Corona-Tagebuch: Rise of the Grollbürger

Das Gute ist: Es gibt jetzt so eine Art Stufenplan, es gibt jetzt den Hauch einer Perspektive.

Das Schlechte daran ist, dass das jetzt erst passiert. Geboten wäre das spätestens beim letzten oder vorletzten „Gipfel“ gewesen. Und mit Verlaub: Alles, was da jetzt drin steht, hätte man da durchaus genau so beschließen können, es gibt genau gar keinen Grund, das nicht getan zu haben.

Ebenso gibt es keinen Grund, warum weitere Punkte bei Gastronomie, Reisen, Kultur und so weiter auf das nächste Mal vertagt worden sind, denn auch hier hätte man sehr wohl Regeln aufstellen können, wenn man das gewollt hätte.

Aber wahrscheinlich hatte man vor lauter Staatsversagen einfach keine Zeit für derart nebensächliche Dinge.

Was man da so alles verbrochen hat, fasst Sascha Lobo in seiner aktuellen Kolumne zusammen, von der ich mir den Begriff des Grollbürgers ausgeliehen habe, den ich, genau wie die Beobachtung, dass genau das gerade um sich greift, sehr passend für diese Zeit finde.

Lobo beschreibt, wie die mittlerweile schneller als im Wochentakt auftretenden schlimmen Fails der diversen Landesregierungen und natürlich der Bundesregierung plus deren komplettes Unvermögen, diese Fehler als Fehler zu begreifen, aus normalen, ja optimistischen und der Demokratie zugewandten Menschen Grollbürger werden lässt. Die keine Wutbürger sein wollen aber die Schnauze trotzdem voll haben.

In einem halben Jahr ist Bundestagswahl. Einen Aufstand der Grollbürger sollte man sich nie wünschen und kann man sich nie leisten. Aber jetzt ist wirklich der denkbar ungünstigste Zeitpunkt für so etwas.

Und zur Hochnäsigkeit, zur Entrücktheit, Weltfremdheit und Arroganz der Regierenden gehört es dummerweise offenbar schon auch, selbst das nicht zu erkennen. Und das wiederum finde ich regelrecht bedrückend, auch wenn es nach einem Jahr Corona nicht großartig verwundert.

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Während Merkel soeben noch verkündet „Wir brauchen sicherlich den Monat März, um eine umfassende Teststrategie aufzubauen.“ Wo der Staat versagt, regelt der freie Markt.

Und wie sehen die Zahlen so aus? Im Landkreis kann man einige Verbesserungen sehen, nachdem es lange nur steigende Fallzahlen gab.

Und zwar, wenn man jeweils den Vergleich zur Woche betrachtet. Denn da konnte man das erste Mal seit dem 10. Februar einen Rückgang erkennen. Natürlich sind zwei Tage Rückgang mal wieder gar nichts, erst Recht noch kein wirklicher Trend. Aber vielleicht ein kleiner Lichtblick, mal sehen.

Die Inzidenz liegt bei 53. Anfang der Woche lag sie noch bei 63. Aber auch das heißt ja irgendwie gar nichts.

Auch landesweit ist das Bild durchwachsen. Die Spitze bildet die Wesermarsch mit einer Inzidenz von 131, Lüchow-Dannenberg steht bei 12,4. Der Landesdurchschnitt liegt bei 64,4.

Das Land spuckt mittlerweile übrigens regelmäßig einen schönen Blumenstrauß an interessanten Statistiken aus. Nicht, dass ich Lust habe, mir die ständig anzusehen oder gar zu interpretieren.

Aber dass das Land so etwas überhaupt öffentlich anbietet, finde ich, bei aller sonstigen Kritik am Regierungshandeln, doch sehr positiv.

Wäre man bei den übrigen Entscheidungen ansatzweise so transparent, könnte man dem Grollbürgertum wirkungsvoll entgegentreten. Das würde aber auch voraussetzen, eigene Fehler zu erkennen und einzusehen.

Und dann verflucht nochmal zu korrigieren.