Es ist Sonntag und wir gehen in Woche 6 des Lockdowns. An diesem Wochenende hätte der FDP-Landesparteitag stattfinden sollen. Man hatte ihn nach dem Lockdown zunächst in den Juli verschoben (was ich optimistisch fand) und hat ihn jetzt noch einmal in den Oktober verschoben (was ich optimistisch finde).
Ein paar Lockerungen sind beschlossen worden. Keiner weiß, wie klug das ist. Aber zunehmend bekomme ich den Eindruck, dass Massenpsychologie wesentlich mehr Berücksichtigung finden sollte bei der weiteren Vorgehensweise. Eben weil kein Mensch seriös sagen kann, wie lange wir jetzt noch unter gefängnisähnlichen Umständen weiterleben müssen.
Ziel des Ganzen ist ja, die Infektionen unter Kontrolle zu bekommen. Sprich: Sie soweit runter zu bekommen, dass man Infektionsketten nachvollziehen und eindämmen kann.
Das war noch nie ein unumstrittenes Ziel aber je länger der Weg dorthin wird, desto mehr Leute halten ihn für unsinnig. Was verständlich ist, denn je länger das alles dauert, desto mehr Lebenszeit wird uns sozusagen gestohlen. Wie viele Urlaube sind jetzt schon flachgefallen, wie viele Veranstaltungen, auf die wir uns Monate, vielleicht Jahre gefreut haben?
Und das sind dabei nur die Beispiele, die man noch am leichtesten wegsteckt. Ich stelle sowohl bei mir, als auch bei vielen Freunden fest, dass uns langsam aber sicher wirklich der Kontakt zu Menschen fehlt. Und sei es nur, dass man mal zu viert oder fünft im Kreis sitzen und ein paar Bier trinken kann oder so.
Diesen Effekt beobachte ich bei Leuten, die – wie ich – trotzdem viel Verständnis für die Maßnahmen haben. Wie viel Zorn staut sich wohl in Leuten auf, denen schon dieses Verständnis fehlt?
Und was, wenn solche Leute denn in Kürze auch noch alle ihren Job verlieren?
Wie schlimm das alles noch wird, kann keiner sicher vorhersagen und ich möchte auch wirklich kein Schwarzmaler sein. Aber ich glaube, es ist nicht blöde, mit dem schlimmstmöglichen Verlauf zu rechnen, wenn es um die wirtschaftlichen und damit verbunden auch politischen Folgen geht, die uns diese Pandemie noch bescheren wird. Und ich habe den Eindruck, dass sich darüber kaum jemand Gedanken macht, einfach, weil – abgesehen vom zunehmenden Coronakoller, eben dieses mir-fällt-die-Decke-auf-den-Kopf-Gefühl – ja alles immer noch bestens funktioniert und Dank der Kurzarbeitsregelung zumindest in Deutschland auch bisher kaum Jobs weggefallen sind. Das wird sich aber alles noch ziemlich heftig ändern.
Aber kurzfristig machen sich alle noch so ihre Gedanken über Dinge wie: Werde ich wohl meinen Geburtstag feiern können? Oder: Jetzt hab ich so viel aufgeräumt und aussortiert, wann werden denn jetzt Flohmärkte erlaubt sein?
Und es ist wirklich nicht gesagt, dass irgendwas davon noch in diesem Jahr wieder erlaubt werden wird. Auch da möchte ich kein Schwarzmaler sein. Halte es aber für angebracht, von jeglichen konkreten Planungen für irgendwas in diesem Jahr einfach abzusehen.
Die Regierung hat unser Privatleben schlicht und ergreifend stillgelegt, auf unbestimmte Zeit. Und immer noch wundere ich mich jeden Tag darüber, dass so etwas überhaupt möglich ist.
Aber andererseits hat die Regierung uns ja offenbar sogar Vorschriften für korrektes Eislecken gemacht:
Wenn man nicht sofort dreistellige Beträge an Bußgeldern riskieren würde, hätte ich wirklich Lust, mir mal ein Eis zu holen und in Sichtweite zur Polizei ein illegales zweites Mal dran zu lecken innerhalb der 50-Meter-Bannmeile rund um die Eisdiele. Oder zu gucken, was passiert, wenn mein Sichentfernen doch nicht ganz so zügig vonstattengeht.
Es bleibt dabei: Interessante Zeiten sind das. Nicht auf die coole Art aber das ist ja nicht zu ändern.