Fernsehbier

Die meisten sogenannten Verbrauchershows im Fernsehen finde ich fürchterlich, weil extrem oberflächlich und gefärbt und wenig objektiv, gerne latent oder auch offen kapitalismuskritisch.

Diese bildet da zwar keine Ausnahme, sie enthält aber ein paar interessante Punkte.

Der typische Fernsehbierkäufer kauft also nach Image – nicht nach Geschmack. Den Geschmack seines angeblichen Lieblingsbieres kriegt er aber für gewöhnlich nicht mal vernünftig von in Wahrheit aber eben unbewusst ausschließlich aus Imagegründen verschmähten Billigbieren unterschieden. Was kein Wunder ist, weil diese Massenprodukte sich geschmacklich kaum unterscheiden – zumindest, wenn man Massen-Pils mit Massen-Pils vergleicht.

Der Preis spielt hier für den individuell empfundenen Geschmack eine Rolle, ob wir wollen oder nicht. Gleiches gilt für das erzeugte Image. Man kann sich wahrscheinlich nie ganz davon lösen – aber es hilft vermutlich, wenn man sich dessen zumindest bewusst ist. Mein Versuch, mich davon zu lösen, ist eigentlich seit vielen Jahren, dass ich erbarmungslos jedes Bier probiere und jedem die Chance gebe, lecker zu schmecken. Und verblüffenderweise schmeckt dann auch fast alles – oder hat wenigstens einen interessanten Reiz.

Das Reinheitsgebot sollte in Unreinheitsgebot umbenannt werden. in seiner gesetzlichen Form abgeschafft werden. Sein einziger Vorteil ist Marketing – aber das bekämen Brauereien auch freiwillig hin. Hippe Brauereien schreiben bewusst nicht mal drauf, dass sie nach Reinheitsgebot brauen. Sicherlich: Damit man der Massenplörre großer Brauereien noch glaubt, dass sie mit Liebe gemachte Superprodukte sind, muss man wohl alle Register ziehen. Aber das rechtfertigt keinen Gesetzesrang für ein Reinheitsgebot, das diesen Namen ja ohnehin nicht verdient.

Wer Bier (oder andere Getränke) aus Plastikflaschen vermeidet, weil die Flasche aus Plastik ist, aber trotzdem Fernsehbiere wie Becks oder Krombacher oder was eben die übrigen großen Brauereien noch so alles so fabrizieren, trinkt, lügt sich selbst in die Tasche, weil praktisch alle großen Brauereien mit Kunststoffen als Zusatz arbeiten, die das Bier länger klar und damit länger verkaufbar machen. Im Endeffekt werfen alle großen Hersteller PVPP, also einen Kunststoff ins Bier und ziehen es vor der Abfüllung wieder raus. Zusammen mit dem Geschmack. Das geht fürs Reinheitsgebot klar, weil man ja – jedenfalls, soweit messbar – alles davon wieder entfernt. Aber rein messbar bleibt auch das Bier in der Plastikflasche unterhalb jedes Grenzwertes, was Plastikrückstände angeht.

Ich persönlich trinke einfach jedes Bier. Auch Fernsehbiere wie Astra, Bitburger etc. Mir scheißegal, was schmeckt ist okay – und letztendlich schmeckt auch jedes Massen-Pils immer noch gut genug für mich.

Und auch diese Biere erfüllen die nicht gerade niedrigen Kriterien des deutschen Lebensmittelrechtes. Man kann in Deutschland auf normalem Wege kein schlechtes Bier kaufen, egal zu welchem Preis. Man kann Bier kaufen, dass einem geschmacklich weniger oder auch gar nicht zusagt. Aber schlechtes Bier wird man nicht finden.

Im NDR-Beitrag wird dann Oliver Wesseloh von der Hamburger Kehrwieder-Brauerei dazu befragt. Das passt, denn der Mann macht Craftbier. Craftbier bedeutet: Handwerklich gebraut. Also nicht industriell, sondern traditionell. Mehr bedeutet Craftbier eigentlich erstmal nicht. Das der Begriff inbesondere in Deutschland imagemäßig inzwischen gerne auf die (falsche) Aussage reduziert wird, Craftbierbrauer würden einfach gern das Reinheitsgebot ignorieren.

Das würden sie zwar oft wirklich gern. Aber vor allem deshalb, weil man dann eben traditionelle Bierstile, die teilweise viel älter als das sogenannte Reinheitsgebot sind, ohne irgendwelche albernen Sondergenehmigungen herstellen dürften.

Oder auch Bierstile, die im Rest der Welt völlig normal und irrsinnig beliebt sind und an denen objektiv für keinen echten Bierfreund irgendwas auszusetzen wäre. Denn gerade der echte Bierfreund weiß, dass man Bier selbstverständlich auch aus anderem Getreide brauen kann, als Gerste.

Zum Beispiel aus Weizen – dann hat man nämlich ein Weizenbier.

In Amerika nutzt man gern Mais. Nicht so mein Fall – aber letztlich legitim und natürlich trotzdem Bier.

Störtebeker – eine der größten Craftbier-Brauereien in Deutschland – braut ein Roggen-Weizen. Da ist Roggen drin!

War früher mal gar nicht so ungewöhnlich bei Bier. Bis „Bier“ einfach mal umdefiniert wurde und nur noch Gerste drin sein durfte. Da war übrigens auch normales Weizenbier, das heute ja relativ normal und ein Massenprodukt ist, einfach mal nicht mehr erlaubt.

Unter anderen Vorzeichen hätte Bier auch als Produkt aus Hafer, Hopfen, Wasser definiert werden können, wäre natürlich auch Bier gewesen (und es gibt zumindest Biere, die Hafer enthalten). Es wurde aber Gerste. Ist Gerste reiner als Hafer? Oder Weizen? Oder Mais? Wohl kaum.

Gerste hat natürlich gewisse Vorteile und ist zum Bierbrauen eindeutig am besten von allen diesen Getreidesorten geeignet. Man würde auch ohne Reinheitsgebot vorzugsweise auf Gerstenbasis brauen. Man würde aber eventuell mehr andere Getreidesorten reinmischen oder so. Craftbierbrauer tun das auch gern. Deutsche Craftbierbrauer allerdings weniger experimentierfreudig als andere – was auch okay ist.

Geschmacklich sind für mich Biere nach dem Reinheitsgebot in der Regel immer noch die besten. Und ein Pils würde ich fast immer einem Weizen vorziehen (Weizen trinke ich eigentlich nur, wenn ich irgendwo auf Vorstandssitzung bin und genau ein Bier trinken will).

Aber auch die besten sich eisern ans Reinheitsgebot haltenden Biere kommen nunmal von kleinen Handwerkern, eben den Craftbier-Brauern und nicht von den großen der Branche. Die großen sind gut darin, gleichbleibende Qualität in riesigen Mengen zu billigsten Preisen auf den Markt zu werfen. Das ist in Ordnung. Aber deswegen noch lange nicht geschmackliche Oberliga.

Die würde es zum Beispiel nötig machen, dass das Bier in einer vollständigen Kühlkette zum Kunden kommt, wie andere Lebensmittel auch. Und so ein Bier würde man auch nicht zwei Wochen bis zwei Monate rumstehen lassen, bevor man es trinkt, sondern vielleicht ein paar Tage.

Je länger man wartet, desto mehr verliert echtes, frisches Bier an Geschmack. Bis es dann vielleicht so schmeckt, wie eins aus dem großen Tank bei Becks. Was immer noch trinkbar und okay und garantiert auch geiler schmeckt, als zum Beispiel ein durchschnittliches Bier im Mittelalter.

Der Craftbierbrauer hat seine Zutaten sorgfältig ausgewählt, seine Rezeptur mit einem gewissen Aufwand erarbeitet und wahrscheinlich auch ein wenig experimentiert, bis er das Endresultat hatte.

Der Craftbierbrauer macht auch nicht jeden Tag das gleiche Bier, sondern denkt sich gerne neue Varianten aus. Da wird vielleicht nicht immer das Rad neu erfunden aber der Kunde kriegt einfach immer mal wieder einen anderen Geschmack präsentiert. Was ja interessant sein kann.

Vor allem aber definiert der Craftbierbrauer Qualität einfach anders, als die InBevs, Carlsbergs oder Radebergers das tun. Letztere erzeugen mit hohem Aufwand ein gewisses Image und liefern ansonsten ihre solide aber immer gleiche Qualität. Man bezahlt eigentlich mehr fürs Image als für das Produkt an sich.

Der Handwerker will vor allem mit dem Produkt begeistern. Hier kauft man für die 2 Euro pro Flasche Qualität im Produkt und daraus wiederum entsteht dann bestenfalls ein gewisses Image.