Corona-Tagebuch: Auf dem langen Weg zurück zur Normalität

Kein Tag ohne Regierungspressekonferenz. Aber an diesem wurden relativ umfassende Lockerungen in Aussicht gestellt.

Seit dem 25. April gab es keinen Tag mehr, an dem die Zahl der aktiven Infektionsfälle im Landkreis netto gestiegen ist.

Die Teilweise sogar bereits jetzt schon gelten, zum Beispiel dürfen Museen und Tierparks wieder öffnen. Natürlich mit gewissen Beschränkungen, zum Beispiel nur für eine überschaubare Personenzahl und so.

Restaurants, Spielplätze, sämtliche Geschäfte dürfen wieder öffnen. Kneipen und Bars noch nicht. Und es gilt in vielen Fällen Masken- und Abstandspflicht. Nur auf Spielplätzen nicht, offenbar geht die Regierung davon aus, dass Kinder sich quasi von Natur aus verantwortungsbewusst verhalten oder zumindest gegen Infektionen immun sind, man weiß es nicht…

Man darf sich in gewissen Grenzen auch wieder besuchen. Man darf wieder Oma besuchen. Oder Tennis oder Golf spielen. Fußball theoretisch auch – aber halt nicht mit 11 Mann gegen 11 Mann, das sind zu viele. Außer man ist Profi, dann ist man, genau wie Kinder auf Spielplätzen, irgendwie immun oder so. Das ist der Teil, den ich nicht begriffen habe.

Jedenfalls befinden wir uns offenbar auf dem Weg zurück zur Normalität. Der wird länger sein, als man jetzt vielleicht vermutet. Es gibt ja auch immer noch eine ganze Reihe von Dingen, die nicht wieder sind wie früher. Man meidet nach wie vor Kontakte und die Ansammlung von zu vielen Menschen. Nur, dass diese Anzahl von 2 auf irgendwas anderes angehoben wurde. Ich bin nicht sicher, ob diese Zahl schon klar definiert wurde, habe sie jetzt so nirgends gelesen, habe ich vielleicht aber auch nur übersehen.

Über allem hängt aber jedenfalls das Damoklesschwert namens Infektions-Obergrenze. Überschreiten die Neuinfektionen die Zahl von 50 pro 100.000 Einwohner, dann wird das Bisschen neu gewonnener Freiheit sofort wieder gestrichen und der Lockdown kehrt für den bestimmten Landkreis wieder zurück. Ich hoffe, dass sich niemand einbildet, dass diese Drohung als Drohung funktioniert, sondern wirklich als reine Maßnahme zur Bekämpfung der Infektionen gedacht ist. Sonst wäre das wirklich sehr naiv.

Kleiner Gag am Rande: Die Wirrkopfregierung in Bayern hat es hingekriegt, für den Rest dieser Woche das allgemeine Abstandsgebot versehentlich abzuschaffen. Söder hatte ja diese Phase, in der er einfach mal so tun wollte, als sei er wahnsinnig kompetent und mordsmäßig Engagiert dabei, Corona zu bekämpfen (nachdem er die Kommunalwahl nicht verschoben hat, die Corona damals vermutlich ordentlich Schwung gegeben hatte). Und in diesem Überschwang ja ganz besonders harte Regeln eingeführt. Man durfte die Wohnung zum Beispiel offiziell nur aus triftigem Grund verlassen. Was natürlich eine komplett andere Regelung als im Rest Deutschlands war, wo man die Wohnung zwar auch ohne triftigen Grund verlassen durfte, das aber ja auch keiner getan hat, weil draußen so ziemlich alles verboten war, was über das eigene Grundstück hinaus gegangen wäre.

In der Praxis hat sich diese Sonderregelung also wohl nicht so irrsinnig viel anders angefühlt, als sonst überall. Aber sie war eben anders formuliert. Und eben diesen Sonderweg hat die Regierung Montag angekündigt, heute aufzuheben, die Ausgangsbeschränkung ist also außer Kraft und auch Bayern dürfen jetzt wieder ohne jeden Grund vor die Tür gehen.

Aber blöderweise hatte man mit dem Aufheben dieser Verordnung ersatzlos auch die allgemeinen Abstandsregelungen aufgehoben – und zwar bis zum 11. Mai, also kommenden Montag, an dem die heute ausbaldowerten neuen Regeln in allen Ländern, also auch Bayern, in ihrer jeweiligen spezifischen Ausgestaltung in Kraft treten werden. Das ist von den nicht wenigen Fails, die sich Markus Söder während dieses ganzen Corona-Zirkus‘ geleistet hat, der bisher lustigste, muss ich sagen: Beim Versuch, besonders harte Regeln zu machen, hat er nun die bundesweit laschesten, jedenfalls für fünf Tage eingeführt.

Die Fake-News-Welle erreicht unterdessen auch facebookferne Schichten wie meine Eltern. Jemand hätte ihr so ein Video geschickt von einem Journalisten, der dummes Zeug über Corona erzählt, teilte meine Mutter mir vorhin mit. „Ken Jebsen?“ fragte ich. „Ja! Genau so hieß der! Woher kennst Du den denn?“

Für facebookferne Schichten sind Typen wie Jebsen und überhaupt dieser ganze Verschwörungskladderadatsch komplettes Neuland. Das ist einerseits beneidenswert.

Anderereits weiß man nie so genau, was passiert, wenn sie dann doch mal einen kleinen Ausflug in diese seltsamen Welten machen – oder eben von anderen da reingezogen werden. Meine Mutter hat offenbar souverän umgehend Jebsen als Idiot identifiziert. Was deutlich für sie spricht.

Ich hielt noch einen Kurzvortrag zum Thema RT Deutsch, wo ein guter Teil dieses ganzen Unsinns herkäme. RT Deutsch sagte meinen Eltern auch nichts. Ebenfalls sehr beneidenswert.

Das wiederum spricht allerdings eher nicht so sehr für die Effizienz von Jebsen, RT Deutsch und den ganzen anderen Blödis, dass sie erst jetzt bei Leuten wie meinen Eltern aufschlagen.