Mövenpick und so

Es ist Wahlkampfzeit – bei uns in Niedersachsen dank vorgezogener Neuwahlen sogar doppelt. Auch ich wahlkämpfe wieder aktiv mit – wie in den vergangenen 17 Jahren für die FDP.

Und bei der hat sich Einiges getan, was die öffentliche Wahrnehmung betrifft: Der Auftritt ist frisch, neu, anders als früher und auch anders, als bei allen anderen Parteien. Und was immer man davon im Detail halten mag: Es scheint zu funktionieren, Wahlergebnisse und Umfragen sprechen da eine deutliche Sprache.

Aber Eines ist nicht totzukriegen und begegnet aktiven Wahlkämpfern auch heute noch immer wieder: Die Geschichte von der „Mövenpicksteuer“. Ich möchte hier einmal versuchen, die wahre Geschichte zusammenzufassen. Spoiler: Es gibt Gründe, warum ich von diesem ganzen Themenkomplex gerne von der „Mövenpicklüge“ spreche – aber der Reihe nach.

Wir springen acht Jahre zurück ins Jahr 2009. In Deutschland herrscht Wahlkampf, Leute wie ich verteilen Wahlprogramme, in denen zum Beispiel steht:

„(…) den ermäßigten Umsatzsteuersatz von sieben Prozent ausweiten auf (…) arbeitsintensive Dienstleistungen des Handwerks sowie Hotellerie und Gastronomie (…)“

Das ist aber keine Passage aus dem Programm einer Regierungspartei, sondern das findet man so auf Seite 19 im Programm der „Die Linke“ zur Bundestagswahl 2009. Von „Mövenpickspenden“ an diese Partei ist bis dato nichts überliefert.

Bei der FDP liest sich die Passage auf Seite 23 des Programms von 2009 so:

„Für die heimischen Gastronomen und Hoteliers haben die Wettbewerbsverzerrungen durch die Mehrwertsteuererhöhung in Verbindung mit der unterschiedlichen Anwendung der verringerten Mehrwertsteuersätze in Europa weiter zugenommen. Zur Herstellung von fairem Wettbewerb müssen auch in Deutschland reduzierte Mehrwertsteuersätze für Hotellerie und Gastronomie eingeführt werden.“

Erinnerst Du Dich noch, wie laut der Aufschrei damals vor der Wahl war, dass mehrere Parteien mit so einer frechen Position in den Wahlkampf gegangen sind? Nein? Ich auch nicht, so einen Aufschrei gab es nämlich nicht.

Und es gab auch keinen Aufschrei, als einige Monate später folgendes im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und FDP auf Seite 14 zu lesen war:

Daneben gibt es Handlungsbedarf bei den ermäßigten Mehrwertsteuersätzen. Benachteiligungen gehören auf den Prüfstand. Aus diesem Grund wollen wir eine Kommission einsetzen, die sich mit der Systemumstellung bei der Umsatzsteuer sowie dem Katalog der ermäßigten Mehrwertsteuersätze befasst. Dabei gilt es auch, die europäische Wettbewerbssituation bestimmter Bereiche zu berücksichtigen. Deshalb wollen wir ab dem 1.1.2010 für Beherbergungsleistungen in Hotel- und Gastronomiegewerbe den Mehrwertsteuersatz auf 7 Prozent ermäßigen.

Im Koalitionsvertrag stand das also bereits mit konkretem Datum drin. Nicht gewusst, nicht mitbekommen damals? Interessant, oder?

Das Geschrei ging natürlich erst dann los, als das konkrete Gesetz auf den Weg gebracht wurde. Ein Gesetz, das ein jedem bekanntes Wahlversprechen umsetzen sollte, wohlgemerkt. Ein Gesetz, von dem niemand einen konkreten Nachteil erwarten musste. Ein Gesetz, dessen Ziel alle damals im Bundestag vertretenen Parteien teilten.

Auszug aus dem Hamburger Abendblatt vom 2.11.2012

Denn neben der „Die Linke“ hatten natürlich auch SPD und Grüne immer wieder exakt die selbe Forderung aufgestellt. Auch hier entzieht es sich meiner Kenntnis, durch welche fiesen Lobbygelder diese Beschlüsse gefasst worden sind, denn öffentlich findet man nichts darüber. Haben wir es hier also mit illegalen, weil geheimen Parteispenden zu tun? Oder konnte man eventuell auch aus ganz vernünftigen Gründen zu dem Schluss kommen, dass es sinnvoll sein könnte, wenn die deutsche Tourismusbranche zu den gleichen Bedingungen arbeiten kann, wie die unserer europäischen Nachbarn? Verwegene These, ich weiß…

Wahr ist, dass es im Vorfeld der Bundestagswahl 2009 zwei Spenden im Wert von zusammen rund 2 Millionen Euro an die CSU und die FDP gegeben hat, von der die gute Hälfte bei der FDP gelandet ist und deren Urheber die „Substantia AG“ aus München war. Diese hat unter anderem eine Beteiligung an der Mövenpick Holding. Die wiederum hat eine ganze Reihe von Geschäftsbereichen – betreibt aber unter Anderem auch 85 Hotels, von denen sich 14 in Deutschland befinden.

Wenn man will, kann man da dann schon jene wilde Verschwörung konstruieren, die seit 2010 irgendwie nicht mehr aus der Welt zu kriegen ist. Man muss dazu ignorieren, dass sich dieses mutmaßliche Geschäft für die Substantia AG so garantiert niemals lohnen wird, weil diese 2 Millionen Euro in einem einzigen kleinen Geschäftsbereich auch erst mal wieder eingespart werden müssten. Aber vielleicht sind die Leute dort ja dumm, kann doch sein?

Den Fakt, den man nicht aus der Welt schaffen kann ist aber, dass die Spende vor der Wahl 2009 stattfand und schon deshalb keine Gegenleistung für irgendwas gewesen sein kann. Und die These, dass eine 60.000 Mitglieder zählende Partei so etwas allein aufgrund einer Spende in ihr Wahlprogramm schreibt, ist schon für sich genommen äußerst gewagt – wird aber spätestens mit dem Hinweis darauf, dass sich in diesem Ziel alle damaligen Bundestagsparteien einig gewesen sind und Hotels bei der Mehrwertsteuer gegenüber ihren ausländischen Wettbewerbern (zu denen übrigens auch 71 Hotels von Mövenpick zählen…) nicht länger benachteiligen wollten.

In der allgemeinen Hysterie um dieses Gesetz ging dann etwas unter, dass jene Steueranpassung eine Investitionswelle von 65 Milliarden Euro ausgelöst hat, in deren Folge um die inzwischen 150.000 neue Arbeitsplätze entstanden sein sollen, weshalb der daraus folgende Arbeits- und vor allem Fachkräftemangel die Löhne um über 50% steigen lies.

Bekanntlich bekam auch nur die FDP, egal wie sachlich sie sich wehrte, den vollen Shitstorm ab, weswegen sie sogar vorgeschlagen hatte, die Senkung wieder zurückzunehmen. Wollte dann aber der Koalitionspartner ausdrücklich nicht. Auch daran war dann natürlich die FDP Schuld.

Ich für meinen Teil finde an der Steuersenkung eigentlich nur schlecht, dass es die einzige in der gesamten Legislaturperiode geblieben ist aber natürlich bin ich in dieser Hinsicht ohnehin völlig parteiisch. Nur: Fair war an alledem gar nichts und wer hier von Lobbypolitik sprechen will, muss diesen Vorwurf allen anderen Parteien, allen voran der Union, ebenso machen.

Letztendlich gilt damals wie heute, dass Parteiprogramme mitunter einfach ernst gemeint sind und man vielleicht lieber keine Partei wählen sollte, deren Programm einem nicht gefällt. Wie schön wäre es, wenn das die Lektion wäre, die von dieser ganzen, ansonsten für alle Beteiligten (mit Ausnahme der FDP, versteht sich) schlimmstenfalls belanglosen Geschichte übrig bliebe?