Corona-Tagebuch: Hurra, die Schule brennt

Oder besser gesagt: Die Schule brennt 2.0.

Wer heute auch nur einen flüchtigen Blick in die Sozialen Medien geworfen hat, der kam nicht daran vorbei, zu bemerken, dass offenbar bundesweit die Schulserver zusammengebrochen sind.

Der Grund ist: Die Schule hat begonnen!

Und die findet erstmal weitgehend online statt. Beziehungsweise hätte sie das tun sollen, nur sind die Systeme dafür gar nicht ausgelegt gewesen.

Ist das nicht bemerkenswert? Über ein halbes Jahr Zeit für das gehabt, was privat und beruflich binnen Tagen gestemmt werden musste – und gestemmt wurde – und dann läuft nach so langer Zeit praktisch gar nichts?

Es zieht sich langsam wie ein roter Faden durch diese Pandemie, dass der Staat von allen alles Mögliche und viel Unmögliches und Übermenschliches erwartet – und auch bekommt. Gleichzeitig aber bei den paar Aufgaben, die notwendigerweise er selbst erledigen müsste, komplett versagt.

Und das auf allen Ebenen. In Rathäusern stapelt sich trotz ausbleibendem Publikumsverkehr die Akten, das Impfen ist immer noch eine Katastrophe und die Nichtdigitalisierung der Schulen zeigt sich heute so drastisch wie nie zuvor.

Ich weiß nicht, ob alles davon vermeidbar gewesen wäre. Der Punkt mit den Schulen wäre es definitiv. Man kann selbstverständlich Aussagen darüber treffen, wie leistungsfähig eine digitale Infrastruktur ist. Und das dürfte mit Sicherheit auch geschehen sein. Wenn man das ignoriert, dann bricht eben alles zusammen.

Was sich Deutschlands gesamte Bildungslandschaft da heute geleistet hat (und das wird sicherlich auch morgen noch nicht alles behoben sein), ist dermaßen armselig und überflüssig, dass man jegliche Wut und alles Unverständnis gut verstehen kann, das vor allem Eltern aktuell hegen. Es ist nicht zu verstehen. Vor allem nicht, nach so langer Vorbereitungszeit.

Natürlich ist der Fehler, dass es diese lange Vorbereitungszeit gar nicht gab. Es gab eine lange Zeit, die zur Vorbereitung hätte genutzt werden können. Aber was auch immer so ein Kultusministerium den ganzen Tag lang tut, Konzepte umzusetzen, mit denen sich Schule in Pandemiezeiten irgendwie bewerkstelligen ließe, gehört offensichtlich nicht dazu. Sie veracken den Präsenzunterricht und fordern stattdessen zum Dauerlüften auch bei Minusgraden auf und wenn sich zeigt, dass das offenbar – völlig überraschend für so ein Kultusministerium – nicht funktioniert, veracken sie auch noch das Homeschooling.

Auch ansonsten sieht die Lage gewohnt beschissen aus. Die Inzidenz im Landkreis legt eine lustigen Sägezahn hin – nur, dass sie bei jedem Peak etwas höher kommt. Vorgestern hatten wir 117 überschritten. Jetzt klingt der Sägezahn wieder etwas ab.

Und auch die absoluten Zahlen verbessern sich nicht. Ja, sie verschlechtern sich auch nicht. Aber sie bleiben relativ stabil auf einem Niveau, das ein gutes Stück über dem Vor-Lockdownniveau liegt. Zur Erinnerung: Der begann am 1.11.20 und wurde mit dem 1.12.20 noch mal deutlich verschärft.

Man fragt sich unweigerlich, ob diese Entwicklung eigentlich all die Einschränkungen wert ist. Welchen Erfolg der Lockdown eigentlich überhaupt bringt.

Ja, man weiß natürlich nicht, wie es ohne aussähe. Garantiert nicht besser.

Aber wenn man so massiven Aufwand betreibt, der nicht nur monatlich dreistellige Milliardenbeträge kostet, sondern auch massenweise Insolvenzen nach sich ziehen wird, von den individuellen Problemen ganz zu schweigen (Schule wäre eines davon, Depressionen und Einsamkeit andere), dann wäre es eigentlich schön, wenn da zumindest mal dieses oder jenes Verbot evaluiert werden würde.

Man sollte meinen, dass da im Wochentakt Fragen gestellt werden wie Muss das so? Ist das wirklich optimal geregelt? Wie können wir besser werden?

Ganz normale Fragen, die sich jedes Unternehmen bei jeder möglichen Problemstellung ständig stellt.

Dem Staat sind sie Fremd. Der Staat denkt, er hat nur einen Hammer und für ihn sieht alles wie ein Nagel aus.

Vor vielen Monaten stellte ich mal fest, dass ein Sozialstaat mit einem quasi staatlichen Gesundheitssystem inklusive einer Krankenversicherungspflicht für jeden in einer Pandemie seine Vorteile hat. Das ist so, auch wenn man es garantiert auch weniger sozialistisch und deutlich effizienter und kundenfreundlicher Organisieren könnte, als es das momentan ist.

Aber die Pandemie legt auch schonungslos offen, wo der Bürokratismus einfach nicht in der Lage ist, kreativ und lösungsorientiert zu arbeiten.

Unser Beamtenapparat zwingt uns jeden Tag zu den grandiosesten Pirouetten und Improvisationen, während er selber sich keinen Millimeter bewegen mag, sondern nach seinem Schema F arbeitet, dass doch die letzten hundert Jahre auch so gut funktioniert hat.

Never change a running system ist eigentlich keine dummer Grundsatz. Es wird nur problematisch, wenn man sich selbst belügt und nichts ändern mag, obwohl ein System grade offensichtlich versagt.