Klingt reißerisch? Ja. Aber eine Verdoppelung binnen einer Woche ist nunmal krass. Muss an sich Gründe haben. Jedenfalls ist die Inzidenz im Landkreis seit dem 11. Juni von damals 2,8 auf nun 5,5 gestiegen.
Die Hälfte aller aktuellen Infektionsfälle gibt es in den Gemeinden Seevetal und Neu Wulmstorf. Und in der Hälfte aller Gemeinden gibt es gleichzeitig überhaupt keine Infektionen, in drei Gemeinden jeweils eine und in einer zwei.
Von den absoluten Zahlen her wäre es lächerlich, hier irgendeine Dramatik reindichten zu wollen. Wir reden auch in den „Hot Spots“ Seevetal und Neu Wulmstorf von in Summe ganzen neun Infektionen.
Aber trotzdem hat man ein bisschen das Gefühl, als hätten wir das Tal einfach erreicht und als würde es nunmehr nicht mehr wirklich weniger.
Es wird ja nach wie vor viel getestet, wenn auch weniger als vorher – aber wiederum deutlich mehr als zum Beispiel im letzten Jahr. Es ist klar, dass mehr Infektionen aufgedeckt werden und die Dunkelziffer niedriger ist. Es ist auch klar, dass das Virus inzwischen ein ganzes Jahr mehr Zeit hatte, sich auszubreiten und daher einfach verbreiteter ist. Dass es endemisch wird, ist seit langem klar. Ich habe diesen Begriff garantiert vor mindestens einem Jahr gelernt, als das das erste Mal darüber gesprochen wurde, dass dieses Virus bleiben wird. Anschließend war klar, dass Impfungen der Weg aus der Pandemie sein würden und sein müssen.
Weshalb ich den größten Teil dieses Jahres einigermaßen angepisst war, dass trotz Kenntnis all dieser Gegebenheiten die Regierungen in Bund, Land und EU es mit dem Impfen nicht so fürchterlich eilig hatten und diese Tatsache verstehe ich nach wie vor nicht. Aber das ist Schnee von gestern, weil wir soeben die Marke von 50% überschritten haben: Jeder zweite in Deutschland ist jetzt geimpft. Dass das fast ein halbes gedauert hat, ist falsch und sehr ärgerlich aber hier stehen wir jetzt und das ist erstmal trotzdem gut.
Der Impfzielrechner nennt Stand heute den 20. August als den Tag, an dem die 70%-Marke fällt, was sich wie üblich an dem Tempo der letzten Tage orientiert. Das hat allerdings letzte Woche auch einen neuen Rekord hingelegt: 5,8 Millionen Impfungen haben da stattgefunden. Es ist ein lustiger Zufall, dass meine beiden Impftermine jeweils in so einer Rekordwoche stattgefunden haben.
König bei den Impfungen ist übrigens momentan interessanterweise Bremen. In Bremen läuft ja ansonsten selten mal irgendwas erstklassig aber dort sind 56% der Bürger geimpft, 31% sogar bereits doppelt und bei den Menschen über 60 sind es sogar 89% und knapp 60% bereits doppelt. Ist so weil Stadtstaat und weil das vielleicht einfacher zu organisieren ist? Könnte man denken. Aber nur, wenn man Hamburg ignoriert, dass gleichzeitig momentan beinahe das Schlusslicht bildet mit 47% (weniger hat nur Sachsen, da sind es 45%). Niedersachsen liegt mit 51% relativ genau in der Mitte.
Und die Landesregierung hat ihrerseits auch endlich mal die Regeln an die Situation angepasst, sprich: Regelungen gefunden, was denn nun bei einer Inzidenz von unter 10 (das haben wir hier im Landkreis seit Ende Mai!) dann doch alles erlaubt sein könnte: Private Zusammenkünfte mit bis zu 25 Personen drinnen oder 50 Personen draußen, Aufstocken ist mit Testen möglich.
Und noch so einiges anderes mehr. In diesen Tagen startet dann in Niedersachsen auch so langsam der Straßenwahlkampf. Vor einigen Monaten noch bin ich wirklich davon ausgegangen, dass der praktisch wegfallen könnte. Aus heutiger Sicht ist der selbst unmaskiert und ohne Maske kein Problem. Was ja gut ist. Es zeigt aber auch, wie schwierig man die Entwicklung am Ende einschätzen kann.
Wobei ich mir auch sicher bin, dass die jetzt lockereren Regeln ihren Ursprung nicht nur in der guten Infektionssituation haben, sondern natürlich besonders auch in der jetzt dann doch hohen Impfquote.
Und wenn man sich die in Erinnerung ruft, macht es einem eigentlich schon wieder fast Sorge, dass dennoch noch sehr vieles nicht oder nur eingeschränkt geht. Die Frage, anhand welcher Kriterien denn das Ende einer solchen Pandemie festgemacht werden kann, ja muss, steht nicht erst jetzt im Raum – aber jetzt wird es zunehmend wichtig, sie zu stellen und diese Kriterien zu definieren.
Denn wie gesagt: Dass das Virus bleiben wird, ist eine längst gesicherte Erkenntnis. Tests zeigen natürlich auch dann positiv an, wenn das Virus eigentlich seinen schrecken längst verloren hat. Insbesondere in den letzten Monaten haben wir mehrfach erlebt, dass rote Linien immer weiter nach unten verschoben worden sind: Inzidenz 100 galt als wichtige Grenze, dann 50. Später hieß es, 35 sei das neue 50 und vor kurzem war dann auf einmal 10 ganz wichtig. Seriös fühlt sich das alles schon lange nicht mehr an, auch wenn klar ist, dass sich die Situation natürlich ändert, eben wegen der Mutationen. Nur wurden diese Grenzen ja praktisch synchron mit dem sich bessernden Infektionsgeschehen abgesenkt. Man muss kein Verschwörungsmythiker sein, um das schräg zu finden.
Es wird auch viel zu wenig erklärt, warum solche Änderungen erfolgen. Wenn sich das mit Mutationen (derzeit ist vor allem die Rede von der „Deltavariante“, das ist die Mutation, die bis vor kurzem noch Indien hieß aber hier ist politische Korrektheit eingezogen) erklären lässt, möge man es doch bitte einfach hin und wieder auch einfach erklären.
Ansonsten ist es vor allem brüllend heiß. Die letzten Tage immer über 30 Grad. Jetzt auch bereits wieder – und es ist gerade mal 11 Uhr. Es ist Freitag und eigentlich ist es doch mal ein Wetter, an dem man irgendwas mit ein paar Leuten unternehmen müsste.
Mal gucken.