Corona-Tagebuch: 8 Wochen Lockdown

Vorgestern Nacht brannte ein hier im Dorf abgestellter Imbisswagen. Die Polizei geht von Brandstiftung aus. Vermutlich durfte dieser Imbisswagen die letzten Monate nichts mehr verkaufen, kostete also seinen Eigentümer viel Geld, während der keine Einnahmen haben durfte.

Aber auch sonst brennt es verhältnismäßig häufig. Unter anderem natürlich auch, weil die Leute eben viel mehr zuhause rumhängen und daher zuhause mehr passieren kann als sonst. Aber trotzdem brennt es wirklich oft.

Und auch sonst mehren sich Berichte von Fällen, in denen Menschen durchdrehen. Aktuelles Beispiel: Im (wirklich kleinen) Dorf meiner Freundin gab es gestern Nacht einen SEK-Einsatz, der offenbar sein Haus anzünden und seine Familie umbringen wollte.

Unterdessen geht die Infektion hier im Landkreis in großen Schritten zurück. Vorerst.

Laut der gestern gemeldeten Zahlen sind wieder 21 Menschen genesen, wieder ist niemand weiteres verstorben. Wir sind in Woche 8 des Lockdowns und die Zahlen der aktiv Infizierten sind inzwischen wieder auf dem Stand von Woche 3 angekommen.

Bundesweit verdoppelt sich die Zahl der Infizierten jetzt erstmals nur alle gut 100 Tage.

Screenshot, Quelle

Die Situation in den Kliniken ist entsprechend entspannt. Jedenfalls, was die Belegung der Intensivbetten betrifft. Nicht so sehr, was die Finanzen betrifft.

Corona auf dem Rückzug? So sieht es momentan jedenfalls aus. Aber nach den letzten 8 Wochen fällt es schwer, jetzt schon an ein baldiges Ende dieses ganzen Zirkus zu glauben. Einerseits spricht viel dafür, dass wir wirklich auf dem guten Weg sind, als der er scheint. Auch mit den kommenden Lockerungen bleibt eine ganze Menge an Einschränkungen, dass eine Verbreitung des Virus wie zu Beginn eigentlich verhindern sollte. Dann gibt es verschiedene wissenschaftliche Theorien über eine Hintergrundimmunität, die die Ausbreitung sowieso etwas hemmt. Dann die These, dass wärmere Temperaturen die Ausbreitung bremsen. Dann bleiben ja Großveranstaltungen bis auf Weiteres immer noch verboten – die hatten sich ja in der Vergangenheit, vor allem im frühen Hot Spot Heinsberg als die größten Virenorgien entpuppt. Dinge wie Home Office werden auch noch eine Weile bleiben und ich schätze, dass in Bussen und Bahnen, wo Abstandhalten sowieso nie realistisch gewesen ist, vielleicht sogar die ansonsten zweifelhafte Maskenpflicht ihren Beitrag leisten könnte.

Alles in Allem also viele gute Gründe, aus denen es wirklich bei der guten Entwicklung bleiben könnte und wir vielleicht erstmals an sowas wie eine Rückkehr zur Normalität in bescheidenem Umfang denken können.

Aber andererseits gibt es eben auch viele unbekannte Faktoren. Immer noch weiß man über das Virus und seine Verbreitung viel zu wenig. Immer noch ist es einfach da, bleibt es also so gefährlich wie vorher und hängt da wie ein Damoklesschwert. Wenn Corona nun wie die Grippe jede Saison in seiner jeweiligen Mutation so zuschlägt wie 2020, dann haben wir bis zur Verfügbarkeit eines immer noch in weiter Ferne stehenden Impfstoffes regelmäßig diese Beschränkungen, oder wie soll das laufen?

Naja und dann muss sich eben auch erstmal zeigen, wie sich die ganzen Lockerungen denn nun tatsächlich auswirken. Man kann mir da erzählen, was man will aber Abstände werden Schüler egal welchen Alters garantiert nicht halten, wenn man sie nach 8 Wochen Zwangspause, in denen sie einander eben auch so nicht sehen durften, mal wieder aufeinander loslässt. Für Kita-Kinder gilt das wahrscheinlich sogar noch mehr. Es gilt ja sogar für Erwachsene, sobald man sie zwingt, eine Maske aufzusetzen, mit der sie plötzlich denken, sie wären Superman und unverwund-, beziehungsweise uninfizierbar.

Viele Fragezeichen also und wie in den letzten Wochen, aus denen inzwischen Monate geworden sind, bleibt wieder mal nur: Abwarten, bis sich irgendwelche vagen Erkenntnisse abzeichnen. Aus denen die klügsten Männer der Welt dann wieder vage Änderungen im aktuellen Corona-Regelwerk ableiten können. Von denen allerdings wie immer auch keiner so genau weiß, wie sinnvoll sie sind.

Kollektives Stochern im Nebel. Dass es trotzdem bisher hier abgesehen von den wachsenden wirtschaftlichen und damit verbundenen privaten Katastrophen relativ gut gelaufen ist, ist vielleicht mehr Glück, als man sich eingestehen mag, wer weiß.