die inzwischen geworden sind. Im Landkreis gab es die letzten 7 Tage auch wieder über 2000 Fälle. Inzidenz leicht gestiegen auf 1027. Und ja, das ist deutlich unter dem Durchschnitt des Landes und auch des Bundes. Toll, was? Es gibt langfristig einen eindeutigen Trend nach unten aber irgendwann müssen ja auch alle, die irgendwelche Kontakte haben, mal Omikron in freier Wildbahn begegnet sein.

Wenn man sich die Situation insgesamt also anguckt, haben wir gigantische Inzidenzen und gleichzeitig wird über Lockerungen geredet. Und das ist sogar alles irgendwie sinnvoll in der Kombination, denn die Intensivstationen laufen halt nicht über, auch wenn es natürlich viele schwere Fälle gibt – muss ja bei den Zahlen und am Ende ist auch Omikron nicht völlig harmlos.

Nein, ich verlinke diesen Dreck hier nicht.

Aber vielleicht ist trotzdem bald alles vorbei, jedenfalls weitgehend. Das wäre ganz gut, denn die Auswüchse auf Seiten der Coronaskeptiker (also das sind wirklich Leute, die glauben, dass es gar keine Pandemie gibt und so weiter) werden immer lächerlicher. Kostprobe gefällig? Ich präsentiere – in Auszügen – den „Anti-Corona-Song“:

Der geht recht harmlos los mit

Steckt euch die Maske in den Arsch!
Denn wir glauben euren Scheiß nicht,
verjagen euch mit LOVE und Licht.
Steckt euch die Maske in den Arsch!

Und es ist offensichtlich, dass sich da jemand beim Texten zunächst dachte, er macht nen harmlosen aber eingängigen Song für „Spaziergänger“, mit dem man auch normale Leute kriegt – aber dann ist später einfach der Verschwörungsspinner in ihm durchgegangen, wie folgende Zeilen zeigen:

Glaubt ihr wirklich, wir sind alle dumm?
Wir stehen gerade und sind nicht mehr krumm.
Wir sind alle so verschieden,
ihr könnt uns nicht verbiegen.
Jetzt steckt euch den Test in den Arsch!

Diese etwas merkwürdig rüberkommende Analfixierung ist sowas wie der Rote Faden dieses „Songs“, Neben Tests und Maske soll man sich auch noch Quarantäne, Panik, Gewalt, Impfungen, und so weiter worein stecken. Ja gut, wers mag. Natürlich ist jeder „dumm“, der sich gegen Corona irgendwie schützt und nicht total ausrastet, weil wir ne Maske tragen sollen. Kennt man ja.

Es driftet aber in den späteren Zeilen sehr deutlich ins Rechtsextreme ab. Man liebt das „freie Deutschland“ und:

Wir stehen alle hier zusammen,
könnt keinen Dolch in Rücken rammen.

…was spätestens superkrass rechtsextrem ist, wenn man sich an den Geschichtsunterricht und die „Dolchstoßlegende“ erinnert, die ja rückblickend ein antisemitisches Narrativ zur Vorbereitung des Dritten Reichs gewesen ist. Demnach hätten Juden und Sozialisten ja die deutsche Armee quasi von hinten erdolcht und nur deswegen sei der Krieg verloren gegangen und deswegen muss man die jetzt aber echt mal alle umbringen und so weiter. Ziemlich übler Dreck – und so steht es aber in diesem zeitgenössischen Songtext.

Und ausgerechnet diese Strophe endet noch mit zynisch mit dem Hinweis, man solle sich „Gewalt in den Arsch“ stecken. Is klar. Und als wäre das nicht irre genug, folgt darauf dieser Text:

Jetzt müsst ihr dafür euren Preis bezahlen
und zusammen alle in die Hölle fahren.
Wir sind alle voller Liebe und brauchen keine Pharmadiebe.
Steckt euch eure Impfung in den Arsch!

Auch das ein Narrativ, dass mir in Telegram und anderswo öfter begegnet: Die Impfung ist natürlich nichts als Geschäftemacherei. Das denken diese Leute. Und deswegen wollen sie uns alle in die Hölle schicken. Jedenfalls vermute ich, dass sie uns alle meinen.

„Wir sind alle Krieger des Lichts“, meinen sie anschließend. Vermutlich ist das null ironisch oder so gemeint, die denken ja, sie seien erleuchtet. Und dass sie sich für Krieger halten, ist auch klar. In deren Kreisen werden Leute, die sich keine Maske aufsetzen und die immer noch nicht geimpft sind, wie Helden verehrt. Krieger des Lichts? Wohl eher Checker des Nichts.

Dass der Text ganz tief aus dem Verschwörungsspinnersumpf kommt, schnallen wir spätestens bei

Virolügen, Tierarzt, Bankkaufmann – is` klar.
Die Plandemie schreitet voran in diesem Jahr.
Die Merkelschlinge wird jetzt enger, die rote Macht wird strenger.
Steckt euch die NWO in den Arsch.

Gut, die „Merkelschlinge“ wurde inzwischen mittels demokratischer Wahl einfach weggezaubert und zu dem Zeitpunkt, zu dem das Lied „komponiert“ wurde, war vermutlich auch schon klar, dass Merkel nicht antreten würde aber das hat diese Spinner ja nie interessiert.

Am Schluss soll man sich, das war klar, auch „Corona in den Arsch“ stecken.

Gefunden habe ich diesen Songtext auf einer Seite, die die ach so harmlosen Demo-/Spaziergängertermine auflistet. Viel mehr macht die nicht aber sie verbreitet eben diesen Text, plus downloadbarer Studioaufnahme mit Gesang!

Wenn Leute soviel Aufwand in so etwas stecken, meinen sie es vermutlich sogar Ernst, auch wenn der Text absolut nicht dazu einlädt, ihn irgendwie ernstzunehmen. Wir haben es hier offensichtlich mit komplett Gestörten zu tun, die sich immer mehr in ihren Wahnsinn reinsteigern.

Ja klar: Die werden sich direkt im Anschluss der grade wieder anrollende Flüchtlingswelle zuwenden und Ausländer hassen. Und vermutlich dafür dann ihre Songwriting-Skills verwenden und vielleicht auch diese ganzen hübschen Telegramgruppen. Dann wird eben gegen Ausländer spazierengegangen und so.

Aber ich denke, dass das dann noch viel weniger Leute werden, als es jetzt schon immer bei den „Spaziergängen“ waren. Spätestens, wenn die Maßnahmen durch sind, sind wirklich nur noch Bekloppte für diese merkwürdige Form des Protestes offen. Aber wenn derartige Texte dort kursieren, dann wundert mich schon, wie Leute da mitlaufen können, die sich trotzdem selbst einreden, dass sei wahnsinnig unpolitisch und schon gar nicht rechtsextrem motiviert.

Und wenn es dann doch nur so ist, dass die Leute ein Ventil gesucht und in den „Spaziergängen“ gefunden haben, die zu Recht bestimmte Dinge kritisieren, dann müssten vielleicht wir als Demokraten mal selbstkritisch anmerken, dass wir offenbar kein gutes Angebot für so etwas gehabt haben. Es ist ja nicht jede Maßnahmenkritik automatisch schwachsinnig. Ich äußere die selber ständig in diesem „Tagebuch“. Und mich nerven die vielen bescheuerten Entscheidungen wirklich sehr. Ich weiß, dass ich da auch nicht der einzige bin. Aber eine demokratische Demo, die einfach sagt: Masken, Abstände und dies und das sind verständlich und okay, Impfungen sind phantastisch – aber das Schulen keine Luftfilter haben ist scheiße und Luca gehört abgeschafft.

Es wurde glaube ich zuviel schwarz und weiß gemalt und zu wenig konstruktive Kritik geübt und auch gehört. Auch das führt dann eben dazu, dass die Extreme profitieren.

Vielleicht kann das eine Lehre sein aus diesem ganzen Irrsinn. Auch wenn ich mich ehrlich gesagt zu keinem Zeitpunkt eingeschränkt gefühlt habe in meiner Eigenschaft als jemand, der auch öffentlich immer wieder Kritik von sich gegeben hat an konkreten Teilen der Pandemiebekämpfung.

Gleichzeitig habe ich aber auch nie einen Sinn in einer maßnahmenkritischen Demo gesehen. Was vielleicht auch daran liegt, dass ich ja nach wie vor Mitglied dieser Freien Demokraten bin, die sowieso ständig übertriebene Maßnahmen kritisieren, ohne die Existenz einer Pandemie irgendwie zu relativieren. Also an sich hätten die ganzen Spaziergänger auch einfach FDP wählen können… aber ich bin an sich ganz froh, wenn die das nicht tun, denn in weiten Teilen ist das wirklich keine besonders angenehme Klientel, so wie ich die Brüder bisher so kennengelernt habe.