Corona-Tagebuch: 11 Stunden Verhandlung für 7 Seiten Text

Wenn man sich vor Augen führen will, wie lachhaft und inkompetent die Regierungen in Bund und Ländern agieren, braucht man sich eigentlich nur mal genauer ansehen, was da gestern Abend passiert ist.

Denn gestern Abend war wieder mal großer Coronagipfel all unserer Regierungen. Zu erwarten war, dass man wie üblich beratschlagt, welche neuen Verbote es so geben soll, die am Ende von Markus Söder verkündet werden, der aus irgendwelchen Gründen immer, wirklich immer nach Berlin fährt – für eine Videokonferenz, wohlgemerkt.

Das war theoretisch gestern auch wieder so. Praktisch allerdings wurde offenbar allen Ernstes 11 Stunden lang verhandelt. Um nichts, wirklich gar nichts zu beschließen.

Denn man ist in diesen 11 Stunden überein gekommen, dass die bisherigen Regeln (das sind die, die uns die aktuelle 3. Welle gebracht haben) total toll sind, aber eingehalten werden sollten.

Über Ostern allerdings wird das „öffentliche, wirtschaftliche und private Leben weitgehend heruntergefahren“.

Sprich: Ostern 2021 sieht aus wie Ostern 2020 und entspricht damit exakt den Erwartungen von uns allen. Abgesehen vom Herunterfahren des Privaten, das wir jetzt aber nunmal auch schon fast ein halbes Jahr erleben, ist Ostern bekanntlich auch außerhalb weltweiter Pandemien eine ganze Batterie von Feiertagen, von denen etliche auch noch sogenannte „stille“ Feiertage sind, an denen sowieso nichts erlaubt ist.

Im Klartext bedeutet diese Osterregelung einfach nur, dass schon Gründonnerstag alles dicht ist und Samstag alles außer Lebensmittelläden geschlossen bleibt. Karfreitag, Ostersonntag und Ostermontag sind hierzulande ohnehin die am krassesten geschlossenen Feiertage und bleiben das halt auch dieses Jahr.

11 Stunden verhandeln und das Ergebnis ist: Wir machen 2 Tage Superlockdown.

Ich hoffe für die Bekloppten von Berlin, dass sie wenigstens viel Freude an ihrer Marathonverhandlung hatten, wenn schon die Ergebnisse eigentlich welche sind, die völlig Banane sind.

Nein, ich habe auch keine Patentlösung für diese Situation parat. Aber wir haben jetzt seit November letzten Jahres Lockdown und der wurde zuletzt bestenfalls symbolisch gelockert und Kinder dürfen wieder ein bisschen Schule und Kita bekommen. Aber schon bevor man diese Mini-Zugeständnisse gemacht hat, stiegen die Zahlen ja, vorher schon machte sich die 3. Welle auf den Weg. Jeder konnte das sehen, wenn er wollte. Sogar ich habe es gesehen, auch wenn ich es nicht gleich als neue Welle erkannt habe (aber ich bin ja auch kein Virologe – Fachleute werden das erkannt haben), sondern lediglich festgestellt habe, dass die Zahlen zwar langsam aber dafür stetig steigen – und zwar trotz harten Lockdowns.

Die Situation stellt sich für mich jetzt so dar: Nach fünf Monaten Lockdown gehen die Bürger zunehmend auf dem Zahnfleisch, was endlich selbst auch den Regierungen nicht völlig entgeht. Faktisch haben wir aber jetzt ungefähr das Niveau erreicht, das die erste Welle auf ihrem Höhepunkt hatte. Nur, dass die Infektionszahlen damals eben stagnierten.

Damals waren natürlich Schulen zu und alle, die irgendwie konnten, machten Home Office, wo das nicht möglich war, wurden teilweise Arbeitsstopps eingelegt, beispielsweise bei Volkswagen.

Jetzt ist das nicht der Höhepunkt, sondern vielleicht erst der Anfang der Welle. Rein logisch könnte man erwarten, dass der Lockdown zumindest so hart wie im letzten Jahr um diese Zeit gemacht wird.

Kann man aber nicht, weil man ja jetzt schon ewig Lockdown gemacht hat und sich seine Wirkung abgenutzt hat. Weil jeder sieht, wie wenig Lockdown am Ende bringt und zu welchem Preis, sinkt eben das Verständnis für diese Maßnahme.

So ist die Lage aktuell im Landkreis. Der Mini-Hügel da links ist übrigens die erste Welle im vergangenen Jahr.

Und ich weiß auch nicht, ob noch mehr Lockdown wirklich die Lösung wäre.

In dem Papier steht auch noch, dass nach Ostern dann übrigens Testen ganz wichtig wird. So, als wäre Testen bisher scheißegal gewesen. War es natürlich nie, nur haben sich die Superverhandler da bisher einen schlanken Fuß gemacht und erst seit dem 8. März kann man überhaupt von der Regierung bezahlte Schnelltests machen. Vorher war es schwierig und mit einiger Beschäftigung mit dem Thema verbunden, überhaupt an Testkits zu kommen, auch so ein Ding, das schwer nachvollziehbar ist: Warum hat man damit eigentlich nicht schon im letzten Herbst angefangen?

Damit hätte man sich den aktuellen Lockdown weitgehend sparen können und die Leute wären vielleicht nicht ganz so lockdownmüde gewesen, wie sie es jetzt sind.

11 Stunden verhandelt, 7 Seiten Zeug zusammengeschrieben. Das Inhaltlich im Wesentlichen sagt, dass sich nichts an den Regelungen ändert.

Deutlicher kann man nicht machen, dass man keinen Plan, keine Strategie, kein gar nichts hat, sondern sinn- und kopflos im Nebel stochert und irgendwelche Verbote aus der Hüfte schießt, weil die Leute nunmal erwarten, dass irgendwelche Verbote dabei rauskommen.

Die Losung

„Es gilt damit an fünf zusammenhängenden Tagen das Prinzip #WirBleibenZuHause“

Originalzitat aus dem Papier

wird als großer Wurf verkauft. Als wäre das jetzt irgend eine Änderung, als hätten wir alle soeben damit begonnen, großartige Zusammenkünfte an Ostern zu planen.

Das die stillen Tage auf Gründonnerstag und Ostersamstag ausgedehnt werden, soll jetzt diese dritte Welle brechen.

Wisst Ihr noch, wie es letztes Jahr war? Da ging jetzt um diese Zeit alles dicht und Leute treffen durfte man dann ab 8. Juni sehr zaghaft wieder.

Zu dem Zeitpunkt hatten wir ungefähr einen Monat lang kreisweit deutlich unter 100 aktuelle Coronafälle. Aktuell stehen wir kurz vor 400.

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So sah es Anfang Juni 2020 aus, das war die Situation, in der man wieder Leute treffen durfte.

Ich stelle mir die Frage, ob man in diesem Jahr eigentlich noch jemals wieder legal mehr als eine Person gleichzeitig wird treffen dürfen.

Und wenn nein, ob wirklich irgendwer erwartet, dass sich daran gehalten werden wird.

Ich bin ein großer Freund davon, wenn Regeln rational begründbar sind. Aber sie müssen gleichzeitig auch akzeptiert und durchsetzbar sein. Dass sie akzeptiert werden, halte ich für den wichtigsten Punkt.

Die Coronaregeln sind größtenteils nicht mal rational begründbar. Auch hier stochert man im Nebel und verbietet lieber etwas mehr als zu wenig. Was im letzten Jahr noch verständlich war, weil Pandemie etwas ganz Neues für die Berliner Runde war. Inzwischen hätte ich etwas mehr Evidenz erwartet. Und die würde gleichzeitig automatisch für mehr Akzeptanz sorgen.

Die Akzeptanz schwindet aber jede Woche – selbst bei ganz normalen Menschen, die sehr weit davon entfernt sind, die Gefahren der Pandemie zu relativieren.

Und durchsetzbar sind diese ganzen Regeln allenfalls für den wirklich öffentlichen Raum: Für Geschäfte, vielleicht noch für Unternehmen. Im privaten Bereich ist das fast unmöglich.

Nicht zum ersten Mal stelle ich darum fest, dass die Ignoranz des Faktors „wie akzeptiert ist das alles eigentlich noch in der Bevölkerung?“ eine absolute Katastrophe ist.

Steht für mich zunehmend auf einer Stufe mit dem Impfversagen. Wobei letzteres eigentlich viel leichter hätte vermieden werden können, denn dazu hätte man ja nur genug Impfstoff kaufen müssen…