FDP vor Bundesparteitag – oder die Frage, ob da noch mehr ist als nur Show

Roadmap der Facebook-Initiative "Liberale für Legalisierung", die über 1400 Unterstützer gefunden hat.
Roadmap der Facebook-Initiative „Liberale für Legalisierung“, die über 1400 Unterstützer gefunden hat.

Mai 2009, eine Messehalle in Hannover-Laatzen. Die FDP schreibt hier ihr Wahlprogramm, mit dem sie das beste Wahlergebnis ihrer Geschichte einfahren wird. In diesem Programm standen – anders, als es heute gerne behauptet wird – noch einige Dinge mehr als bloß Mehrwertsteuersenkungen für Hotelübernachtungen und die große Lohnsteuerreform. Es gab aber auch Dinge, die damals noch völlig undenkbar waren und keine Chance hatten, ihren Weg ins Programm zu finden. Ich werde nie vergessen, wie kein geringerer als Guido Westerwelle, Fraktions- und Parteichef und Spitzenkandidat für die anstehende Wahl, selbst ans Mikrofon schritt, um den Antrag der Jungen Liberalen, die Legalisierung von Cannabis ins Wahlprogramm aufzunehmen, zu zerpflücken. Er brauchte dazu nicht ernsthaft argumentieren, sondern es genügte, den Antrag als alberne Kinderei, eben typisch JuLis hinzustellen. Der Parteitag lehnte die Legalisierung denn auch mit überwältigender Mehrheit ab.

Das ist Schnee von Gestern und dem Wahlergebnis hat es damals offensichtlich nicht geschadet. Und seitdem ist viel passiert: Die FDP hat ihr Rekordergebnis in einem Rekordfiasko enden lassen und seitdem versucht die Partei, sich neu zu erfinden. Es gab einen monatelangen Selbstfindungsprozess, an dessen Ende zunächst ein neues Logo stand, das  für einige Belustigung sorgte. Auch dieser Autor ist nach wie vor kein kein Fan der kindischen und viel zu bunten Farben – muss allerdings konstatieren, dass es durchaus funktioniert und Plakate und die gesamte Kampagne dank dieser furchtbaren Farben einfach wahnsinnig auffällig sind und das ja letztlich auch das ist, worum es geht. Außer dem Logo und eines nach wie vor eher diffus formulierten “Leitbildes” hat man in den Wahlkämpfen in Hamburg und Bremen vor allem auf eine Kampagne gesetzt, die 1. auf strahlende Persönlichkeiten an der Spitze und 2. massenweise aus ganz Deutschland zusammenströmenden Parteimitgliedern aufbaute, die schon durch ihre bloße Präsenz einen gewissen Eindruck hinterließen. Anders ausgedrückt: Die “neue” FDP bestand bisher vor allem aus Show. Das ist okay, davon gab es bisher in dieser Partei zu wenig und selbst das beste Wahlprogramm der Welt rockt nicht, wenn es nicht bei den Leuten ankommt. Aber wo bleiben die Inhalte? Die Inhalte, die die FDP auch für Liberale wieder attraktiv machen, die sie in den letzten Jahren vergrault hatte?

Am kommenden Wochenende trifft sich die Partei wieder einmal zu einem Bundesparteitag und auf dem könnte es endlich auch inhaltlich ein zaghaftes Signal in Richtung einer neuen, inhaltlich konsequenter aufgestellten FDP geben. In den vergangenen Monaten haben ganze sieben Landesverbände der FDP eine Legalisierung von Cannabis ausgesprochen, darunter auch große wie Nordrhein-Westfalen, Bayern und Niedersachsen. Sechs dieser Landesverbände stellen gemeinsam mit den in den Reihen der Delegierten durchaus auch gut vertretenen Jungen Liberalen nun einen entsprechenden Antrag auf Bundesebene. Gefordert wird hier kein libertäres Utopia, wie man sich das vielleicht gerne wünschen würde, sondern eine relativ restriktive Praxis, eine “Kontrollierte Freigabe”, wie es im Antragstitel heißt.

Aber – ich beschrieb ja, wie die Partei noch vor wenigen Jahren auf solche Ideen reagierte – selbst das ist ja schon ein fast unglaublicher Schritt in die richtige Richtung. Und natürlich rehabilitiert dieser Antrag die FDP nicht von ihrem Totalversagen in der Regierung. Und natürlich ersetzt eine ristriktive Cannabis-Freigabe keine korrigierte Beschlusslage etwa in den Bereichen Mindestlohn, EEG oder gar der größten und umstrittensten Baustelle, nämlich der Geldpolitik und die Konsequenzen aus der Euro-Krise.

Ein positiver Beschluss der Legalisierung von Cannabis wäre nichts weiter, ein zaghafter Anfang für liberalere Inhalte und der Beweis, dass die alten Betonköpfe unter den Delegierten durchaus überstimmbar sind.