Corona-Tagebuch: Party in Zeiten kollektiver Quarantäne

Das war es also: Das erste echte Corona-Wochenende. Ein Wochenende, an dem wahrscheinlich so wenig gefeiert wurde, wie nie zuvor – einfach, weil man nunmal keine Leute mehr treffen soll und sich ja auch viele daran halten. Diskotheken, Clubs, Kneipen und inzwischen auch Restaurants haben ohnehin alle dicht.

Die wirklich interessante und auch etwas überraschende Erfahrung, die ich allerdings machen konnte, ist, dass man trotzdem nicht komplett ohne Party und sozialen Kontakt leben muss. „Telebier“ ist das Stichwort – und auch, wenn es anfangs eine eher ironische Aktion nach dem Motto „mal gucken, was das wird“ gewesen ist, so kann ich doch positive Bilanz ziehen.

Eigentlich hatte ich schon die ganze vergangene Woche überlegt, ob man nicht am Wochenende irgendwas machen könnte, dass einer Party unter den gegebenen Umständen halbwegs nahekommt. Irgendwann stieß ich auf Jitsi, einen Open-Source-Dienst für Videokonferenzen und dachte okay, ist doch ein Versuch wert. Testete ihn kurz alleine und fand das Ergebnis vielversprechend. Dann erstellte ich am Samstagvormittag ein entsprechendes Facebook-Event und lud einfach jeden ein, der Lust auf sowas hatte. Zeitweise waren wir 14 Leute, die sich Quatsch erzählt und zugeprostet hatten. Unterschied zur Normalen Party: Es kann halt immer nur einer Reden. Das ist ein bisschen ungewohnt aber man kommt nach einer Weile doch gut klar damit.

Wie auf einer richtigen Party kamen und gingen immer wieder ein paar Leute. Wie auf einer richtigen Party schlief irgendwann einer ein. Und wie auf einer richtigen Party war ich am Ende ordentlich besoffen, wie nach einer richtigen Party ging es mir heute zeitweise nicht besonders gut. Was will man mehr?

Cool war, dass viele Leute da waren, die ich ewig nicht gesehen hatte. Und Leute, die ich öfter mal sehe oder mit denen ich jeden Tag kommuniziere. Was soll ich sagen? So in etwa sähe eine richtige Party, zu der ich einlade, wahrscheinlich ja auch aus.

Ich möchte mit diesem Artikel diese schöne Erfahrung festhalten und zur Nachahmung empfehlen. Es geht nämlich nicht, dass uns allen in den nächsten Wochen die Decke auf den Kopf fällt und wir wirklich „social distancing“ machen, obwohl physical distancing völlig reichen würde und das eigentlich das ist, was wir betreiben wollen.

Was Ihr für Eure Party in Coronazeiten braucht

Die technischen Hürden sind beeindruckend niedrig – was eine wichtige Voraussetzung für eine gute Party ist, denn vorbeikommen und Biertrinken kriegt ja sonst auch jeder hin. Ein bisschen komplizierter ist die Party per Videoschalte zwar schon – aber nicht viel.

Ihr braucht auf jeden Fall:

  • Einen Computer. Der kann notfalls auch ein Smartphone sein, besser und einfacher ist es glaube ich aber, wenn es ein richtiger Computer ist, auf dem Google Chrome läuft.
  • Google Chrome als Browser. Anderen gehen auch aber nicht unbedingt ganz so gut, weswegen ich Chrome empfehlen würde. Alternativ gibt es auf Smartphones die App Jitsi Meet, die schon auch geht.
  • Einen Jitsi-Raum. Der ist in Sekunden erstellt und kostet nix. Das geht einfach hierüber.
  • Kamera und Mikrofon. Im Einfachsten Fall habt Ihr das im genutzten Computer schon eingebaut, es empfiehlt sich also zum Beispiel ein Laptop, bei dem das normalerweise der Fall ist. Externe Gerätschaften sollten auch funktionieren. Aber die müsst Ihr dann am besten bereits dahaben, weil zumindest Webcams praktisch überall ausverkauft sind und vermutlich auch so schnell nicht in der benötigten Anzahl wieder reinkommen, als dass es wirklich eine Option wäre, mal kurz eine zu kaufen.
  • (Alkoholische) Getränke. Wir machen ja nunmal ne Party ;)

Den Raumnamen oder direkt den kompletten Link müsst Ihr nun eigentlich nur noch an jeden geben, der mitmachen will oder soll. Und der Rest funktioniert dann eigentlich selbsterklärend. Die Oberfläche ist relativ einfach, bietet aber trotzdem eine ganze Menge Funktionen. Die wir alle nicht brauchen für unsere Party. Interessant ist höchstens die Umschaltung der Kachelansicht rechts unten (oder Taste „w“ drücken). Darüber schaltet man nämlich um, ob immer nur ein Stream groß angezeigt wird (normalerweise der, der grade spricht) oder alle parallel. Sicherlich Geschmackssache aber ich fand es für eine Party cooler, wenn alle nebeneinander zu sehen sind.

Wichtig ist, dass der Raumname von jedem benutzt werden kann. Man braucht da keinen Account oder sowas, sondern wer den Raumnamen kennt, der ist dann halt da drin. Es empfiehlt sich also, einen Namen zu wählen, der vielleicht dann doch etwas kryptischer ist, als mein „Telebier“ gestern Abend, wenn man nicht irgendwelche fremden Leute drin haben möchte. Es lässt sich auch ein Passwort vergeben, um das zu verhindern, allerdings war das bei uns gestern nach einigen Stunden auf einmal auch nicht mehr aktiv, wie es scheint, so dass ein vernünftiger und nicht ohne Weiteres erratbarer Raumname eventuell doch sinnvoller ist.

Wir hatten gestern kurz Probleme mit Echos, die wir dadurch gelöst haben, dass wir Kopfhörer benutzt haben. Bei einem anderen Versuch heute mit vier anderen Teilnehmern traten diese Echos nicht auf, so dass ich davon ausgehe, dass das normalerweise auch ohne Kopfhörer gut funktioniert. Aber vielleicht ist es trotzdem ratsam, einen griffbereit zu haben für alle Fälle.

Wo das Limit der Teilnehmer liegt, weiß ich nicht, Vermutlich richtet sich das etwas nach der individuellen Bandbreite der Teilnehmer aber wir waren zeitweise 14 und es lief immer noch alles flüssig.

Und ja, so eine Party funktioniert wirklich. Man kann sich genauso Quatschkram erzählen und rumblödeln, wie man es ansonsten tun würde. Unsere Party am Samstag ging von 19.30 bis morgens um 2 – auch das eigentlich fast wie ne richtige Party.

Dieses Setup lässt sich natürlich auch für seriösere Geschichten nutzen, als gemeinsames Remote-Gesaufe, keine Frage. Ich denke, man kann darüber auch recht gut Vorstandsarbeit in Vereinen organisieren in diesen Zeiten. Es lassen sich auch Fenster teilen, man kann zum Beispiel den anderen Teilnehmern ein bestimmtes Dokument zeigen oder so. Das ist schon alles recht schick – insbesondere für gratis.