Corona-Tagebuch: Neuer Winter, neue Welle

Ist nicht fürchterlich viele Corona-Tagebuch-Einträge her, dass ich die Pandemie für einigermaßen beendet erklärt habe. Möglicherweise war das etwas zu früh.

Wobei man andererseits sagen muss, dass von einem totalen Lockdown, wie wir ihn letztes Jahr um diese Zeit bereits hatten, ja nach wie vor niemand spricht. Aber: Veranstaltungen werden reihenweise abgesagt. Und zwar in der Regel freiwillig, aus Vernunft. Und siehe da: Jeder hat sogar ein gewisses Verständnis dafür. Soviel zum Thema, Eigenverantwortung würde ja sowieso nicht funktionieren.

Wie ist die Lage? Naja. Wir haben im Landkreis in dieser Woche eine Coronafallzahl von 480 erreicht und das ist so viel wie noch nie. Seit Beginn der Pandemie gab es im Landkreis rund 10.000 Corona-Fälle. Die Tatsache, dass 500 davon gerade jetzt existent sind, zeigt die Wucht der 4. Welle.

Die Hospitalisierungsinzidenz auf 5 geklettert, die Intensivbettenbelegung mit Coronafällen liegt jetzt bei 7,3%, was eine Verdoppelung seit Oktober ist.

Gemessen an den Umständen im Süden und im Osten Deutschlands ist das immer noch relativ undramatisch. Aber die Fallzahl entwickelte sich ja gerade erst in den letzten Tagen so heftig – und die schweren Fälle davon werden erst in einigen Wochen in den Intensivstationen ankommen. Und das bedeutet, dass die Situation eben auch bei uns derzeit in Richtung beschissen tendiert.

Und man muss sagen, dass abgesehen davon, dass Dinge abgesagt werden und sicherlich auch wieder etwas mehr Homeoffice stattfindet, wir dennoch sehr weit weg davon sind, wie es im letzten Frühjahr war. Weg von dieser Katastrophenstimmung. Paketboten haben damals Masken getragen, das habe ich seit langer Zeit nicht mehr gesehen. Nicht, dass ich das für unbedingt nötig hielte oder wollen würde, aber es zeigt, dass die echte Alarmstimmung eben trotz der Zahlen nicht da ist.

Ist das gut oder schlecht? Schwer zu sagen. Offenbar nehmen wir die Pandemie alle mit einer gewissen Routine und Coolness als gegeben hin. Das ist auf eine Art gut, auf eine andere auch ein bisschen erschreckend.

Möglicherweise bedeutet das aber auch, dass die Mehrheit der Leute sich auch keine weiteren Gedanken mehr macht, wie man Dinge besser machen könnte, damit der Scheiß wirklich endet. Wenn man sich die Entwicklung der Impfquote ansieht, scheint sich dieser Eindruck zu bestätigen.

Wie kann es sein, dass im Radio täglich von ellenlangen Schlangen vor Impfaktionen berichtet wird, wo angeblich hunderte Leute sich Impfungen holen, aber die Quote entwickelt sich einfach kaum weiter?

Die Drittimpfungen gehen gerade erst los und werden erst noch richtig einschlagen. Dann werden alleine die Leute, die ihre Drittimpfung haben möchten, solche Schlangen produzieren – ohne, dass sich an der Impfquote insgesamt etwas verbessert.

Das Ergebnis wird sein, dass wir mindestens so lange Pandemie haben, bis es eine natürliche Durchseuchung bei den Ungeimpften gegeben hat. Wenn das dann noch 5 Jahre dauert oder 10, dann wird das so sein und so wie sich die Leute derzeit mit den Einschränkungen arrangieren, würde das vermutlich sogar irgendwie funktionieren, nur wenig Spaß machen dabei.

Wie man aus Angst vor einem kleinen Nadelpiekser so einen Scheiß auf Jahre verlängern wollen kann, werde ich vermutlich nicht verstehen. Aber genau danach sieht es jawohl aus.

In Dänemark, einem Land, in dem die Pandemie gesellschaftlich schon lange keine Rolle mehr spielt, weil dort eine entsprechende Impfquote erzielt werden konnte, werden jetzt Maßnahmen verschärft. Maßnahmen verschärft heißt dort, dass jetzt 3G-Nachweise nötig sind. Es heißt nicht Maskenpflicht oder Luca-Login oder der ganze andere Krempel, dessen Wirksamkeit sowieso mindestens zweifelhaft ist. Finde ich auch interessant. Man muss aber sagen, dass die Fallzahlen in Dänemark geradezu lächerlich wirken im Vergleich zu dem, was in Teilen Deutschlands los ist.

In den Niederlanden, wo die Regelungen sich denen in den deutschen Ländern allmählich annähern und zum Beispiel flächendeckende 2G-Beschränkungen in Planung sind, brannten an diesem Wochenende ganze Straßenzüge, weil Ungeimpfte gewaltsam gegen ihre eigene Dummheit demonstrieren.

Österreich hat in dieser Woche eine Impfpflicht angekündigt, die im Februar kommen wird. Auch dagegen gibt es Proteste.

Und in Deutschland werden die Rufe nach einer solchen Impfpflicht ebenfalls immer lauter. Ich frage mich, ob so eine Impfpflicht wirklich halten könnte, was sie verspricht, ob sie durchzusetzen ist und wenn ja, um welchen Preis.

Impfpflicht, das bedeutet, dass man am Ende Menschen fangen und fesseln muss, um ihnen dann gegen ihren Willen eine Spritze in den Arm zu jagen. Das ist superkrass und keine Kleinigkeit. So wenig ich verstehe, warum man sich nicht impfen lassen mag, so sehr finde ich es nachvollziehbar, gewaltige Manschetten gegenüber der Einführung einer solchen Impfpflicht zu haben.

Aber was, wenn es die einzige Alternative dazu ist, jetzt Jahr um Jahr im Pandemiemodus zu bleiben?

Und wenn das so ist, könnte dann nicht ein flächendeckendes 2G dafür sorgen, dass zumindest ein großer Teil der aktuellen Impfgegner seine Verweigerungshaltung schon aus reinem Pragmatismus überdenkt und man auf zwangsweise Impfungen verzichten könnte?

Und ist das gut und richtig?

Es ist ziemlich spannend, welche philosophischen Fragen sich da so auftun. Und die sind alle nicht einfach.