Corona-Tagebuch: Der erste Telelumpenball der Welt

Anfang der Woche gab es mal wieder eine Pressekonferenz der Landesregierung. Dabei wurde die Frage gestellt, warum Niedersachsen bei den Impfzahlen eigentlich immer das Schlusslicht bildet.

Eine Frage, die mich auch schon beschäftigt hat. Die Antwort: Weil Niedersachsen nahezu komplett nur die erste Impfdosis verabreicht, die zweite aber vorrätig hält, statt sich darauf zu verlassen, dass schon genug Impfstoff da sei, wenn Personen in die zweite Impfung müssen.

Heißt: Die Hälfte der Impfdosen liegt einfach auf Halde, statt Menschen zu schützen. Von der zuständigen Ministerin (Name habe ich vergessen) wird das als wahnsinnig klug und vorausschauend dargestellt.

Andere machen das anders, von daher glaube ich nicht so richtig, dass man es unbedingt so handhaben muss und mindestens eine gemischte Vorgehensweise wäre garantiert vertretbar.

Aber zumindest ist das eine Erklärung für die desolate Impfsituation in Niedersachsen: Wenigstens ist es kein Versagen Schuld, sondern eine fragwürdige Strategie.

Eine andere Frage, die mich schon beschäftigt hat, war, ob eigentlich Fahrschulen geöffnet haben dürfen. Mein Verstand sagt: Je weniger Menschen auf den ÖPNV angewiesen sind, desto besser für das Infektionsgeschehen und insofern ist Fahrschulbetrieb mindestens in einem gewissen Umfang erstmal eine gute Idee.

Ein Schild 'Fahrschule' auf einem Fahrschul-Auto. Auf diesem Bild haben wir geschrieben: Niedersachsen: Fahrunterrricht trotz Corona weiter erlaubt  *Das hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg entschieden. Fahrunterricht im Auto sei "aufsuchender Unterricht".

Heute morgen las ich dann zufällig, dass genau das nun Gegenstand eines aktuellen Gerichtsverfahrens gewesen ist, dessen Ergebnis ist, dass jedenfalls Fahrunterricht im Auto möglich sein muss.

Aber zurück zur Pressekonferenz. Auf der war das zentrale Thema der neue Stufenplan der Landesregierung Niedersachsen. Und der ist glaube ich aktuell noch nicht online zu finden, weil im Detail noch in der Mache und ohnehin möchte man eigentlich, dass der restliche Bund den auch möglichst weitgehend übernimmt (warum auch immer). Aber auf der Pressekonferenz wurde zum Beispiel mit Hinblick auf die Gastronomie Folgendes in Aussicht gestellt:

  • Bei Inzidenz 25-50 und R unter 0,8 öffnung der Gastronomie, Sperrstunde 23 Uhr, kein Saalbetrieb
  • Inzidenz unter 25: Saalbetrieb bis 100 Personen
  • Inzidenz unter 10: Nahezu Normalität in der Gastronomie.

Was die jeweiligen Stufen für private Treffen bedeuten könnten, wurde erstmal schulterzuckend abgebügelt. Was mich schon wieder sehr geärgert hat, denn ich will aktuell echt nicht in irgendwelche Restaurants oder Kneipen, das macht nämlich maskiert wenig Spaß und es muss einfach nicht sein. Privat mal ein paar Freunde treffen wäre mir hingegen äußerst wichtig – und wenn es nur drei oder vier wären.

Was allerdings erklärt wurde ist, dass wenn die Infektionslage in einzelnen Landkreisen es zuließe, man die Verbote solcher privater Treffen sogar eher lockern können würde, als Regeln für die Gastronomie. Letztere beziehen sich nämlich nur wieder mal auf die Werte Landesweit. Was auch vernünftig ist, denn wenn ein Landkreis seine Gastronomie öffnen darf und die umliegenden nicht, ist auch klar, dass es einen Run auf die paar geöffneten Restaurants gibt. Das macht schon Sinn, auch wenn es nicht hundertprozentig fair ist. Aber was ist schon fair in einer Pandemie?

Jedenfalls kann es sein, dass hinsichtlich privater Treffen in relativ kurzer Zeit Lockerungen hier und da folgen könnten. Wir haben Landkreise, deren Inzidenz längst bei 20 oder 30 liegt. Und es tat gut, mal direkt von der Landesregierung zu hören, dass ihr das sogar aufgefallen ist – obwohl man sonst kaum den Eindruck hat, dass sie sich für irgendwas anderes als den Raum Hannover interessiert. Der liegt aktuell bei einer Inzidenz von 122, was mal kurz sechs mal soviel ist wie die des benachbarten Heidekreises.

Und im Landkreis Harburg?

Hier scheint sich der Abwärtstrend bei den Infektionszahlen zu verstetigen. Die gehen nicht ganz so schnell runter, wie im vergangenen Mai – aber wir haben ja auch immer noch Winter. Was wiederum vermutlich bedeutet, dass wenn man jetzt irgendwas lockern würde, die Zahlen wirklich auch direkt wieder nach oben gehen könnten. Von daher sollte man da wirklich noch etwas vorsichtig bleiben.

Die Inzidenz im Landkreis ist jetzt seit einer Woche stabil unter 50. Allerdings sinkt die auch nicht mehr so richtig, sondern schwankt zwischen 40 und 50 lustig hin und her.

Und unter diesen Vorzeichen haben wir am vergangenen Wochenende die Coronavariante eines Faslamsfestes gefeiert. Ich würde es mal zusammenfassen mit: Besser als befürchtet, trotzdem hoffentlich das letzte Mal, dass es so laufen muss.

Wir haben eine ganze Menge getan, damit das halbwegs lustig werden kann. Wenn man von Sachen wie Saalschmücken, Kranzbinden, Wagenbauen und anderen Tätigkeiten in Gesellschaft absieht, war jedenfalls für mich ein Faslam, das beinahe genau so viel Arbeit gemacht hat, wie in anderen Jahren. Denn wir hatten trotzdem Plakate, die erstellt, bestellt und verteilt werden mussten. Es wurden Care-Pakete gepackt und mussten an alle Mitglieder verteilt werden. Es gab eine Tombola, die organisiert und durchgeführt werden musste und auch die Gewinne mussten (in meinem Fall: müssen) noch verteilt werden.

Und dann gab es den ersten Telelumpenball der Welt. Unser 2. Vorsitzender hat sich da regelrecht selbst verwirklicht und den echten Saal in 2D nachgemalt – und überall lustige Youtube-Videos, Videochaträume, kleine Spielchen, unsere offizielle Faslamsplaylist, einen Fotowettbewerb, das DJ-Pult, ne Klowand und einen Link zum Essen bestellen eingebaut. Sogar den passwortgeschützten Vorstandsraum im Keller gab es – denn auch in echt kommt ja nicht jeder unten auf die Kegelbahn, wo sich z.B. die Faslamseltern auf ihren Auftritt vorbereiten.

Alles sehr liebevoll und witzig gestaltet und es kam auch gut an. Wir hatten volle Hütte, man hat wirklich viele aus dem Dorf und den Nachbardörfern in den Videochats getroffen. Es war lustig und hat Spaß gemacht.

Ich selber habe versucht, stündlich mein Kostüm zu wechseln. Nebenbei habe ich mindestens 18 Bier getrunken. 18 Bier, während ich alleine vor einem Bildschirm saß. Ich glaube, das ist mein bisheriger Rekord.

Am Faslamssonntag, der keiner war, bin ich mittags einmal bis zum Ortsschild Richtung Fliegenberg marschiert und zurück. War dann von der Strecke her nicht ganz ein Umzug aber es reichte für ein bisschen Faslamsfeeling. Vergkleidet war ich als Weihnachtsmann. In einem Korb hatte ich ne Flasche Korn und ein Dosenbier dabei. Und natürlich ne Bluetoothbox für Musik. Es gab erstaunte und begeisterte Blicke bei diversen Kindern, die da am Rodeln waren. Es wurde gehupt und gewunken. Faslam auf Sparflamme.

Gleichzeitig hatten wir das beste Faslamswetter seit vielen Jahren. Strahlender Sonnenschein, kein Wind, blauer Himmel. Einzig der Schnee nervte etwas – oder hätte etwas genervt beim Umzug, weil man über einen verschneiten Deich nicht ganz so leicht ans Wasser kommt, wenn man mal muss… aber abgesehen davon war das Wetter eine absolute Frechheit, angesichts des ausgefallenen Umzugs.

Dafür haben aber viele sowas Ähnliches gemacht wie ich und sind einfach so los. Bisschen was an Kostümen hat ja jeder im Haus, und sei es nur ne Hoopti-Mütze. Faslam muss seinen Willen haben, sagt man. An diesem seltsamsten aller Faslamswochenenden hat sich das auf unterschiedliche Weise gezeigt. Man kriegt so einen Faslam auch mit einer Pandemie nicht tot.

Keine Fotobeschreibung verfügbar.

Und trotzdem wünscht sich jeder, dass wir im kommenden Jahr wieder vernünftig feiern können. Freude über funktionierende Krücken kann eben auch nichts daran ändern, dass es Krücken sind, die man eigentlich gar nicht nötig haben will.