Heute vor genau fünf Jahren besuchte Angela Merkel meine kleine Heimatstadt Winsen (Luhe). Man munkelt, sie schuldete dem hiesigen Bundestagskandidaten und heutigem Abgeordneten Grosse-Brömer noch einen Gefallen oder so, ganz normal ist es jedenfalls ja nicht, dass eine Bundeskanzlerin sich mitten im Wahlkampf in ein 35.000-Einwohner-Kaff verirrt. Für die Stadt und ihre Bürger war das schon ein Highlight und natürlich war ich auch da.
Wer auch da war, waren die Demonstranten von der AFD. Damals schon. Natürlich ging es denen damals nur um Bankenrettungen und Euro, die Ausländerfeindlichkeit war ja 2013 noch kein Aushängeschild der AFD.
Dazu muss man wissen, dass die AFD in meiner Stadt so etwas wie ihre Keimzelle hat. Denn Bernd Lucke, der die Partei ja mit gegründet hatte und auch ihr erster Vorsitzender gewesen ist, kommt nicht etwa, wie häufig in den Medien dargestellt wurde, aus Hamburg, sondern lebte und lebt in einem kleinen Dorf direkt neben meinem, dem Winsener Ortsteil Stöckte.
Und so kommt es eben, dass die 2013 noch sehr junge Partei eben hier in Winsen auch damals schon eine relativ große Truppe um sich scharen konnte, die sich anlässlich Merkels damaligen Auftritts denn auch versammelt hatte.
Bewaffnet mit Schildern, auf denen die Euro-Thematik behandelt wurden, standen sie die meiste Zeit aber trotzdem nur ganz ruhig, fast schüchtern da und hörten einfach der Kanzlerin zu. Vom schrillen, peinlichen Trillerpfeifen-Pöbel, der heute derartige Aktionen der AFD markiert, war das Lichtjahre entfernt.
Ich erinnere mich aber, dass ich es damals schon höchst befremdlich fand, dass eine Partei sich sozusagen organisiert mit Schildern bewaffnet, um eine Wahlkampfveranstaltung des politischen Gegners zu „bereichern“. Zum damaligen Zeitpunkt war ich bereits über 10 Jahre aktives, wahlkämpfendes Mitglied einer Partei und kannte die Gepflogenheiten also so ein wenig. Und ein derartiges Verhalten war völlig neu für mich.
Es scheint, als wäre Gepöbel als Kern schon damals Teil der AFD gewesen. Man hat in den fünf Jahren darauf lediglich die Themen ein bisshen durchgewechselt, sich offen radikalisiert und bekennt sich nun ganz offen zur Ausländerfeindlichkeit. Und man hat, Übung macht hier wohl den Meister, eben auch jede Scham abgelegt, seinen Unmut laut und tumb rauszuposaunen, die damals noch erkennbar vorhanden war.
Wenn ich mir das Pack heute so ansehe, frage ich mich manchmal, wie viele der damaligen Mitstreiter zu echten Mitläufern wurden, ihre Meinung immer weiter Richtung rechtsextrem wandelten und heute an den Trillerpfeifenmobs teilnehmen und wie vielen ihre anfängliche Unterstützung für die damals schon leicht peinliche aber eben noch nicht als rechtsradikal verschriene Partei heute als Fehler betrachten.
Es war damals vielleicht nicht genau der erste Auftritt des AFD-Pöbels aber zwangsläufig einer der ersten. Ich war also sozusagen Augenzeuge, wie die AFD-Jammergroupies entstanden sind.