Corona-Tagebuch: Ausgangssperren im Landkreis Harburg

Heute Vormittag hat der Ministerpräsident Niedersachsens im Landtag bestätigt, was er gestern schon verkündet hat. Nämlich, dass Kommunen ab einer Inzidenz von 100 das Instrument der Ausgangssperre prüfen müssen und ab einer Inzidenz von 150 die Anordnung von Ausgangssperren angeordnet werden soll, wobei die Entscheidung letztlich in den Kommunen liegt.

Ausgangssperre heißt: 21-5 Uhr darf man nur aus sehr wichtigen Gründen vor die Tür gehen.

Wir haben heute den vierten Tag in Folge, an dem der Landkreis die 100er-Marke reißt, weswegen dann wohl demnach im Kreishaus die Ausgangssperre momentan geprüft wird. Offizielle Verlautbarungen darüber gibt es derzeit keine.

Ich halte natürlich nach wie vor nichts von Ausgangssperren und hoffe einfach, dass man hier im Landkreis zu der Überzeugung kommt, dass die nun auch nichts ändern werden. Aber wer weiß?

Die Lage spitzt sich unterdessen weiter zu. Wir haben heute die höchste Zahl an aktuell Infizierten jemals erreicht: 419. Das ist ungefähr das Doppelte des Spitzenwertes der ersten Welle im vergangenen Jahr um diese Zeit und ein wenig mehr als der Spitzenwert im letzten November auf dem Höhepunkt der zweiten Welle.

Ungünstig daran ist nur, dass es noch nicht der Gipfel ist und schon noch eine ganze Weile weiter so dramatisch ansteigen könnte.

Die Inzidenz hat sich seit gestern immerhin nicht weiter gesteigert. Aber die ist mit ihren gut 110 auch so schon auf dem zweithöchsten Wert – und der von Anfang Januar war mit 119 jetzt auch nicht so viel größer.

Zusammengefasst könnte man die Situation als mäßig bis saumäßig bezeichnen, mal wieder so ungewiss wie nie. Ich sehe die Chancen auf ein moderates Himmelfahrtsfest zumindest in legaler Form mehr und mehr schwinden.

Interessant ist aber auch, wie die Politik darauf reagiert. Nämlich praktisch gar nicht. Sie haben halt mit ihrer Panne zur „Osterruhe“, die in ihrem Zynismus jetzt schon für mich das Unwort des Jahres darstellt, komplett in die Nesseln gesetzt und mit der Rücknahme noch einmal gezeigt, dass sie keine, aber auch wirklich gar keine Ideen haben.

Nicht, dass das eine neue Erkenntnis wäre aber selten wurde das so deutlich, wie aktuell.

Vorhin habe ich „Fiete Gastro“ gehört – Tim Mälzers Talk. Gast war Olaf Scholz und das Gespräch fürchterlich erkenntnisreich. Denn auch da kam immer wieder durch, wie komplett rat- und mutlos die Leute da sind. Zum Beispiel erklärt Scholz da, dass man offenbar allen Ernstes die Erwartung hatte, mit den Maßnahmen im letzten Oktober (die sich gefühlt auf FFP2-Pflicht eindampfen lässt) die Ausbreitung der neuen Mutation, die offensichtlich der Treiber der aktuellen Welle ist, stoppen zu können. Das hätten die Experten so gesagt.

Wers glaubt. Diese Experten treten ja zum Glück auch mal in eigenen Podcasts und anders wo auf und zumindest ich habe Drosten noch aus dem frühen Herbst sinngemäß mit der Aussage im Ohr, dass die Mutation so oder so schon hier gut unterwegs sei und man daran auch nicht mehr viel ändern könnte.

Was müsste man jetzt idealerweise tun? Weiß ich auch nicht.

Schwerwiegende Fehler liegen in der Vergangenheit, den Impfstoff, den die EU warum auch immer so spärlich und langsam eingekauft hat, kriegen wir halt ohne Zeitmaschine jetzt auch nicht schneller ran.

Angeblich sollen zumindest nach den Osterferien massenweise Schnelltests da sein, damit man Dinge wie Schule künftig machen kann. Kann sein, dass das eine gute Sache ist. Ich glaube, es war Herr Weil persönlich, der im Landtag heute sagte, dass man dann ja auch endlich mal sehen würde, inwiefern Corona in Schulen und in Kitas wirklich ein Problem sei. Ja, das hoffe ich auch – denn dass man dort komplett ohne jede Evidenz die ganze Zeit der Meinung gewesen ist, dass man das problemlos so weiter machen könnte, irritiert ja nicht nur mich nach wie vor sehr. Vielleicht haben wir in ein paar Wochen Gewissheit darüber, dass das total unverantwortlich war, vielleicht weiß ich dann aber auch, dass ich darin geirrt habe, offene Schulen und Kitas für verantwortungslos zu halten.

Aber dass die echte Testerei jetzt erst losgeht ist halt eigentlich auch so ein Fehler, der in der Vergangenheit liegt. Diese Tests sind nicht neu, die gibt es schon länger. Warum nutzt man sie erst jetzt?

Das jetzt kann man übrigens wörtlich nehmen, denn exakt heute haben die Testzentren der Stadt ihren Betrieb aufgenommen und nun kann man sich einmal die Woche dort gratis in einem Drive-In auf der Bleiche in der Innenstadt oder einer der vier Außenstellen testen lassen. Der tiefere Sinn gerade dieser Testeinrichtungen leuchtet mir zwar immer noch nicht ein, denn viel, viel nötiger wären solche Tests unmittelbar vor dem Supermarkt oder irgendeinem anderen Ort, an dem man auf andere Menschen trifft.

Die zentrale Teststation auf der Bleiche hat montags und mittwochs von 9 bis 15 Uhr, dienstags und donnerstags von 13 bis 19 Uhr, freitags von 10 bis 19 Uhr sowie samstags von 9 bis 15 Uhr geöffnet. Auch an Gründonnerstag, Karfreitag und Karsamstag wird zu den
angegebenen Zeiten getestet.

In den aufgeführten Ortsteilen werden jeweils an zwei Tagen in der Woche Tests auf eine Infektion mit dem Coronavirus durchgeführt. Am Montag und am Freitag finden jeweils von 15 bis 18 Uhr im Dorfgemeinschaftshaus Stöckte (Sportplatzweg 16) Testungen statt. Zur
gleichen Uhrzeit, allerdings an den Wochentagen Dienstag und Freitag, wird auch im Dorfgemeinschaftshaus in Borstel (Turnhallenweg 6) getestet. Ebenfalls dienstags und freitags kann man sich in Pattensen und Luhdorf testen lassen. Jeden Dienstag von 9 bis 12 Uhr und jeden Freitag von 15 bis 18 Uhr werden die Testungen in den Schützenhäusern Pattensen (Hirtenbrink 59) und Luhdorf (Luhdorfer Waldweg 14) durchgeführt.

Auf der Bleiche können die Testungen sowohl in den vor Ort errichteten Räumlichkeiten im „to go“-Verfahren als auch mit dem Auto im Vorbeifahren in der „drive in“-Station durchgeführt werden. Nach jetzigem Stand sind für beide Möglichkeiten keine Terminvereinbarungen nötig. Das gilt zunächst auch für die Tests in den Neben-Zentren. Je nach Nachfrage kann es allerdings sein, dass vorherige Terminabsprachen erforderlich werden. Auch eine Anpassung der Öffnungszeiten an den Bedarf kommt nach ersten Erfahrungen in Betracht. Wurde eine Person getestet und das Testergebnis ist negativ, so erhält sie darüber eine Bescheinigung mit einer Gültigkeit von 36 Stunden.

Zitat aus der Pressemitteilung der Stadt Winsen von gestern, dem 25.3.2021 zu den geplanten Schnelltestzentren

Trotzdem sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung und vielleicht wird es diese Tests ja dann – bei einer etwas weniger krassen Infektionslage als jetzt – auch wirklich vor jedem Restraurantbesuch geben können.

Auch das eine Erkenntnis übrigens aus dem jüngsten Mälzer-Podcast: Tests gut und schön. Aber wenn der Wirt für jeden Cappuccino auch noch nen Schnelltest für 5 Euro veranstalten muss, wird das Ganze für den Gast denkbar unattraktiv oder für den Wirt ein ökonomisches Fiasko. Auch ein Punkt, den man im Hinterkopf haben sollte. Lösung? Ja, im Zweifel muss dann wohl der Steuerzahler diese Tests zahlen. Hielte ich in dem Fall auch für praktikabel, denn das ist im Zweifel billiger, als dem geschlossenen Cafe komplett die Miete zu bezahlen.

Olaf Scholz entgegnete auf diese Bedenken übrigens sowas wie er fänd es seltsam, wenn er nun aus seinem Haushalt für VW und BMW Testkits finanzieren sollte. Ja, Olaf, das wäre es auch. Aber weder VW noch BMW müssen ihre Geschäftstätigkeit ohne diese Tests einstellen…

Was ansonsten noch zu berichten wäre, dass ich in dieser Woche wieder mal an reichlich Onlineveranstaltungen teilnehme.

Der Arbeitskreis Jugendrat kam zum Beispiel zum Abschluss. Das war so eine Geschichte, zu der ich in Präsenz im letzten Jahr nicht erschienen bin, weil ich es albern fand, für sowas irgendein Infektionsrisiko einzugehen. Rückblickend finde ich, dass man die Geschichte bei einem physischen Treffen auch nicht besser hätte besprechen können. Wir haben auf die Art einfach alle Zeit und Sprit gespart und wesentlich entspannter fand ich es auf diese Art auch.

Gestern kam noch eine Sprechstunde zum Thema Wahllistenaufstellung bei der im September anstehenden dazu. Auch das war aufschlussreich. Meine wesentliche Erkenntnis: Man kann sowas theoretisch online abhalten, muss dann aber die Wahlergebnisse schriftlich noch irgendwie bestätigen und wenn man pech hat, gibts nächstes oder übernächstes Jahr irgendwelche Gerichtsurteile, die dieses Verfahren für ungültig erklären und dann hat man einfach mal möglicherweise keine Leute mehr im Rat. Ein Alternativweg wären Delegiertensysteme, in denen man drei Leute auswählt, die vorher Online ausbaldowerte Listen in Präsenz noch einmal wählen. Das soll dann etwas sicherer sein. Aber wenn irgend möglich, sollte man sowas halt schon in Präsenz machen, einfach, wegen der unsicheren Rechtslage.

Morgen früh folgt dann ein weiteres Webinar zum Thema Kommunalpolitik. Mal gucken, wie das so wird.

Mindestens die beiden letzten Veranstaltungen hätte ich live nie besucht, schätze ich. Die wären in Hannover oder sonstwo gewesen und da fahre ich für sowas einfach nicht mal kurz hin. Ich habe die Hoffnung, dass solche Sachen auch nach der Pandemie weiter so gehandhabt werden. Ich bin ein geselliger Mensch und ich finde es auch immer wieder lustig, Menschen wirklich zu treffen, die man nicht so oft sieht, gerne auch im Umfeld von Partei-Engagement. Aber das muss nicht alle vier Wochen sein, sondern da genügen mir die 2-3 Parteitage, die ich maximal in einem Jahr so besuche, erstmal völlig.

An einen solchen wurde ich vor ein paar Minuten schon mal erinnert. Soll Anfang Juni stattfinden. In Präsenz. Glaube ich daran, dass das was wird? Ich bin nicht sicher.