Corona-Tagebuch: Das härteste Weihnachten seit Kriegsende

Das ist ein Laschet-Zitat. Ein irgendwie dummes. Weihnachten wird nicht hart, es wird höchstens hart langweilig und frustrierend. Es wird belanglos, weil alles, was Weihnachten ausmacht, wegfällt. Außer vielleicht dem Baum, den man sich hinstellen kann, für die Stimmung.

Wichtiger als Weihnachten wäre mir persönlich Silvester gewesen. Das wird tatsächlich das härteste Silvester nicht nur seit Kriegsende, sondern in gewisser Weise der letzten tausend Jahre. Man darf nichts. Okay, die Knallerei wurde per Gericht dann doch wieder erlaubt. Ist nur dummerweise nicht meine Methode, Silvester zu feiern und da man ja keine Knaller kaufen darf, könnte ich meine Art Silvester zu feiern auch ohnehin nicht auf Knallerei ändern, selbst wenn ich das wollen würde.

Silvester sitzen wir nun alle alleine zuhause rum, gehen irgendwann pennen, gut möglich, dass das sogar noch vor Mitternacht passiert, weil es einfach scheißegal ist.

Man erlaubt nicht mal, dass sich drei oder vier Leute treffen dürfen. Sowieso kennt die Politik ja immer nur die Stufen fünf, zehn, fünfundzwanzig, fünfzig. Auf die Idee, dass man auch einfach das Feiern zu dritt erlauben könnte, und sei es nur einmal in zwei Monaten, damit man nicht völlig bekloppt wird, kommen die gar nicht.

Wie ich darauf reagiere, weiß ich noch nicht genau. Viel spricht für eine Videokonferenz aber gleichzeitig spricht auch vieles dagegen. Zum Beispiel, dass das allmählich auch langweilig wird, weil mans jede Woche machen muss. Und natürlich ist es aber trotzdem immer noch besser, als gar nichts.

Aber darüber kann ich nach Weihnachten nachdenken. Heute ist der 24. Dezember. Ich werde nachher Raclette mit meinen Eltern essen und gutes Bier, sehr gutes Bier dazu trinken. Meine Eltern haben später den ansonsten einsamen Nachbarn eingeladen, dann in der Zeitung folgende Anzeige der Landesregierung gefunden und Dank der – mit Sicherheit absichtlich so dummen – Darstellung der angeblichen Regeln zunächst gelaubt, man dürfte mittlerweile nicht mal mehr das:

Da steht recht eindeutig, dass man ein Haushalt „plus maximal vier Angehörige“ sein darf an Weihnachten und Kinder nicht zählen. Einzig aus dem „ergänzende Regelung nur für Weihnachten“ sollte man jetzt schließen, dass die Zweihaushalteregel nach wie vor gilt und das, was hier dargestellt wird, keine Verschärfung, sondern eine Lockerung ist.

Ich lese das da nicht raus, auch wenn ich weiß, dass es so ist. Und ich finde es ziemlich bescheuert, solche Anzeigen zu schalten. Wenn man diesen Aufwand schon betreibt, warum schreibt man dann nicht mal eben genau so schön übersichtlich da rein, wie denn die Regeln in Gänze grade aussehen?

Das wäre sowieso mal ne Maßnahme, solange sich diese Regeln im Wochentakt oder sogar noch schneller ändern. Und so war es die letzte Zeit ja. Fast jeden Tag gibt die Landesregierung irgendeine Pressekonferenz. Ich gucke da nur noch sehr sporadisch rein, weil der Inhalt zwei Tage später sowieso wieder bedeutungslos ist und es andere Regeln gibt.

Man setzt also nach wie vor alles daran, den Bürger maximal zu nerven und zu frustrieren. Vielleicht will die Regierung endlich abgewählt werden? Nur dumm, dass es noch zwei Jahre dauert, bis Wahlen sind.

Bundestagswahlen hingegen finden dieses Jahr statt. Und Kommunalwahlen. Und größtenteils haben die dafür gesetzlich notwendigen Versammlungen immer noch nicht stattgefunden, müssten das aber jetzt so langsam mal tun. Ist nur nicht so einfach, weil die eigenen Mitglieder teilweise durchdrehen, wenn auch nur sowas angekündigt wird. Wir hätten auf Kreisebene eine derartige Versammlung am 10. November machen wollen. Das ginge gar nicht, wurde reflexartig von den üblichen Paranoikern geäußert. Man will keinen Stress, also hat man es abgesagt. Aber dabei wohl die unbequeme Frage ignoriert, auf was man das dann verschieben möchte.

Die Inzidenz damals war nicht gut aber immer noch niedriger als heute. Zum Zeitpunkt des Entschlusses der Absage lag sie allerdings wirklich deutlich niedriger und auch die Fallzahlen waren etwa ein Fünftel weniger als zum Beispiel heute. Damals hatten wir ein paar Tage Lockdown hinter uns, heute fast zwei Monate.

Ich wage die Prognose, dass es in weiteren zwei Monaten auch nicht großartig besser aussieht.

Die Inzidenz in unserem Landkreis wackelt so vor sich hin. Hat jetzt einen scheinbaren Peak bei knapp über 100 erreicht. Ist gestern sogar hauchdünn auf unter 100 gesunken und seit vorgestern sind die Zahlen der Differenz im Vergleich zur Vorwoche nur noch einstellig.

Aber das sah vor ziemlich genau zwei Wochen schon mal ganz ähnlich aus und dann ging es eben trotzdem noch mal ordentlich nach oben.

Trotz extremer Lockdownmaßnahmen – die einem entsprechend fragwürdig vorkommen müssen. Seit beginn des Lockdowns am 1. November gab es zwar mal einen ordentlichen Rückgang, fast eine Halbierung. Aber während wir beim Höhepunkt im November bei fast 400 aktiven Fällen hier im Landkreis standen, sind es jetzt nach fast zwei Monaten Lockdown fast 300 und das ist immer noch wesentlich mehr als während der ganzen ersten Welle im Frühjahr.

Ich habe die Social-Media-Leute meines Landkreises mit der Frage genervt, ab welchem Zeitpunkt man denn mit welcher Entwicklung konkret die aktuellen Maßnahmen als Erfolg bewerten würde. Es kam Rumgedruckse und Ausweichen, man mochte sich dazu nicht äußern. Weil ich ein Arschloch bin, habe ich nachgehakt und die Frage einfach in unterschiedlichen Formulierungen wieder gestellt, bis man nicht mehr anders konnte, als zuzugeben, dass die Vorgaben ja nunmal vom Land kommen (was nicht die Frage war, das wissen wir ja alle) und aber auch nur das Land diese Bewertung vornimmt.

Ich gehe zwar davon aus, dass der Landkreis für sich da durchaus auch eine gewisse, wenn auch inoffizielle Sicht drauf haben wird. Aber diese Antwort interpretiere ich als Bestätigung dessen, was ich sowieso schon seit März immer wieder vermute: In Hannover haben sie gar keinen Blick auf regionale Entwicklungen, es sei denn, die laufen mal völlig aus dem Ruder. Man orientiert sich nur an Durchschnitten, regionale Sonderfälle spielen keine Rolle.

Genau deswegen haben sie uns im Frühjahr viel länger als nötig im Lockdown belassen. Genau deswegen war der Sommer trotz guter Zahlen unnötig kurz halbwegs locker. Genau deswegen nervt die Zeit jetzt, von der wir wahrscheinlich nicht mal die Hälfte geschafft haben, so viel mehr.

Zentralismus nervt immer. Aber wenn er zu extremen Maßnahmen führt und diese obendrein nichts bewirken, nervt er ganz besonders.

Das tat er im Sommer natürlich viel mehr als jetzt. Jetzt ist es eigentlich auch egal. Hätte ich was zu sagen, würde ich den Lockdown auch nicht aufgeben wollen, nur weil er offensichtlich die Lage immer noch nicht verbessert hat. Denn kein Lockdown würde sie eben auch nicht verbessern, eventuell aber verschlechtern und dann hätte ich als Entscheider die Torte im Gesicht. Ich verstehe das und würde nicht anders handeln.

Unverständlich hingegen finde ich, dass man, abgesehen von den zurückgenommenen Lockerungen für die Feiertage, dem Geschehen schulterzuckend zusieht. Man ist offenbar zuende mit seinem Latein.

Dabei könnte man noch viel mehr Einschränkungen erlassen. Von denen ich nicht weiß, wie sinnvoll sie sind aber Schulen und Kitas sollen nach wie vor im Januar wieder öffnen und Bus und Bahn dürfen nach wie vor Menschen befördern.

Es gibt Paranoiker, die finden, man sollte jetzt „endlich“ auch mal alle Supermärkte schließen. Wer auf solche Ideen kommt, lebt für mich fern jeder Realität, weil er verkennt, was dann passieren würde. Denn die Tage vor der Schließung hätten wir die krassesten Hamsterkäufe und Schlägereien in jedem jedem Aldi – und danach wahrscheinlich Plünderungen. Das Kind mit dem Bade ausschütten wäre wohl die treffende Redewendung…

Trotzdem will ich nicht ausschließen, dass die Regierung irgendwann zu diesem Mittel greift. Einfach, weil der Bürger daran gewöhnt ist, dass die Regierung irgendwas tut. Er erwartet es regelrecht und er ist leider und gerade in Deutschland so dermaßen debil staatsgläubig, dass er auch nach all diesen Erfahrungen der letzten Monate immer noch glaubt, der Staat könnte eine Pandemie kontrollieren oder gar beenden.

Aber die wahre Erfolgsbilanz des Regierungshandelns während der Zeit des aktuellen Lockdowns ist folgende Kurve der jeweils aktuellen Fallzahlen:

Wohlwollend könnte man feststellen, dass zumindest gemessen an den Fallzahlen das Regierungshandeln bestenfalls wirkungslos geblieben ist. Das wäre natürlich verkürzt, weil wir nicht wissen, wie die Kurve ohne Lockdown aussähe – geschenkt.

Aber die Situation hat sich trotzdem nicht nennenswert verbessert und da man am Anfang des Lockdowns das Ziel ausgerufen hatte, das Weihnachten und Silvester Treffen möglich sein sollten, hat man eben auch die selbstgesteckten Ziele nicht nur nicht erreicht, sondern eigentlich das Gegenteil erreicht.

Man könnte es Staatsversagen nennen aber eigentlich ist das Versagen hier eher, dass überhaupt daran geglaubt wurde, der Staat könnte eine Pandemie lenken. Kann er halt nicht.

Und der Grund dafür ist, dass das einfach nicht in seiner Macht liegt. Der Grund, den manche darin sehen (wollen), dass die Zahl der Idioten, die sich an nichts halten, dramatisch gewachsen sei, kommt mir vor wie eine Schutzbehauptung derer, die nicht sehen wollen, dass der Staat soviel weniger mächtig ist, als sie sich selbst einreden.

Staatsgläubigkeit als Quasireligion. Und selbst die unzweifelhafte harte Realität bringt da manche nicht weg von ihrem nicht rationalem Glauben. Ein spannendes Phänomen. Und ein sehr gruseliges. Denn auch diese Menschen dürfen ja alle wählen…

Das andere Extrem ist hier natürlich kein Stück besser. Hier glaubt man vielleicht weniger an den Staat, dafür dahergelaufenen noch viel blöderen Quacksalbern und Wunderheilern. Die einem ihrerseits zwar vorkommen, als seien sie die größten Volltrottel. Aber in Wirklichkeit sind sie vor allem extrem geschäftstüchtig und pressen aus ihrer „querdenkenden“ Klientel Millionen raus. Jan Böhmermann hat dazu letzte Woche gemeinsam mit Netzpolitik.org eine aufschlussreiche Recherche präsentiert.

Nach der einem diese ganze „Querdenken“-Nummer endgültig wie ein gigantisches Pyramidenspiel für Vollidioten vorkommt.

Nachzulesen hier, in unterhaltsamer Form als Video hier:

Das Coronajahr endet im Grunde, wie es die ganze Zeit schon lief: Mit schrillen Tönen an den extremen Rändern – und der riesigen von diesen Idioten wie von der Pandemie insgesamt genervten Masse dazwischen.

Auch wenn man es denen, die daraus ein erfolgreiches Geschäft gemacht haben, echt nicht gönnt: Dass die Leerdenker buchstäblich für ihre Dummheit zahlen, erfüllt mich heute dann doch mit einem tiefen Gefühl der Gerechtigkeit und geradezu weihnachtlicher Zufriedenheit.