Corona-Tagebuch: Das härteste Silvester seit Kriegsende

Es ist kurz nach 18 Uhr am Silvestertag. Jetzt ballert es allmählich dann doch hier und da. Aber viel später am Tag als sonst und auch sehr viel verhaltener. Ein bisschen was hatte man auch die Tage vorher schon gehört, keine Frage. Aber alles viel weniger. Jetzt geht es dann aber doch allmählich los.

Drüben in Hamburg ist, wenn ich es richtig verstanden habe, wohl Feuerwerk komplett verboten geblieben. Wurde hier ja auch versucht, widersprach dann aber wohl doch irgendwelchen Gesetzen. Stattdessen blieb der Verkauf verboten.

Der verbotene Verkauf blieb natürlich ebenfalls verboten aber das ist er jedes Jahr und trotzdem werden jedes Jahr zigtausende Polenböller gezündet. Ich bleibe bei meiner Prognose, dass das in diesem Jahr sicherlich noch etwas mehr als sonst sein werden, man kriegt ja nichts anderes als illegale Böller…

Ob sich die Rechnung, dass man durch das Verbot nicht mehr, sondern weniger Verletzte kriegt, ist für mich irgendwie auch schon das Spannendste an diesem Silvester. Was ganz schön traurig ist. Aber Silvester 2020 ereilt letztlich das gleiche Schicksal wie Himmelfahrt 2020 oder auch Weihnachten 2020. Oder mein 40. Geburtstag oder zahllose andere Anlässe, die man normalerweise irgendwie anders als praktisch gar nicht gefeiert hätte.

Ein Jahr für die Tonne. So gesehen endet es wenigstens standesgemäß, wenn es langweilig endet.

Diesen letzten Tag des Jahres habe ich bisher verbracht mit:

  • Cyberpunkspielen
  • einem kurzen Outdoor-Geburtstagsbesuch mit ein paar (selbstgebrauten) Bierchen
  • Kaffeetrinken mit Berlinern zusammen mit meinem Bruder und Anhang…
  • …und dabei noch mal ein kurzer Videoanruf gen Oma, die wohl mit ihrer über 90-jährigen Nachbarin feiern wird.

So gesehen war der Tag bisher eigentlich nicht ganz so öde, wie er mir jetzt grade vorkommt aber es ist halt Silvester und unter normalen Umständen würde ich mich jetzt grade auf eine regelmäßig äußerst legendär ausartende Party freuen, bei der ich viele gute Menschen sehe, von denen ich manche vielleicht auch länger nicht mehr gesehen habe. Das zieht halt etwas runter.

Wirklich nur etwas. Wenn ich ehrlich bin, rechne ich seit Monate damit, dass Silvester exakt so trostlos aussehen wird, von daher ist es jetzt auch nicht so supertragisch, dass die Erwartung eingetroffen ist.

Mit meinen Eltern, die heute Abend auch nichts weiter machen werden, als Fernsehen, werde ich gleich Raclette essen. Ich glaube, das habe ich zuletzt als Kind an Silvester gemeinsam mit meinen Eltern getan.

Anschließend werde ich irgendwann zu einem Freund rübergehen und da mit ein paar gemeinsamen Bierchen ins neue Jahr rutschen.

Gibt Schlimmeres. Aber es bleibt trotzdem das „härteste Silvester“. Vielleicht nicht seit Kriegsende aber jedenfalls für mich der letzten 40 Jahre, jedenfalls in gewisser Weise.

Zum Jahresabschluss meiner Tagebuchreihe hier noch mal schnell die Entwicklung der Coronazahlen seit Beginn des Herbst-Lockdowns:

Das da ist dann also das Ergebnis all dieser Mühen und Entbehrungen, der sozialen Isolation, des absolut-gar-nichts-mehr-feiern-dürfens.

Ein Erfolg sieht sicher anders aus. Und es wird kommen, wie ich es mindestens seit Beginn dieses Lockdowns ebenfalls schon vermutet habe: Natürlich endet der nicht am 10. Januar, wie versprochen. Er wird auch nicht Ende Januar enden oder im Februar. Mit Glück vielleicht im März, eher April.

Was jetzt auch schon wieder fast egal ist, denn jetzt sind die ausgefallenen Feste ja sowieso alle gewesen.

Das erfreulichste an diesem Nicht-Silvester ist zumindest die Gewissheit, dass das neue Jahr schlimmstenfalls genauso öde werden kann, wie dieses. Das klingt jetzt vielleicht wenig erfreulich. Aber das Jahr 2021 wird beginnen, ohne dass man irgendwelche ernsthaften Erwartungen an es haben könnte.

Das Jahr 2021 kann uns unmöglich enttäuschen, denn wir erwarten ja sowieso nichts von ihm.