Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, ich hätte mir meinen 40. Geburtstag anders vorgestellt. Jedenfalls so halb. Denn zumindest seit vergangenen März war ich einigermaßen sicher, dass es maximal eine Zusammenkunft von vier, fünf guten Freunden geben könnte oder eben eine „Party“ per Videokonferenz.
Dementsprechend habe ich Anfang Oktober endgültig begonnen, konkret auf beides hinzuplanen, um auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein. Ich hätte also bestenfalls in einem kleinen Kreis am letzten Samstag reingefeiert und dann aber ohnehin eine Videokonferenz am Sonntag veranstaltet.
Ende Oktober war klar, dass das nichts werden würde, weil Lockdown. Im Gegensatz zur Regierung war jedenfalls für mich absehbar, dass dieser Lockdown wohl kaum Anfang Dezember beendet werden würde.
Nun hieß es aber: Das Beste aus der Situation machen. Wie kann man also bestmöglich sowas Ähnliches wie eine Party erzeugen, ohne, dass man sich sieht – und gleichzeitig eben trotzdem dafür sorgen, dass möglichst alle Freunde dabei sind?
Meine Lösung war, ein Bier zu brauen und möglichst viel davon zu verteilen. Auf diesem Bier fand sich ein Link zu einer Videokonferenz, über die wir dann eine Art Remote-Frühschoppen veranstalten wollten.
Das Bier habe ich die ganze Woche über etappenweise verteilt. Freitag fuhr ich dann mal eben auch noch gute 500 Kilometer mit ner Kiste im Kofferraum quer durch Niedersachsen.
Natürlich kann sowas niemals ein Ersatz für eine richtige Party seinund ich wäre nicht mal enttäuscht gewesen, wenn nach ner Stunde alles vorbei gewesen wäre, wenn alle ihr Bier leer gehabt hätten.
Aber so war es nicht. Das Ganze lief fast vier Stunden, war überraschend lustig und erstaunlich gut besucht. Einige hatten so ihre technischen Probleme und waren nicht zu hören oder konnten selber nichts hören. Aber im Großen und ganzen lief es doch ganz gut.
Ich kann nicht sagen, wie viele Leute es so waren, es war zeitweise ein Kommen und Gehen. 47 Biere hatte ich verteilt und ich schätze, dass 35-40 Leute auch tatsächlich mal da waren. Einige nur kurz, viele aber praktisch die ganze Zeit. Es wurde getrunken, gescherzt, gelacht. Wie man sich das so vorstellt.
Es war kein Ersatz für eine richtige Party aber ich glaube, wir alle hatten einen überraschend lustigen Tag. Was in so einer Pandemie mit Kontaktverboten eine so seltene Sache ist, dass ich mich immer noch darüber freue, dass so viele dabei gewesen sind.
Erstaunlicherweise wurde auch mit Geschenken wirklich nicht gespart. Ich wollte eigentlich gar nichts haben. Ein paar Euro per Paypal fürs Bier, wenn man denn unbedingt etwas geben möchte, hatte ich geschrieben.
Stattdessen habe ich nicht nur mehr Geld geschenkt bekommen, als die Herstellung meines speziellen Geburtagsbieres gekostet hat, sondern außerdem auch noch eine ansehnliche Anzahl erlesener Spirituosen (ein feiner japanischer Whisky, ein geiler Korn aus meinem Landkreis, ein ganzes Probierset verschiedener Scotch Whiskeys…), ein Online-Bier-Tasting bei der Ratsherrn-Brauerei inklusive eines Kartons voller dort zu verkostende Biere, generell etliche Liter geiles Bier, ein sehr persönlich graviertes Set an Biergläsern, ein echtes Bier-Tasting, das freilich wohl erst übernächstes Jahr stattfinden wird und so weiter. Ein Geschenk mit smarten Leuchtmitteln ist auch noch unterwegs, mal gucken, was da so kommt. Und noch Einiges mehr. Einfach wow!
Den Video-Frühschoppen kann ich aber unabhängig davon als vollen Erfolg bezeichnen. Die Reinfeier, die am Samstag im kleinstmöglichen Rahmen (zwei Personen) stattfand, aber durchaus auch. Wir begannen recht harmlos mit „Kevin allein zuhaus“ und „The Big Lebowski“ im Fernsehen, dazu tranken wir ein paar Bierchen und später den von mir versehentlich kürzlich unter der morgendlichen Dusche erdachten Cocktail „White Emsländer“, der zugegebenermaßen kein besonders kreativer Geniestreich ist, weil es einfach nur ein White Russian mit vernünftigem Korn statt Wodka ist. Aber auch das wird den Abend unvergessen machen.
Genau wie das verbotene Bier rund um Mitternacht am Deich. Verboten, weil ja ein Alkohlverbot in der Öffentlichkeit herrscht. Ich bin zwar nicht so sicher, ob man von „Öffentlichkeit“ sprechen kann, wenn weit und breit keine Menschenseele zu sehen ist aber ist mir ehrlich gesagt auch egal. Und so habe ich mit meinem Lieblingsmenschen eben um Mitternacht an einem meiner Lieblingsorte mit meinem Lieblingsgetränk auf meinen soeben beginnenden 40. Geburtstag angestoßen.
Auf seine ganz eigene Art war das sicher ein runder Geburtstag, den ich nie vergessen werde. Unter dem Strich schöner, als man hätte befürchten können aber gleichzeitig natürlich so viel weniger festlich, als es normalerweise hätte werden sollen.
Nach den Maßstäben dieses beknackten Coronajahres war es aber jedenfalls ein schöner Tag und soweit mir Rückmeldungen zu meinem Bier kamen, konnte ich damit auch meinen „Gästen“ damit eine Freude in dieser ansonsten doch eher trostlosen Zeit machen.
Eine erstaunliche Erkenntnis, die für mich bei alledem heraussprang, ist übrigens, dass diese Art zu feiern letztendlich auch nur unwesentlich weniger aufwendig war, als es eine echte Party gewesen wäre. Zwei Monate Vorbereitung, ein immenser Aufwand allein, die ca. 60 Flaschen zu besorgen, vernünftig zu reinigen, zu befüllen und am Ende eben auch auszuliefern. Ich glaube, ich habe auch selbst ein wenig unterschätzt, was ich mir da vorgenommen hatte.
Aber es hat ja alles hingehauen und das war es mir auch einfach sowas von wert. Für mich war es die Party des Jahres, wenn man die beiden ersten Monate mal abzieht. Man kann das so machen und es macht Spaß.
Und es ist eine gute Gelegenheit, sich gegenseitig zu versichern, dass eine richtige Party tausend mal geiler ist und man eine solche unbedingt feiern will, so bald es geht.
Ich prophezeihe: Die ersten Monate, in denen endlich wieder ein normales Sozialleben möglich ist, wird es regelrechte Orgien geben. Ich kann es kaum erwarten.