Bier finde ich geil. Ich trinke es gern, ich probiere gerne alle möglichen Sorten, gerne auch exotischere, aus. Ich habe sogar einen Instagram-Zweitaccount als @derbierfreund, der nichts anderes tut als jedes Bier, dass ich so trinke, zu verewigen. Theoretisch jedenfalls, nach dem achten Bier des Abends vergesse ich das irgendwann auch gerne mal… aber es kommt trotzdem einiges zusammen.
Heute morgen habe Podcast gehört. Und zwar „Kluge Freunde“ von und mit Guido Bellberg. Immer wieder mal interessant. Heute zu Gast: Sebastian Mergel, ein Craftbeerbrauer aus Berlin. Da mich alles rund um Bier interessiert, war das natürlich eine must-hear-Folge für mich.
Und da bereits im Titel darauf hingewiesen wurde, dass man unter Anderem das Reinheitsgebot aufs Korn nehmen würde, war ich umso mehr interessiert, denn ich halte das Reinheitsgebot seit langem für ein Problem.
Nicht so sehr aus Marketingsicht. Ich glaube, dass es auch über die Grenzen Deutschlands hinaus verkaufsfördernd ist, wenn da der Hinweis „Gebraut nach dem deutschen Reinheitsgebot von 1516“ draufsteht.
Nur: Das ist eigentlich nur noch ein Werbegag. Denn im Reinheitsgebot von 1516 stand zum Beispiel nie was von Hefe, wie man in Bellbergs Podcast erfährt. Die war halt noch nicht entdeckt, auch wenn sie natürlich auch damals schon im Bier war.
Der Zweck des Reinheitsgebotes war auch nicht, für „reines“ Bier zu sorgen. Sondern man wollte zum Beispiel verhindern, dass kriegswichtiges Weizen für Bier „verschwendet“ wird.
Das Reinheitsgebot war also schon immer gewissermaßen Etikettenschwindel. Es wollte weder für Reinheit sorgen, noch tat es das jemals. Was auch nicht weiter schlimm wäre, wenn es denn heute wirklich nur noch als Werbegag für deutsches Bier relevant wäre, dass es dieses Reinheitsgebot immer noch gibt.
So ist es aber leider nicht.
Natürlich sind die Supermarktregale voll von Bieren und leider auch ganz furchtbaren Biermischgetränken und die kommen oft alle direkt aus deutschen Brauereien, meist sogar aus sehr großen, die ansonsten das Reinheitsgebot hochhalten, damit werben und über Lobbyismus auch bei der Politik dafür sorgen, dass dieses auch ja weiter bestehen bleibt.
Wie kann das sein? Wie kommt es zu dieser merkwürdigen Doppelmoral beim angeblich so heiligen Reinheitsgebot?
Die Antwort ist rein ökonomisch: Der Bierkonsum geht seit Jahren zurück. Die Brauer versuchen das zu kompensieren, in dem sie immer neue, oft absurde Getränke auf den Markt werfen. Ihre traditionellen ganz normalen Biere bewerben sie natürlich trotzdem mit dem dadurch reichlich scheinheiligen Hinweis aufs Reinheitsgebot. Warum man das als Kunde noch irgendwie ernstnehmen sollte, wenn die gleiche Firma zum Beispiel Energydrinks ins Bier kippt und die Plörre dann im gleichen Regal im Supermarkt steht wie echtes Bier, habe ich allerdings auch nie wirklich verstanden.
Die großen Brauereien pfeifen also eigentlich aufs Reinheitsgebot und nutzen es nur noch als Werbegag. Bis dahin kein Problem.
Der andere „Nutzen“ des Reinheitsgebotes ist für Bierfreunde sehr wohl eines. Und hier komme ich wieder auf den Podcast mit Brauer Mergel zurück. Denn der erklärt anschaulich, wie das Reinheitsgebot ihm das Geschäft erschwert.
Craftbeer lebt nämlich davon, dass es dem Reinheitsgebot regelmäßig wiederspricht. Ja, die machen auch gerne mal ein „reines“ Pils, oft sind die auch wirklich richtig geil. Aber man will ja zusätzlich immer etwas Einzigartiges und ganz Besonderes schaffen. Etwas, dass vielleicht auch gar nicht die breite Masse ansprechen soll sondern bewusst speziell ist. Und das bedeutet, dass das Bier eben Dinge enthält, die mit dem Reinheitsgebot nichts zu tun haben.
Sowas darf man in Deutschland auch machen. Wie gesagt: Die großen Fernsehbierproduzenten haben da teilweise völlig gestörte Sachen im Angebot. Und es gibt ja auch reichlich Craftbiere zu kaufen. Aber: Für jede dieser Ausnahmen braucht es eine Ausnahmegenehmigung.
Die bekommt man normalerweise auch. Aber sie kostet. Brauer Mergel sagt, er zahlt für eine solche Genehmigung 250 Euro und darf ein halbes Jahr drauf warten. Beides vermutlich nur in Berlin so heftig, insbesondere diese absurde Wartezeit. Er muss dabei sehr genaue Angaben über die Inhaltsstoffe machen – ein halbes Jahr, bevor er es braut. Bei einem Naturprodukt. Das allein scheint schon so aufwendig zu sein wie es klingt und macht sicherlich viel an Experimentierfreude kaputt.
Ein Problem ist aber auch diese Gebühr. Für einen riesigen Konzern wie Becks oder Krombacher sind 250 Euro ein Witz. Die produzieren eine Million Liter Bier von dem Zeug, da verschwindet das völlig. Craftbeerbrauereien machen aber andere Mengen pro Bier. Deren Geschäftsmodell lebt davon, dass es möglichst viele unterschiedliche Biere gibt und nicht möglichst viel von den gleichen drei, vier Sorten, die einfach schon immer da waren.
Mergel rechnet im Podcast vor, dass er am Ende auf fast einen Euro kommt, die diese Gebühr und sonstige Scherereien rund ums Reinheitsgebot ein Glas Bier am Ende teurer machen. Ich kann das zwar nicht wirklich nachrechnen, eigentlich nicht mal wirklich nachvollziehen. Aber selbst wenn er da etwas übertrieben haben sollte, wovon ich gar nicht ausgehe, bedeutet das auf jeden Fall, dass sich also das Reinheitsgebot preislich in relevantem Ausmaß im Preis von besonderen Biersorten niederschlägt – von denen der Brauer aber gar nichts hat.
Das allein finde ich schon extrem ärgerlich. Schlimmer ist aber eigentlich, dass man davon ausgehen kann, dass aufgrund des Reinheitsgebotes auch einfach viel weniger interessantes Bier auf den Markt kommt, als es das ohne dieses der Fall wäre.
Und das ist eigentlich nicht zu rechtfertigen. Denn der wesentliche Zweck des Reinheitsgebotes ist, wie eingangs festgestellt, vor allem Werbung und gerade die großen Brauereien bringen neben den paar „reinen“ Sorten dermaßen viele üble Panschereien auf den Markt, dass man deren Meinung zum Thema Reinheitsgebot eigentlich sowieso nicht mehr wirklich ernstnehmen darf.
In Ordnung finde ich, wenn man sich bemüht, den Begriff „Bier“ zu schützen, damit nicht wirklich irgendwann alle möglichen Bier-Mixgetränke fälschlicherweise als Bier verkauft werden dürfen. Aber Craftbeer ist nunmal Bier, egal, was da noch so alles im Braukessel gärt. Weizenbier ist schließlich auch Bier, immer gewesen.
Also: Reinheitsgebot bitte einfach abschaffen. Gerne als Werbegag bewahren, spricht ja nichts dagegen, sowas auf Pils & Co weiterhin draufzuschreiben. Aber dafür braucht es keine Gesetze, die alle anderen Biersorten zwar erlauben, ihre Herstellung aber unnötig bis praktisch unmöglich kompliziert machen.