Corona-Tagebuch: The Age of Omicron

Das Impfzentrum Winsen wird dieser Tage eröffnet. Schon wieder. War es vor fast genau einem Jahr noch die Stadthalle, sind es nun ein paar Zelte auf dem Gelände eines Chinarestaurants, dass die Pandmie nicht überlebt hat.

Dieses Mal also eine gute Nummer kleiner aber dafür gibt es nach wie vor zig weitere Impfgelegenheiten. Was es nicht gibt, zumindest nicht bei diesen „staatlichen“ Impfaktionen, sind Termine. Man kann nach wie vor keine Termine buchen. Man muss da also hin und sich stundenlang in eine Schlange stellen und wenn man pech hat, wird man wieder weggeschickt, weil alle ist.

Wer denkt sich so einen Scheiß aus? Was soll das?

Netzfund. Sehr wahrscheinlich stammt das nicht von Heckler & Koch aber so in etwa kann man sich die Kampagne vorstellen, der sich initial 150 Unternehmen angeschlossen hatten, denen aber zahllose in den Tagen danach folgten und in einem ähnlichen Stil die sozialen Medien mit Werbung fürs Impfen geflutet hatten.

Gleichzeitig trifft man keinen Regierungschef, keinen Gesundheitspolitiker und keinen sonstigen Behördenchef, der nicht gebetsmühlenartig fürs Impfen wirbt, hunderte Firmen haben jüngst erst ihre eigenen Slogans verballhornt um fürs Impfen zu werben. Es gab noch nie mehr Werbung fürs Impfen – und die Nachfrage war auch selten größer als jetzt. Naja und dem gegenüber steht ein kafkaesk-schlechtes Angebot, das zuletzt ungefähr bis Mai ähnlich schmal war.

Damals lag das daran, dass man zu wenig Impfstoff hatte. Keine Ahnung, ob das jetzt auch wieder der Fall ist oder was sonst alles schiefläuft. Aber bemerkenswert bleibt, dass was auch immer das verdammte Problem ist, es eben auch nach Wochen, ja Monaten immer noch nicht gelöst worden ist.

Als die Impfzentren schlossen und zu mobilen Impfteams wurden, wurde es noch als Vorteil beworben, dass man keinen Termin für seine Impfung mehr bräuchte. Solange die Nachfrage gegen Null ging, war das ja sogar auch ein Vorteil, da war das niederschwellig: Einfach mal eben spontan hin und nach ner Viertelstunde ist man durch damit, perfekt!

Aber das ist ein Verfahren, das für eine andere Phase der Pandemie perfekt ist. Ganz offensichtlich ist diese Phase jetzt, lange, lange vorbei. Der Booster, also die dritte Impfung, wird nach 6 Monaten dringend empfohlen. Die ersten Impfungen wurden in Deutschland am 27. Dezember 2020 ausgegeben. Im Juni war Boostern trotzdem noch nicht wirklich ein Thema und so richtig wurde es das erst verdächtig spät. Obwohl in Israel schon seit August im großen Stil und gut organisiert dritte Impfungen verteilt werden. Das Land hat eine Impfquote von 62% – das ist ungefähr das Niveau Sachsens, unserem Impfgegnerhotspot in Deutschland und damit deutlich unter dem Bundesschnitt von 69%. Die Inzidenz dort beträgt aber nur etwa ein Zehntel(!) von unseren 413 und liegt stabil unter 50.

Nicht nur in dieser Pandemie haben wir uns ja leider daran gewöhnen müssen, dass Deutschland die wichtigen Dinge erst zu spät und dann sehr langsam umsetzt. Aber zwischen August und jetzt liegen ja immerhin 4 Monate, in denen man die Boosterkampagne hätte angehen können und offensichtlich passiert das bis heute nicht.

Denn auch dieses neue Winsener „Impfzentrum“, so begrüßenswert das jetzt erstmal ist, weil es eine weitere Möglichkeit darstellt, ist eigentlich nur wenig mehr als eines der mobilen Impfteams, nur eben fest installiert. Der Ablauf scheint ansonsten genau so zu sein, wie die vielen Aktionen, die seit dem Sommer gelaufen sind und das bedeutet eben: Termine gibts nicht, sondern endloses Schlangestehen.

Das finde ich ausgesprochen ärgerlich und es steht in einem sehr krassen Missverhältnis dazu, was die Landesregierung ansonsten die ganze Zeit signalisiert, denn auch die fordert stetig zum Impfen auf, Ministerpräsident Weil hat jetzt sogar angekündigt, dass zwischen Weihnachten und Neujahr „Warnstufe 3“ gelten würde, was auch immer das nun wieder genau bedeutet (es bedeutet zum Beispiel, dass sich 25 Geimpfte treffen dürfen, was bezeichnenderweise für mich persönlich als Info völlig ausreicht, denn anders als im letzten Jahr wird dann mit ein paar Leuten Weihnachten und auch Silvester gefeiert, auch wenn das bestimmt total unverünftig ist).

Die Regierung tut also fortgesetzt so, als sei ihr Pandemiebekämpfung wichtig, vernachlässigt aber auf krasse und wirklich nicht mehr nachvollziehbare Weise das einzige, was man wirklich sinnvoll gegen sie tun könnte, nämlich das Impfen.

Und das macht mich zunehmend sauer, wirklich.

Wobei festzustellen bleibt, dass die Zahlen im Landkreis auch bei weitem weniger alarmierend sind, als überall anders. Wir haben eine Inzidenz von 180 bei sinkender Tendenz. Das ist zwar locker fünf Mal schlimmer, als es bei vernünftiger Boosterung sein müsste (siehe Israel – die Impfquote in Niedersachsen ist ja noch mal deutlich höher als dort) aber es ist eben auch deutlich unterhalb der Hälfte des Bundesschnitts und damit echt vergleichsweise wenig.

Aber: „Omicron“, was meiner Meinung nach sogar noch ein bisschen cooler klingt, als „Delta“ vor gut einem Jahr, legt ja auch grade erst los.

Derzeit wird noch gestritten, ob Omicron ansteckender aber harmloser, ansteckender aber harmloser außer für Kinder, ansteckender aber keineswegs harmloser oder was auch immer sei. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse sind überschaubar und rar. Einzig, dass die neue Variante sich noch mal schneller verbreitet, scheint halbwegs unstrittig. Dem Vernehmen nach ist es häufig so, dass Viren in fortgeschritteneren Varianten dazu neigen, sich schneller zu verbreiten aber dafür weniger gefährlich werden. Nur: Das ist eben nur so eine Art Tendenz, es ist häufig so. Ein Naturgesetz ist das aber nicht. Und Leute killen kann offensichtlich auch Omicron, so what?

Fest steht: Dieser Pandemiescheiß wird auch das kommende Jahr bestimmen. Womit auch fest steht: Dass wir im Januar auch nur ansatzweise ein Faslamsfest feiern, das diesen Namen verdient, ist ausgesprochen unwahrscheinlich geworden. Noch vor zwei Monaten sah es eigentlich so aus, als könnte man zumindest eine 2G-Veranstaltung machen. Vielleicht könnte man das Ende Januar auch jetzt noch – nur: Wer will das unter den gegebenen Umständen denn?

Mental richte ich mich auf den zweiten langen Coronawinter ein. Ja, der wird verglichen mit dem letzten sicherlich weniger einsam werden, weil es diesen krassen Lockdown mit dem totalen Kontaktverbot nicht geben wird.

Aber es wird ja trotzdem nicht viel los sein. Es wird nicht viele Gelegenheiten geben, um Leute zu treffen und die, die es gibt, finden vorzugsweise im privaten Rahmen statt. Und solange die nächsten Angehörigen, insbesondere die Risikogruppen, nicht geboostert sind, will man eigentlich selbst das allenfalls in einem überschaubarem Rahmen haben.

Man fragt sich allmählich, wie lange das jetzt so weitergehen soll.

Und wie die Varianten eigentlich in einem Jahr heißen werden. Denn in nur noch neun Buchstaben sind wir ja schon bei Omega angekommen, beim letzten Buchstaben des griechischen Alphabets. Von den Varianten zwischen Delta und Omicron hat man eigentlich nie was gehört.

Also wenn auch der Pandemieverlauf insgesamt immer langweiliger wird, weil einfach nur Welle auf Welle und Regierungsversagen auf Regierungsversagen folgt, bleibt uns wenigstens noch die spannende Frage der künftigen Namensfindung übrig.