Die riesige Horde an Apokalyptikern, die einem in Talkshows und sozialen Medien so begegnen, wird nicht müde, die ominöse „zweite Welle“ zu prophezeihen. Nachdem es jetzt an verschiedenen Orten wieder mehr Infektionen gibt, geht das natürlich mal wieder los.
Ich habe mal ein neues Diagramm aus den Infektionszahlen des Landkreises gebastelt. Denn hier im Landkreis haben wir jetzt erstmals seit April wieder einen steigenden 7-Tage-Trend, was die Zahl der aktuell Infizierten angeht. Und natürlich fragt man sich: Wie groß ist der „Rückschritt“, wie schlimm ist diese Entwicklung? Ich glaube, dass mein neues Diagramm das etwas einzuordnen hilft.
Das wichtige ist die rote Kurve. Sie zeigt an, wie heftig die Zahl der Infizierten in den jeweils letzten 7 Tagen angestiegen ist. Es wird vornweg erstmal vor allem eines deutlich: Wer also die aktuelle Entwicklung bereits als „Welle“ bezeichnen möchte, der wird konstatieren müssen, dass es dann nicht die „zweite“ Welle sein kann, sondern mindestens die vierte. Jedenfalls ausgehend von der Zahl der jeweils aktuell Infizierten. Ich weiß nicht, ob Virologen das genauso rechnen aber so würde ich halt jetzt mal unbedarft auf die aktuelle Entwicklung blicken wollen.
Wir sehen auch, dass der Anstieg in seinem heutigen Ausmaß kleiner und flacher ist, als alle vorherigen.
Von daher und nur in Bezug auf die aktuelle Entwicklung würde ich mich mal zu einem „alles halb so wild“ hinreißen lassen. Was nicht heißt, dass es sich noch wieder anders entwickeln könnte.
Wie so oft werden die nächsten Tage also interessant. Es wird sich zeigen, wie groß der Ausschlag noch wird oder ob das vielleicht wirklich nur eine kleine Pendelbewegung der roten Linie um den Nullpunkt wird.
Bundesweit gibt es derzeit einen Landkreis, der wirklich heftig angestiegen ist und der liegt wieder mal in Bayern.
In Aichbach-Friedberg hat es binnen 7 Tagen 55 Neuinfektionen gegeben – 50 markiert die Grenze, über der es in den Lockdown zu gehen hat. Der Landkreis hat allerdings absolut auch nur 74 Fälle – wir haben es hier also wieder mal mit einem Ereignis mit sehr vielen Infektionen an einem Punkt zu tun, nämlich wohl den Unterkünften von Erntehelfern.
Das ist etwas, mit dem ich ehrlicherweise sowieso schon seit Wochen rechne, weil ich weiß, wie die Leute leben. Das hat etwas von Zeltlager und eine ernsthafte Trennung, wie sie jeder andere erlebt, wird sich dort kaum durchsetzen lassen, sofern sie überhaupt möglich wäre.
Jedenfalls ist dieser Ausbruch dort kein Wunder und keine Überraschung.
Ich weiß auch nicht, ob dort jetzt wieder harter Lockdown ist oder droht. Aber da die Probleme ja nun gerade weder in Restaurants, noch bei Friseuren oder wo auch immer die Apokalyptiker die Ursache dieser immer noch nicht erkennbaren zweiten Welle sonst noch so gesehen haben wollen aufgetreten sind, wäre das eigentlich auch Unsinn.
So wie vielleicht diese ganze 50er-Regel? Es ist jetzt glaube ich das zweite Mal, dass man einen solchen Anstieg irgendwo messen konnte und in beiden Fällen waren die gern kritisierten Lockerungen absolut nicht das Problem. Und zumindest im ersten Fall (das war glaube ich irgendein Schlachthof im Westen?) hat es diesen Lockdown halt nicht gegeben, weil man das genau so gesehen hat.
Heißt für mich, dass solche massiven Infektionen also nicht durch vermeintlich zu offene Hygieneregeln geschehen, sondern dort auftreten, wo diese nicht eingehalten werden oder nicht eingehalten werden können. Womit sie vielleicht sowas wie ein Risiko sind, mit dem man irgendwie leben lernen muss.
Das würde aber auch bedeuten, dass die Regeln wie sie sind eben nicht in Richtung von „mehr Leute treffen als 1“ gelockert werden könnten.
Zumindest nicht in Richtung „triff bis zu 20 Leute“. Man könnte aber die Grenze ja wenigstens auf 3-5 hochsetzen, damit zumindest rudimentäres Sozialleben vor dem Herbst noch mal ein paar Wochen stattfinden könnte. Und ja, wenn sich das als katastrophaler Fehler herausstellt, soll mans meinetwegen sofort wieder ändern…