Die Bundesregierung macht nach wie vor vor allem zweifelhafte Schlagzeilen. Das ist meine Empfindung. Sie scheint sich von der allgemeinen Empfindung teilweise dramatisch zu unterscheiden, denn irgendwie tun alle so, als würde vor allem Merkel einen unglaublich tollen Job machen. Dem würde ich an sich nicht mal unbedingt widersprechen wollen – aber Merkels Job in Bezug auf Corona beschränkt sich halt auch eigentlich mehr oder weniger darauf, die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu bündeln und daraus irgendwelche Empfehlungen abzuleiten. Die werden dann aber von den Ländern umgesetzt oder auch nicht.
Merkel macht ihren Job gut bedeutet also im Prinzip nur, dass diese Empfehlungen an die Regierungen irgendwie brauchbar sind. Mal abgesehen davon, dass die außer hoffentlich dieser Regierungen wohl kaum jemand im Detail analysiert, weiß aber ja eigentlich niemand, wie gut oder schlecht die wirklich sind.
Aber meinetwegen macht die Bundesregierung zumindest an der Stelle einen guten Job, okay.
Aber sonst?
Der Bundesgesundheitsminister kommt mit der originellen Idee um die Ecke, infizierten aber nicht mehr infektiöse Menschen einen Immunitätsausweise zu geben, mit dem sie dann wieder ein weitgehend normales Leben führen können sollen. Was könnte bei dieser Idee schon schiefgehen?
Also, abgesehen davon, dass ab dem Moment, wo diese Ausweise sicher kommen, auf einmal jeder sich so schnell wie möglich infizieren wollen wird, sofern er sich im Großen und Ganzen guter Gesundheit erfreut?
Dass man damit auch mal eben den Datenschutz in Sachen Krankenakten rasiert, weil man ja zumindest diese Infektion offenlegen müsste, ist ein weiteres offensichtliches Problem an dieser Idee. Aber Spahn ist eben Spahn, erstmal einen raushauen heißt seine Devise.
Gestern hat dann noch der Bundeswirtschaftsminister seinen Blick auf die Lage der Nation und eben insbesondere ihrer Wirtschaft verkündet. Und auch hier weiß man nicht so genau, was man davon halten soll. Bild schlagzeilt was von „Schock-Zahlen“ aber in Wirklichkeit verharmlost er die Situation wahrscheinlich völlig.
Denn vordergründig spricht er zwar von der schwersten Rezession in der Geschichte der Bundesrepublik (die wird es zweifellos), sieht aber die deutsche Wirtschaft im best-case 2022 wieder auf Vorkrisenniveau.
Das Bruttoinlandsprodukt soll 2020 seiner Prognose nach um 6,3 Prozent zurückgehen, 370.000 zusätzliche Arbeitslose sind angeblich zu erwarten.
Da sind die 10 Millionen Kurzarbeiter noch gar nicht inbegriffen – ein guter Teil davon wäre aber längst arbeitslos, gäbe es mit der Kurzarbeit nicht diesen ja gar nicht so doofen Zwischenstatus. Wie viele dieser 3 Millionen am Ende wieder ihren Job voll machen können, wie viele der zigtausenden Firmen in Schieflage die Krise überleben, das alles weiß eigentlich auch die Bundesregierung nicht so ganz genau und schweigt sich darüber in diesem Bericht vorsichtshalber erstmal so gut es geht aus. Das zumindest ist einigermaßen intelligent.
Nicht so intelligent sind die angeblichen Hilfen. Wem – außer den direkt Betroffenen – soll es eigentlich helfen, das Kurzarbeitergeld zu erhöhen? Ich mein, ich gönne das den Leuten ja. Aber wie uns das aus der Krise führen sollte, ist höchst zweifelhaft. Wer länger von Kurzarbeit betroffen ist, kriegt dann 80 Prozent, wenn er Kinder hat sogar 87. Schön und gut aber was genau soll das? Also, außer bei der Bundestagswahl im nächsten Jahr ein paar Stimmen zu bringen (falls diese stattfinden kann)?
Interessant auch die widersprüchlichen Äußerungen Altmaiers zu Hilfen für die Wirtschaft. Er schließt zum Beispiel aus, unternehmerische Entscheidungen zu treffen, wenn der Bund demnächst die Lufthansa kauft. Gleichzeitig erzählt er aber auch noch, dass er erwartet, dass Unternehmen keine Dividenden ausschütten und dass das Management auf Teile seines Gehaltes verzichten sollte. Derartige Vorschläge scheinen für ihn also demnach keine ernsthafte Einmischung in die Politik von Firmen zu sein. Das ist ein interessantes Selbstbild.
Lustig finde ich auch, dass man für den Export schon für 2021 mal eben eine Steigerung von 7,6 Prozent prognostizieren mag. Die Auswirkungen der Krise bis Ende des Jahres sind noch gar nicht abzusehen und auch, wenn es viele Exportbranchen vielleicht weniger betreffen mag als andere Branchen, halte ich solche pseudokonkreten Vorhersagen dann doch für äußerst gewagt.
Vor allem, wenn man vorher noch was von schwerster Rezession der Geschichte der Bundesrepublik faselt.
Grade eben lese ich noch, dass der Kanzleramtschef Helge Braun heute schon mal verkündet haben soll, dass die Kontaktbeschränkungen bis 10. Mai verlängert werden würden. Nicht, dass die Bundesregierung das zu entscheiden hätte. Was ziehen die da wieder für ne Show ab? Die Beratungen dazu finden irgendwann heute im Lauf des Tages erst statt. Sprich: Die, die diese Kontaktbeschränkungen verfassungsrechtlich verfügen können, haben dazu noch gar nichts gesagt, da schafft das Bundeskanzleramt schon mal ein paar Fakten.
Es wäre zuviel gesagt, dass einen Staatsstreich zu nennen aber es geht jedenfalls hart in diese Richtung. Und es ist auch nicht das erste Mal, dass die Bundesregierung versucht, vorab irgendwas zu verkünden und damit Fakten zu schaffen – ohne irgendein Recht dazu zu haben.
Alles in allem würde ich die Performance der Bundesregierung wohlwollend als fragwürdig bezeichnen.
Außer bei den Umfragen. Da ist sie spitzenmäßig. Die Leute kaufen den Mist halt.
Unterdessen hat Niedersachsen die 10.000-Marke an Infektionen geknackt. Wobei davon aber über 7000 auch bereits wieder genesen sein sollen. In Bayern sind es vier Mal so viele Infektionen – und noch nicht genesen sind allein dort so viele, wie in Niedersachsen jemals infiziert waren. Ironischerweise gilt ausgerechnet Markus Söder, Bayerns Ministerpräsident, bei vielen Volltrottelnmündigen Bürgern als voll der geile Anpacker und Krisenmanager in Bezug auf Corona. Demokratie und ihre Blüten…
Runtergebrochen auf meinen Landkreis sind es derzeit 197 aktive Corona-Fälle. Es gab 9 Tote und 497 Fälle insgesamt.
Ich habe zum Verlauf in meinem Landkreis mal eine Google-Tabelle erstellt und mit einem Diagramm visualisiert. Quelle sind die offiziellen Zahlen des Landkreises.