Auf dem Papier ist die Pandemie grade so heftig wie nie, betrachtet man Fallzahlen und Inzidenzen.
Im Landkreis Harburg haben wir heute die 600er-Marke gerissen. Das ist mal kurz das Dreifache der bisherigen Höchstwerte und das sechsfache der höchsten Werte der letzten Welle. Aus unerfindlichen Gründen weist der Landkreis die absoluten Fallzahlen und die Zahl der Genesenen seit 6 Tagen nicht mehr aus, aber man ändert im Kreishaus ja sowieso ständig die Darstellung, warum auch immer. Die Inzidenz allerdings wird zumindest seit Herbst 2020 durchgehend gezählt und veröffentlicht und ich glaube, an der Gesamtkurve kann man ganz gut sehen, wie krass es hier grade abgeht:
„Die Inzidenz geht durch die Decke“ mutet da fast wie eine schamlose Untertreibung an, würde ich sagen. Die Frage, was zum Teufel das eigentlich nun bedeutet, ist hingegen nicht ganz so leicht zu klären.
Die aktuelle Welle rollt seit Sommer. Ihren ersten Peak bei uns im Landkreis erreichte sie bereits Mitte August, ihren zweiten Anfang Dezember. Danach erholte sie sich kaum, aber seit dem 1. Weihnachtstag explodiert sie ziemlich stetig.
Das ist übrigens so stetig, dass ich jetzt mal so aus der Hüfte schießen würde, dass man das – wie auch im vergangenen Jahr schon – nicht mit Feiertagen erklären kann, sondern es ist einfach die Entwicklung, wie sie auch ohne Feiertage geschehen wäre. Der leichte Rückgang zwischen 1.1. und 3.1. rührt daher, dass das Land in dieser Zeit einfach keine Zahlen gemeldet hat. Denkt man sich den weg, ist es wirklich eine verdammt gerade, äh, Gerade.
Also wie gesagt: Die Entwicklung der Inzidenz ist dramatisch. Die Zahlen bei uns sind dieses Mal auch ganz erheblich viel krasser, als überall sonst. Die bundesweite Inzidenz liegt bei 360, die des Landes sogar bei unter 300. Aber in Hamburg sind die Zahlen zum Beispiel ähnlich heftig.
Was im internationalen Vergleich aber immer noch lachhaft ist, auch das gehört zum spannenden Gesamtbild. In Dänemark läuft die Inzidenz grade auf die 2000 zu. Dänemark! Wo die Pandemie bereits vor einem halben Jahr im Alltag keinerlei Rolle mehr spielte.
Gleichzeitig sind im Landkreis Harburg in den letzten 6(!) Wochen in Summe 10 Personen an/mit Corona gestorben. Während einer Welle, die eben bei einer Inzidenz von um die 200 einen bis dahin bei uns nie gekannten Höchstwert hatte.
Die aktuellen noch viel höheren Infektionszahlen werden natürlich zu weiteren Toten führen und das werden wir wohl spätestens in 2-3 Wochen merken. Sehr offensichtlich nimmt die Lebensgefährlichkeit dieser Pandemie aber immer weiter ab. Okay, der Preis dafür ist wohl, dass wir uns Impfen lassen und das immer wieder. Ist okay für mich, für andere bekanntlich weniger.
Die nicht enden wollende Debatte um die Impfpflicht nervt auch weiterhin. Jetzt wünscht der Bundesgesundheitsminister sie sich angeblich. Mir fehlt weiterhin eine vernünftige Begründung dafür und egal ob sie kommt oder nicht, sie würde ohnehin erst nach der aktuellen Welle kommen.
Und wie gehabt niemanden impfen. Denn es gibt offensichtlich viele Möglichkeiten, sich gefälschte Impfpässe zuzulegen und so, wie sich der Staat derzeit blamiert, was seine eigenen Statistiken betrifft, wird das vermutlich nie so richtig auffallen, wenn die Leute nicht völlig bescheuert sind.
Okay, die meisten Impfgegner sind natürlich völlig bescheuert. Aber trotzdem. Diese ganze Impfpflicht-Idee will mir nicht einleuchten. Gleichzeitig ödet mich die Debatte darum einfach nur an. Mich betrifft das ganze Thema einfach in keiner Weise, denn in meinem Umfeld gibt es niemanden, der sich nicht impfen lassen mag. Gibt auch niemanden, der tierisch begeistert und heiß auf weitere Impfungen ist, aber so behämmert, stattdessen eine unkontrollierte Infektion zu riskieren, ist halt auch keiner. Die „Nebenwirkungen“ der Impfung sind normalerweise 2-3 Tage bisschen Kopfweh und Müdigkeit. Auch das ein Deal, der klar geht – und ja, wenn’s sein muss auch in diesem Jahr noch mehrfach.
Aber dass dieses alle-3-Monate-impfen, was jetzt Mancher schon ausruft, keine Dauerlösung sein kann, ist wohl auch klar. Zumal die Impfstoffe wohl, anders, als ich mal angenommen hatte, auch nicht wirklich schon immer gleich an neue Varianten angepasst werden. Warum eigentlich nicht? Dachte, das wäre so superleicht und DER Vorteil von MRNA-Impfstoffen.
Eine Hoffnung, die Impfgegner wie Geimpfte vereint, ist vermutlich, dass Variante Omikron mit seiner heftigen Infektiösität auf die harte Tour für eine Herdenimmunität im Verlauf dieses Jahres sorgen könnte.
Ich will jetzt nicht behaupten, dass ich das nicht auch gerne hoffen wollen würde. Aber für mich klingt das nicht realistisch. Hohe Zahlen hin und oder her, aber dazu müssten die Zahlen entweder noch viel höher werden. Oder auf diesem Niveau sehr, sehr lange anhalten. Ich glaube nicht, dass eins von beidem eine ernsthafte Option ist.
Aber ist ja die ganze Pandemie über schon so, dass man sich gerne irgendwas einredet. Vielleicht muss das so, damit man diesen Mist noch erträgt. Mir kommt diese Fähigkeit, mir alles irgendwie schönzureden, echt abhanden so langsam. Glaube, so irrsinnig ausgeprägt war das bei mir auch nie.
Aber mittlerweile hat sich auch eine große Skepsis dazugesellt. Aussagen absolut aller Experten, egal, ob hysterisch warnend im Lauterbachstyle oder lächerlich alles relativierend wie diverse andere, ich kauf niemandem mehr irgendwas ab. Eine gewisse Grundskepsis hatte ich immer. Aber die ist eigentlich nur immer größer geworden über die letzten fast 2 Jahre. Egal wer und egal was: Immer denke ich mir: Ja, kann so sein. Kann auch ganz anders sein. Ist auch eigentlich egal, weil ändert jetzt erstmal nichts und man muss halt gucken, ob das so ist oder auch nicht. Prognosen < Realität halt.
Und Prognosen sind schwierig, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen. Aber ganz besonders schwierig sind sie, wenn man ganz, ganz viele Faktoren einer Entwicklung nicht kennt oder sie falsch erfasst werden oder Faktoren sich ständig ändern oder auf einmal so ein Omikron um die Ecke kommt oder, oder, oder.
Ich nehme niemandem seine schlechten Prognosen krumm – sie aber gleichzeitig auch wirklich kein bisschen ernst, egal, wer sie äußert. Führt dazu, dass dieser ganze mediale Coronakram sich für mich als ein gigantischer und nie endender Strom von Bullshit darstellt. Als würden alle immer bekloppter: Die Covidioten (okay, glaube, bei denen ist es echt so, dass die immer mehr durchdrehen – inzwischen schleppen sie schon ihre Kinder mit zu Demos als lebende Schutzschilde gegen die Polizei, wenn sie sich deren Anweisungen widersetzen wollen) genau wie die gesundheitspolitische Elite des Landes und alle dazwischen, die meinen, sie müssten sich hier oder da Positionieren, obwohl offensichtlich keiner irgendwas genau weiß und wir sowieso alle im Trüben fischen. Manche sicherlich etwas professioneller als andere, also mit einem echten Background – aber im Ergebnis bleibt es häufig genauso trüb.
Mit diesem Blick auf die Pandemie wirkt sie mehr wie ein recht abartiges aber doch interessantes soziales Experiment, dass man relativ emotionsfrei einfach so betrachten und als Show genießen kann. Was vielleicht erst mal zynisch klingt – aber wenn man gar nichts weiß und nichts abschätzen kann, sind eben immer noch alle Pläne, die man macht, potenziell für die Tonne. Heute zum Beispiel wollte ich Karten fürs Planetarium kaufen – für einen Tag Mitte Februar. Macht das überhaupt irgendeinen Sinn? Oder ist dann nicht doch schon wieder der nächste Lockdown?
Lockdowns sind ja bekanntlich für immer ausgeschlossen worden, aber mit 2G+ gibt es seit Anfang Dezember ja auch entgegen aller Ankündigungen drastische Einschränkungen für Geimpfte. Jetzt kommt wohl ne neue Sperrstunde, auch relativ überraschend. Und so weiter und so fort. Wirklich niemanden würde ein neuer Lockdown wundern. Mein Eindruck ist sogar, dass der einzige Grund, aus dem der noch nicht von der jüngsten Ministerpräsidentenkonferenz beschlossen worden ist, der ist, dass man sich da mal wieder etwas weit aus dem Fenster gelehnt hatte, als man sagte, sowas würde es nie wieder geben, wenn alle geimpft sind…
…womit wir ein weiteres Beispiel dafür haben, dass keiner irgendwas weiß und alle nur Blech reden.
Meine Empfehlungen für mindestens die nächsten Monate sind und bleiben: Nichts und niemanden ernst nehmen, der irgendwas mit Zeitangabe für die Zukunft mit Pandemiebezug von sich gibt, keine größeren Pläne machen, die über den Zeithorizont von einer Woche hinausgehen und wenn doch (so wie ich mit dem Planetarium) sich darüber im Klaren sein, dass das eben nicht die Art Plan ist, wie man sie bis 2019 kannte, also, dass man was plant und dann läuft das ganz bestimmt auch so.
So spart man sich unnötigen Frust, während man auf den Frühling wartet. Ab Juni ist dann hoffentlich wieder Coronapause.