Die Bundesregierung möchte die „epidemische Notlage von nationaler Tragweite“ verlängern. Und zwar nicht, wie man angesichts der tatsächlichen Situation vermuten könnte, um 10-14 Tage, sondern um 3 Monate. Bis Ende September wäre das. Danach werden die Zahlen vermutlich tatsächlich auch wieder steigen – vielleicht und hoffentlich auf völlig undramatischem Niveau. Aber wenn die derzeitige Situation der Regierung schon zu krass ist, was bitte ist dann das konkrete Ziel?
In Hamburg oder Schleswig-Holstein ist das deutlich praxisnäher, da wurde das längst auf 5, bzw. 10 Haushalte ausgeweitet. Wenn ich nicht – da zum Glück geimpft – in absehbarer Zeit sowieso nicht mehr dazuzählen würde, würde ich mir vermutlich jetzt ein Monatsticket für die Elbfähre holen und mich dann eben drüben mit Freunden an den Strand setzen statt hier. Es ist lächerlich.
Im Landkreis Harburg fiel die Inzidenz gestern auf unter 4. In zwei Gemeinden gab es 2 Infektionsfälle in den letzten 7 Tagen, in vier gar keinen, in sechs Gemeinden genau einen. 10 Fälle in 7 Tagen, 19 Infektionsfälle sind es in Summe.
Zugegeben: bundesweit liegt der Schnitt „nur“ knapp unter Inzidenz 20, Bayern und Baden-Württemberg liegen immer noch über 20. Es gibt auch noch einzelne Landkreise mit einer Inzidenz über 50. Und zwar ziemlich genau 12 an der Zahl. Vornehmlich in Süddeutschland.
Aber wenn so eine kriegsähnliche Notlage aussieht, die das Kastrieren sämtlicher Grundrechte rechtfertigt, dann endet diese Sorte Notlage nie.
Dummerweise ist das genau das, was die ganzen Verschwörungsspinner seit Monaten sagen. Was bisher vielleicht auch scheißegal sein konnte – aber innerhalb dieser 3 Monate läge dann bald die Bundestagswahl und vor diesem Hintergrund kann ein derart übertriebenes Handeln wie ein Konjunkturprogramm für Extremisten wirken. Auf deren Getöse wir Demokraten derzeit kaum seriös antworten könnten, weil kein normaler Mensch mehr versteht, was an Inzidenzen unter 4 noch der superdramatische Notfall sein soll.
Für mich ist das ein weiterer Beleg dafür, in was für einem Elfenbeinturm diese Regierung sitzt. Die merken gar nichts mehr und haben jedes Gespür für den gesunden Menschenverstand, aber auch für die Situation im Land und die Stimmung bei den Bürgern verloren.
Acht Monate harter Lockdown mit wirklich weitreichenden Kontaktbeschränkungen. Wer das erlebt und so durchgezogen hat – und das habe ich, mit sehr, sehr wenigen Ausnahmen – will einfach nur noch dass es endlich aufhört. Und die Situation gäbe das auch grundsätzlich her.
Zudem sind inzwischen knapp 40 Millionen Deutsche geimpft. Grob die Hälfte. Und bezogen auf Deutsche über 60 Jahren sind sogar über 80 Prozent geimpft, wenigstens ein erstes Mal – aber fast jeder zweite davon auch bereits zweimal.
Gegründet wird die Verlängerung der Notlage mit Verordnungen, die an diese Notlage geknüpft sind. Das betrifft Testangebote oder auch die Unterstützung von Eltern bei pandemiebedingten Schulschließungen.
Rein praktisch kann ich das nachvollziehen aber, dass man die Verordnungen nicht auf eine normale Grundlage stützen will, sondern faktisch den Ausnahmezustand verlängert, empfinde ich als Grundrechtsfan als äußerst bedenklich.
Ausnahmezustand aus organisatorischen Gründen. Aus Faulheit, Gesetze und Verordnungen anzupassen. Aus Nachlässigkeit, jene Verordnungen überhaupt jemals auf diese Notlage, deren Vergänglichkeit von Anfang an bekannt war, zu stützen statt auf tragfähige Fundamente.
So etwas ist doch nicht nur unmittelbar vor Wahlen eine komplett bescheuerte und handwerklich ohnehin fragwürdige Praxis.
Seit gestern kann man den digitalen Impfpass bekommen. Theoretisch. Praktisch natürlich nicht, denn die Impfzentren sind noch lange nicht so weit, die Landesregierung plant das irgendwie irgendwann zu bewerkstelligen – wir wissen inzwischen alle, was das heißt: Mit Glück in wenigen Wochen, vielleicht aber auch erst in Monaten, möglicherweise auch nie oder erst, wenn es sowieso nicht notwendig ist.
Weil man auch hier wieder erst reichlich spät angefangen hat, das umzusetzen. Der richtige Termin wäre spätestens der letzte Dezember mit dem Impfstart gewesen. Da hätte man gewusst: Okay, in spätestens sechs Wochen muss das fertig sein, denn dann sind die ersten durchgeimpft.
Wohlwollend hätte man dann noch sagen können: Da es ja der Staat ist und das deswegen garantiert viel länger dauert und das Impftempo vor April aufgrund von Staatsversagen anderswo sowieso einfach nur lächerlich war, verdreifachen halt wir die Zeit. Dann hätte das im April oder Mai fertig sein müssen.
Immerhin kann man sich diesen digitalen Impfass ab Montag wohl in diversen Apotheken ausstellen lassen, gegen Vorlage des normalen gelben Papier-Impfpasses. Über diese Seite hier soll man dann wohl recherchieren können, welche Apotheken das anbieten. Wie man hört, werden Apotheken für diesen „Job“ aber auch wieder mal extrem gut bezahlt, sodass ich guter Hoffnung bin, dass so ziemlich jede Apotheke dabei sein wollen wird und ich nächste Woche eine finde, die mir meine Impfung digitalisiert.
Die Apps dafür sind seit gestern oder vorgestern fertig und verfügbar. Es gibt eine spezielle Impfpass-App des RKI dafür, alternativ wurde die Corona-Warn-App aber ebenfalls um dieses Feature erweitert.
Ja, statt des digitalen Impfpasses kann man auch das gelbe Büchlein notfalls mitbringen. Will man natürlich nicht, denn das Ding ist fürchterlich unhandlich und verlieren will mans ja schon gar nicht, wenn völlig unklar ist, ob man jemals eine echte Bescheinigung für seine Impfung erhalten können wird und wenn ja, ob bereits in zwei, drei Monaten oder doch erst übernächstes Jahr oder so.
Die Fallzahlen sinken und die Inzidenzen sind im Freien Fall – nur der Verkackungsgrad des Bundes und der Länder bleibt auf einem stabilen und hohen Niveau. Kontinuität á la Groko.