Im Westen nichts Neues

Die Schlachtfelder der Westfront sind auch hundert Jahre später noch gut erahnbar. Wir sehen hier einen Laufgraben und drumherum jene Mondlandschaft, die die Artillerie geschaffen hat. Die Gräben sind teils zugeschüttet worden, dort befinden sich vermutlich auch heute noch Leichen, es werden auch bis heute noch immer wieder Leichenteile gefunden und geborgen. In den Gräben befinden sich allerdings auch Blindgänger und andere Sprengstoffe und weiß der Teufel was noch alles, so dass die höchstwahrscheinlich niemals jemand aufmachen wollen wird und die Landschaft ohnehin für immer so aussehen wird, wie der Krieg sie hinterlassen hat.

Es fühlt sich nicht wirklich richtig an, sich auf so einen Film zu freuen aber es war trotzdem so. Ich kenne die beiden älteren Verfilmungen und natürlich auch das Buch. Letzteres habe ich zuletzt im November 2017 gelesen – während ich fast auf den Tag genau 99 Jahre nach Kriegsende durch die Schlachtfelder Frankreichs gereist bin. Also: Ja, ich bin da am Thema und guck mir sowieso jeden Film und jede Doku dazu an und in diesem Sinn habe ich mich eben auch auf diese Neuverfilmung, die wohl die teuerste deutsche Filmproduktion gewesen sein soll, die Netflix jemals finanziert hat, einfach gefreut.

Und das nicht zu Unrecht. Dieser Film gehört zu den grauenhaftesten Kriegsfilmen aller Zeiten – und das Grauen ist ausdrücklich auf die gezeigten Schrecken des Krieges bezogen, während der Film an sich handwerklich, schauspielerisch und von den Bildern her großartig ist und man sich einmal mehr fragt, warum deutsche Filme eigentlich nicht immer so fantastisch gemacht werden können.

Als halber Weltkriegs“nerd“ habe ich zwar mit leichter Enttäuschung festgestellt, dass die Titelgebende Meldung „Im Westen nichts Neues“ in diesem Film so irgendwie keinen Sinn macht, weil die Story – auch wenn eigentlich alle wichtigen Szenen aus dem Buch vorhanden sind, so wie ich es empfinde – etwas anders gestrickt wurde. Der Titel ist ja deswegen so beeindruckend, weil diese Meldung an dem Tag, an dem der Titelheld gefallen ist, im Heeresbericht steht. Einfach, weil der Tod tausender nicht mal mehr eine Meldung wert gewesen ist.

Diesen kleinen Schönheitsfehler kann man allerdings verzeihen, denn der ist nötig, weil der Film uns das Kriegsende präsentiert und wir auch Szenen der Verhandlungen im berühmten Bahnwaggon zeigt – die sich fast genauso bitter anfühlen, wie die teilweise wirklich fiesen und erdrückend realistischen Kriegszenen in den Schlamm- und Matschfeldern der Westfront, wo man eigentlich schon ohne umherfliegende Kugeln und Granaten wirklich keine Sekunde sein möchte.

Der Film ist lang, länger auch, als es die eigentliche Story gebraucht hätte. Aber so bildgewaltig, dass diese Länge einfach gerechtfertigt ist, weil uns hier beeindruckend gezeigt wird, wie es in diesem vielleicht beschissensten aller Kriege gewesen sein könnte.

Ein nachhaltig beeindruckender Film also in jeder Hinsicht. Zu einem Thema, dass derzeit leider eben auch aktueller denn je ist. Unbedingte Guck-Empfehlung – wenn man etwas für solche schweren Stoffe übrig hat. Denn unterhaltsam in dem Sinn ist der Film nicht, kann und sollte er aber natürlich auch nicht sein.