Als es mit diesem ganzen Home-Office-Kram losging, gab es ja eine regelrechte Euphorie dergestalt, dass man allgemein hoffen konnte, dass die Digitalisierung in diesem Land vielleicht ein wenig angeschoben werden würde durch Corona.
Jetzt, viele Wochen später, ist davon nichts zu spüren.
Okay, fast nichts. Waren Tools wie Zoom vor zwei Monaten neben einer Hand voll Firmen in Deutschland höchstens noch so Early-Adopter-Typen wie mir ein Begriff, so kennt das heute jeder, selbst Schüler „dürfen“ mit dem Schrott arbeiten. Und insgesamt haben sich natürlich viele Unternehmen und auch staatliche Einrichtungen wie Behörden viel mit zeitgenössischen Tools zur Telearbeit auseinandersetzen müssen – sicherlich etliche erstmals. Das ist sicher unter dem Strich gut so, keine Frage.
Aber darüber hinaus?
Ist zum Beispiel Fax als Mittel der Wahl im Gesundheitswesen inzwischen verboten worden und durch irgendwas Sinnvolles ersetzt worden? Nope.
Ein Beispiel für ein Scheitern von Digitalisierung vor Ort – oder vielleicht auch nur dem Missverständnis darüber, was Digitalisierung eigentlich heißen sollte, statt „wir haben es auf der Homepage“ – ist mir heute aufgefallen: Der fehlende Newsfeed zu Corona auf der Website meines Landkreises.
Mein Landkreis hat ratzfatz eine Unterseite für den ganzen Coronakram geschaffen. Die auch nicht schlecht ist, es steht viel drauf und das wird auch täglich aktualisiert.
Das Problem ist nur: Man bekommt es natürlich niemals mit. Es sei denn, man geht täglich auf die Seite des Landkreises. Was niemand tut, wenn es nicht unbedingt sein muss und somit gilt: Man bekommt es niemals mit.
Das Internet in seiner grenzenlosen Weisheit hat dieses Problem bereits in grauer Onlinevorzeit erkannt – und im Jahre 1999, vor 21 Jahren also, gelöst. Man hat das Ganze RSS-Feed genannt und in den Folgejahren weiterentwickelt. Derartige Feeds hat heute praktisch jede moderne Website. Die auch und grade durch Corona jetzt einem breiten Publikum bekannt gewordenen Podcasts sind praktisch ein Feed, der automatisch das Vorhandensein neuer Audiodateien auf einer Website meldet (vereinfacht gesagt). Die Feeds von Giganten wie Facebook oder Youtube basieren lose auf dem Konzept, auch wenn hier natürlich längst der Algorithmus die rein chronologische Darstellung abgelöst hat. Bei Twitter ist es vielleicht noch etwas deutlicher. Auch Google News funktioniert nach einem solchen Prinzip. Jedenfalls sind solche Feeds heute allgegenwärtig.
Leider sind sie einem breiteren Publikum nach wie vor fürchterlich unbekannt. Die direkte Nutzung von Feeds ist nie wirklich populär geworden. Obwohl sie zu dem Besten gehört, was das Internet jemals hervorgebracht hat. Ich nutze sowas täglich, um für mich relevante Sachen zu überfliegen oder vertieft lesen zu können. Ich nutze einen Feedreader, der mir einfach auflistet, welche Artikel auf einer Seite grade neu sind. Was mich interessiert, klicke ich an und lese ich. Beim Rest habe ich dann wenigstens die Überschrift gesnackt und erinnere mich später vielleicht noch mal dran, wenn es doch relevant wird.
Ich glaube, ein auf diese Weise selber zusammengebauter Newsfeed ist die beste und effizienteste Methode, sich zu informieren. Und ich halte es für einen Fehler, dass so wenige Leute sowas benutzen.
Natürlich kann mir egal sein, ob andere sich weniger effizient informieren als ich. Ist es mir im Prinzip auch. Aber die mangelhafte Verbreitung dieser eigentlich essenziellen Webtechnologie führt leider auch dazu, dass von sowas eben auch bei Behörden wie meiner Kreisverwaltung noch nie einer gehört hat.
Die Website meines Landkreises wirft zwar natürlich (wie wie gesagt so ziemlich jede moderne Website) einen abonnierbaren Feed aus. Aber der umfasst halt dann nur die Artikel auf der Hauptseite.
Was in Sachen Corona hingegen dringend geboten und in jeder Hinsicht sinnvoll wäre, wäre ein abonnierbarer Feed, wenn sich mal wieder irgendwelche Regeln ändern. Oder es irgendwelche anderen Nachrichten gibt. Und seien es auch nur die aktualisierten Zahlen an Erkrankungen im Landkreis. Veröffentlicht der Landkreis sowieso jeden Tag, es wird halt nur niemandem automatisch gemeldet.
Ich finde das sehr ärgerlich. Und so überflüssig. Natürlich ist es irgendwie nachvollziehbar, dass man sich als Landkreis nicht jede kleine Regeländerung in den Hauptfeed packen will, so dass die Startseite auf einmal aussieht, als gäbe es wirklich keine Themen mehr außer Corona (auch wenn das der Realität eigentlich relativ nahe käme aber egal). Die paar anderen Meldungen würden untergehen und das will man nicht. Total verständlich.
Aber deswegen kann man ja auch unterschiedliche Feeds erzeugen und zum Beispiel könnte man einen machen, der wirklich nur die ganzen Neuigkeiten, die mit Corona und den damit verbundenen Beschränkungen zu tun hat. Die sind ja für einige Menschen lebenswichtig. Und für noch viel mehr Menschen zumindest interessant genug, um sie wenigstens anhand der Überschriften regelmäßig verfolgen zu wollen, mit Option auf Vertiefung via Mausklick, wenn irgendwas noch ein bisschen interessanter klingt.
Stattdessen tut man so, als wäre 1995 und das Internet ein statischer Haufen von Informationen und als würde noch irgendwer im Ernst regelmäßig auf Verdacht bestimmte Seiten aufsuchen, falls da was Neues steht. So benutzt aber wahrscheinlich noch nicht mal beim Landkreis noch irgendwer das Internet, auch dort wird (hoffentlich) wenigstens nach der gesuchten Information als erstes gegoogelt, wenn die Technologie Newsfeed schon nicht genutzt wird.
Man sollte ja nie jemandem Lernfähigkeit absprechen. Mache ich auch bei Behörden nicht. Aber wer im Jahr 2020 immer noch nichts von einem Newsfeed gehört hat (den man ja allein schon intern voll gut benutzen könnte, beispielsweise, um ihn im Intranet überall zu verbreiten, um Meldungen automatisiert vertwittern zu lassen, um automatisiert Facebook zu füttern, um ihn auf Infoscreens automatisiert erscheinen zu lassen usw. usf.), in welchen Niederungen mag der wohl in Sachen digitaler Medienkompetenz stecken geblieben sein?