Das Grundgesetz ist schlecht. Es mag besser sein, als viele andere Verfassungen und auch besser, als viele Verfassungen der deutschen Geschichte. Aber statt wichtige Grundrechte zu schützen, erklärt es eigentlich nur, dass diese total wichtig sind – um sie anschließend dann bis zur Unkenntlichkeit zu verstümmeln. Ich denke nicht, dass das die Absicht der Autoren des Grundgesetzes gewesen ist aber das kümmert die heutige Politik deswegen ja nicht. Denn die nutzt zunehmend jede Lücke. Zynisch werden Gesetze längst regelmäßig bis an die Grenze der Verfassungswidrigkeit und viel zu oft auch darüberhinaus formuliert. Der Rahmen des Grundgesetzes wird gedehnt, wo immer es geht und ihn dann doch auch mal zu sprengen ist längst keinem Politiker mehr auch nur peinlich. Ein Skandal ist eine Niederlage vor dem Verfassungsgericht schon lange nicht mehr.
Ein Beispiel für die Untauglichkeit des Grundgesetzes als Schützerin der Grundrechte ist der Artikel 14. In Ihm geht es um das eigentlich wichtigste aller Grundrechte: Dem Eigentum. Warum ist Eigentum so wichtig? Weil sich daraus sämtliche anderen Grundrechte ableiten lassen. Denn wenn ein Staat mir abspricht, dass mir mein Haus, mein Geld, ja sogar ich selbst mir gehöre, dann kann er am Ende mit mir machen, was er will.
Doch was sagt unser Grundgesetz dazu? Es sagt, Eigentum und Erbrecht würden gewährleistet. Und statt es bei diesem Satz zu belassen, beschäftigt sich der Artikel im Folgenden damit, diesen ersten Satz völlig zu entwerten. Höhepunkt ist natürlich der faktische Einbau einer Diktatur ins Grundgesetz, mit dem zweiten Satz und seinem berühmten „Eigentum verpflichtet.“ Wenn Eigentum grundgesetzlich gesehen dem „Wohl der Allgemeinheit“ zu dienen hat und Regierung und Parlamente bekanntlich den Job haben, dieses Wohl der Allgemeinheit zu definieren, dann bedeutet der zweite Satz nichts Geringeres als dass im Zweifel unser aller Eigentum vom Wohlwollen des Staates abhängt und wir in Wirklichkeit gar nichts besitzen.
Artikel 14
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.
Wollte der Artikel 14 GG wirklich Eigentum schützen, statt den Fortbestand dieses Grundrechtes ausgerechnet von den Launen der Regierung (also dem Akteur, vor dem so eine Verfassung normalerweise die Grundrechte schützen soll) abhängig zu machen, müsste der Artikel ungefähr so aussehen:
Womit einmal mehr bewiesen wäre, dass wer viele Worte für einfache Sachverhalte macht, mitunter das Gegenteil dessen erreicht, vielleicht auch erreichen will, was zu behaupten er vorgibt.